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HBS Böckler Impuls

Mitbestimmung: Betriebsräte: Mit Konfliktbereitschaft zu sozialeren Innovationen

Ausgabe 03/2010

Arbeitgeber wollen Kosten sparen und größere Marktanteile erobern. Betriebsräte sind vor allem an besseren Arbeitsbedingungen und sicheren Jobs interessiert. Innovationen, die beiden Seiten nutzen, sind oft das Ergebnis harter Verhandlungen.

Wie funktioniert das Zusammenspiel von Geschäftsführung und Arbeitnehmervertretung im Innovationsprozess? Das kommt auf den Betriebsrat an, haben Martin Schwarz-Kocher, Jürgen Dispan, Ursula Richter und Bettina Seibold vom Stuttgarter IMU-Institut herausgefunden. Die Sozialforscher haben 14 Industriebetriebe untersucht, in denen der Betriebsrat bei Innovationen mitredet - und oft einiges für die Beschäftigten herausholt. 

Betriebsräte wissen mehr als Manager. Nicht nur die Betriebsräte selbst, sondern auch die Geschäftsführer der untersuchten Betriebe halten die Beteiligung der Arbeitnehmervertreter für wichtig. Denn Betriebsräte haben einen kürzeren Draht zur Basis als die Betriebsleitung - die mit den konkret von Neuerungen betroffenen Arbeitnehmern meist auf dem Umweg über mehrere Ebenen des mittleren Managements kommunizieren muss. So konnten Betriebsräte oft praktische Verbesserungsvorschläge anbringen und Lösungen für Probleme anbieten, die das Management völlig übersehen hatte.

Betriebsratskonzepte verbinden wirtschaftliche Ziele mit guten Arbeitsbedingungen. Am Innovationsprozess beteiligte Arbeitnehmervertretungen bemühen sich - häufig mit Erfolg - die Vorhaben der Geschäftsführung in verträgliche Bahnen für die Beschäftigten zu lenken. Negative Wirkungen von Reorganisationsplänen konnten die Arbeitnehmervertretungen in den untersuchten Betrieben begrenzen, etwa indem sie einseitige körperliche Belastungen oder allzu kurze Taktzeiten am Fließband verhinderten. In einigen Betrieben traten Betriebsräte selbst als "Innovationstreiber" auf: Sie setzten bloßen Kostensenkungsprogrammen des Managements eigene Alternativprogramme entgegen. So konnte ein Betriebsrat durch Verbesserungen der Arbeitsorganisation die Verlagerung eines Fertigungsabschnitts an einen ausländischen Standort abwenden. Andere Vorschläge zielten gerade nicht auf die Kostenseite, sondern standen unter dem Motto "besser statt billiger".

Betriebsräte stellen sicher, dass Veränderungen für die Belegschaft akzeptabel sind. Die Arbeitnehmervertretung "entschleunigt" Innovationsprozesse oft, haben die Wissenschaftler beobachtet. Das wirkt sich meist positiv aus: Es verringert die Zahl der Planungsfehler und führt zu "größerer Legitimation bei den Beschäftigten" - die Belegschaft fühlt sich nicht überrollt. Wichtig für die Akzeptanz von Neuerungen bei den Beschäftigten ist, dass Änderungsvorschläge der betroffenen Arbeitnehmer von der Geschäftsführung ernst genommen und berücksichtigt werden. Hierbei kann der Betriebsrat als Vermittler auftreten und die Belegschaft für Veränderungsprozesse gewinnen.

Ohne Konflikte geht es nicht. Betriebsräte sind gerade beim Thema Innovation starken Rollenkonflikten ausgesetzt: Gehen sie zu weit auf das Management zu und betätigen sich als Co-Manager, laufen sie Gefahr, die Unterstützung der Belegschaft zu verlieren. Vor allem wenn es nach Einführung neuer Produkte oder Prozesse nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer in der Belegschaft gibt. Bleiben Betriebsräte hingegen passiv und versuchen in erster Linie Veränderungen abzuwehren, verlieren sie "ihre gestaltende Funktion", schreiben die Forscher. Die Fallstudien zeigten, dass Betriebsräte immer dann eigenständige Innovationsbeiträge liefern können, wenn sie dabei konsequent die Interessen der Beschäftigten vertreten. Dabei muss sich die Kooperation von Betriebsrat und Geschäftsführung nicht auf klassische Win-win-Situationen beschränken, in denen die Interessen von Beschäftigten und Kapitalgebern ohnehin zusammenfallen. Konfliktbereiten Betriebsräten gelingt es darüber hinaus, aus Arbeitnehmersicht problematische Innovationsvorhaben des Managements sozial zu regulieren.

Unternehmen, die über eine solche partizipative Innovationskultur verfügen, hätten einen entscheidenden Vorteil im globalen Wettbewerb, resümieren die Autoren. 

  • Konfliktbereite Betriebsräte können Innovationsvorhaben des Managements im Interesse der Beschäftigten verändern. Zur Grafik

Martin Schwarz-Kocher u.a.: Betriebsratshandeln im Modus arbeitsorientierter Innovationsprozesse, in: WSI-Mitteilungen 2/2010

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