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HBS Böckler Impuls

Sozialrecht: Bessere Bescheide statt Gerichtsgebühr

Ausgabe 07/2009

Vor den Sozialgerichten wird häufiger geklagt - vor allem gegen Hartz-IV-Bescheide. Offenbar oft zu recht. Neue Gerichtsgebühren sind keine Lösung.

Um rund 55 Prozent ist die Zahl der Klagen zwischen 1995 und 2007 gewachsen. Besonders drastisch fiel der Anstieg im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende aus. Zu komplizierte Gesetze und fehlerhafte Bescheide? Oder liegt es an den kostenfreien Sozialgerichtsverfahren, die mehr Betroffene ermuntern, auch in aussichtslosen Fällen zu klagen? Kritiker glauben letzteres und wollen die Gebührenfreiheit abschaffen. Ein 2006 vom Bundesrat eingebrachter Gesetzentwurf will Klägern eine Verfahrensgebühr auferlegen - je nach Instanz zwischen 75 und 225 Euro. Gewinnt der Kläger, soll sie zurückerstattet werden.

Eine aktuelle Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales kommt zu dem Schluss: Pauschale Gebühren seien "nicht zu empfehlen, weil damit sozial schutzbedürftige Menschen davon abgehalten würden, auch berechtigte Klagen zu führen". Eine nachhaltige Entlastung der Sozialgerichtsbarkeit sei ebenfalls nicht zu erwarten, warnten die Juraprofessoren Armin Höland und Felix Welti kürzlich auf dem Hans-Böckler-Forum für Arbeits- und Sozialrecht. Denn entsprechend häufiger würden Klagewillige Prozesskostenhilfe beantragen - über die auch wieder die Sozialrichter entscheiden.

Die Wissenschaftler haben amtliche Statistiken ausgewertet und Richter sowie Kläger repräsentativ befragt. Eine Flut aussichtsloser Klagen können sie nicht entdecken: "Vielmehr sind die Erfolgsquoten der Kläger vor den Sozialgerichten konstant hoch." Von 1995 bis 2006 stieg der Erfolgsanteil sogar von 31 auf 38 Prozent. Angesichts der vielen erfolgreichen Klagen empfehlen die Forscher, lieber in die personelle Ausstattung der Grundsicherungbehörden und damit in die Qualität der Hartz-IV-Verfahren zu investieren. Das sei auch beim außergerichtlichen Widerspruchsverfahren nötig, das heute "stark standardisiert ist und zum Teil auf dem Einsatz von Textbausteinen beruht". Schließlich verweisen die Forscher darauf, dass Richter bei offensichtlich aussichtslosen Klagen eine so genannte "Verschuldensgebühr" androhen können. Bislang haben aber rund drei Viertel von ihnen dieses Instrument nur selten oder nie genutzt.

"Die Untersuchung zeigt, wie wichtig empirische Forschung zur Rechtswirklichkeit ist. Denn sie arbeitet heraus, was Realität ist, und was nur Vermutung", sagt Heide Pfarr, Wissenschaftliche Direktorin des WSI. "Die gesetzlichen Regelungen zu Hartz IV überfordern ganz offensichtlich in wichtigen Punkten die zuständigen Behörden. Es ist nicht akzeptabel, diese Probleme auf die Gerichte abzuwälzen - oder gar auf die Betroffenen."

  • Vor deutschen Sozialgerichten wird immer häufiger geklagt. Seit Mitte der 90er-Jahre stieg der Eingang neuer Klagen um 55 Prozent. Dabei spielen Klagen gegen Hartz-IV-Bescheide eine wichtige Rolle. Zur Grafik

Bernard Braun, Petra Buhr, Armin Höland, Felix Welti: Gebührenrecht im sozialgerichtlichen Verfahren, Nomos, Baden-Baden 2009

 

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