Quelle: HBS
Böckler ImpulsBeschäftigung im Rentenalter: Betriebe haben ausreichend Möglichkeiten
Ein erheblicher Teil der Unternehmen hat Beschäftigte im Rentenalter. Noch flexiblere Regeln für Arbeitsmöglichkeiten im Ruhestand sind unnötig.
Ein erheblicher Teil der Unternehmen in Deutschland hat Beschäftigte im Rentenalter: Laut Florian Blank und Wolfram Brehmer beschäftigen vier von zehn Betriebe Menschen weiter, die eigentlich schon die Grenze zum Ruhestand überschritten haben. Die WSI-Forscher haben Daten der WSI-Betriebsrätebefragung 2017 ausgewertet, die repräsentativ für mitbestimmte Betriebe mit mindestens 20 Arbeitnehmern sind. Dass in jüngster Zeit Forderungen laut geworden sind, die Beschäftigung von Rentnern noch weiter zu erleichtern, können sie angesichts ihrer Ergebnisse nicht nachvollziehen: „Es gibt keine Anzeichen dafür, dass eine weitere Deregulierung notwendig ist.“
Schon heute spreche rechtlich nichts gegen eine Weiterbeschäftigung im Rentenalter, schreiben Blank und Brehmer. Wenn Beschäftigte die reguläre Altersgrenze erreichen, kann das Arbeitsverhältnis befristet oder unbefristet verlängert werden, auch Neueinstellungen bei einem anderen Betrieb oder eine selbstständige Tätigkeit sind möglich. Erwerbstätige können entweder den Renteneintritt verschieben oder zu ihrer Rente hinzuverdienen. Einzig die sachgrundlos befristete Neueinstellung beim alten Arbeitgeber ist nicht erlaubt.
Der Studie zufolge werden die rechtlichen Möglichkeiten rege genutzt: 41,4 Prozent der befragten Betriebsräte geben an, dass in ihrem Betrieb Personen im Rentenalter weiter beschäftigt werden. Der Anteil dieser Weiterbeschäftigten an der gesamten Arbeitnehmerschaft ihrer Betriebe beträgt 1,3 Prozent. Große Unterschiede gibt es zwischen den Branchen: Die Quote der Firmen, bei denen über die Regelaltersgrenze hinaus gearbeitet wird, reicht von 27,7 Prozent im Bereich Information, Kommunikation, Finanzen und Versicherungen bis hin zu 57,2 Prozent bei öffentlichen Dienstleistungen, Erziehung und Gesundheit.
Regelungen auf betrieblicher Ebene spielen der Analyse zufolge eine eher untergeordnete Rolle: Dass Weiterbeschäftigung im Rentenalter explizit geregelt wird, etwa in Arbeitsverträgen oder Betriebsvereinbarungen, berichten 11,2 Prozent der befragten Betriebsräte.
Bei zwei Dritteln der Betriebe ist zwar pauschal vorgesehen, dass das Arbeitsverhältnis mit Erreichen der regulären Altersgrenze endet. Doch in der Praxis scheint das keine hohe Hürde zu sein: Von den Firmen mit entsprechenden Vorschriften beschäftigen 40,9 Prozent Menschen im Rentenalter, indem sie neue Verträge mit ihnen abschließen. Bei den anderen Betrieben sind es 42,3 Prozent.
Messbare Auswirkungen attestieren Blank und Brehmer der Tarifbindung: Dass Beschäftigte über die Altersgrenze hinaus weiterarbeiten, kommt bei den Firmen mit Flächentarif mit 37 Prozent seltener vor als bei den nicht tarifgebundenen mit 45,1 Prozent – auch dann, wenn man andere Faktoren wie die Branche oder die Betriebsgröße herausrechnet. Die mögliche Erklärung laut den WSI-Forscher: Da die tarifgebundenen Unternehmen als vergleichsweise attraktive Arbeitgeber leichter neue Beschäftigte gewinnen können, dürfte der Bedarf geringer sein. Zudem sei denkbar, dass Tarifbeschäftigte aufgrund ihrer höheren Renten auf einen Job im Alter weniger angewiesen sind.
Die Untersuchung der Wissenschaftler zeigt, dass Selbstständigkeit als Instrument der Weiterbeschäftigung wenig verbreitet ist: 95,5 Prozent der Betriebe nutzen Arbeitsverträge, nur 8,9 Prozent Dienst- oder Werkverträge; Mehrfachnennungen waren dabei möglich. Neue Arbeitsverträge schließen 70,2 Prozent ab, bei einem Viertel laufen alte Verträge weiter. Sowohl bei abhängiger als auch bei selbstständiger Beschäftigung überwiegen befristete Verträge. Minijobs kommen sehr uneinheitlich zum Einsatz: 37,7 Prozent der Betriebsräte geben zu Protokoll, dass in ihrem Unternehmen alle Beschäftigten im Rentenalter geringfügig beschäftigt sind, 35,5 Prozent geben an, dass das auf keinen zutrifft.
Als Fazit halten Blank und Brehmer fest, dass die bisherige Praxis der Regulierung offensichtlich ausreichend Möglichkeiten bietet, um den Bedürfnissen sowohl der Betriebe als auch der Beschäftigten Rechnung zu tragen. Eine Deregulierung wie etwa die weitere Erleichterung von sachgrundloser Befristung wäre nach ihrer Einschätzung nicht nur überflüssig, sie könnte auch zu einer Verschlechterung der Beschäftigungsbedingungen führen.
Florian Blank, Wolfram Brehmer: Betriebliche Praxis der Beschäftigung im Rentenalter, WSI-Report Nr. 51, Juni 2019