zurück
HBS Böckler Impuls

Mitbestimmung: Besser abgesichert mit Betriebsrat

Ausgabe 11/2017

Betriebsräte sorgen dafür, dass Beschäftigte bei Werksschließungen eher eine Abfindung erhalten. Am stärksten profitieren diejenigen, die schlechte Chancen am Arbeitsmarkt haben.

Gegen Heuern und Feuern hilft Mitbestimmung: Dass die Personalfluktuation in Betrieben mit Arbeitnehmervertretung geringer ist, haben zahlreiche empirische Studien nachgewiesen. Christian Grund und Johannes Martin von der RWTH Aachen haben nun untersucht, welche Rolle Betriebsräte spielen, wenn es dennoch zum Rauswurf kommt. Ihrer Analyse zufolge können von betriebsbedingten Entlassungen Betroffene eher mit einer Abfindung rechnen, wenn eine Firma mitbestimmt ist. Bei Kündigungen wegen individuellen Fehlverhaltens ist das nicht der Fall. Besonders intensiv scheinen sich Arbeitnehmervertreter für Entlassene mit wenig Aussicht auf einen neuen Job einzusetzen.

Laut Betriebsverfassungsgesetz müssen Arbeitgeber jede Kündigung mit dem Betriebsrat besprechen und begründen. Der Betriebsrat kann widersprechen, wenn soziale Aspekte außer Acht gelassen wurden oder wenn es eine andere Verwendung für den betroffenen Kollegen gegeben hätte. Auch wenn sich eine Entlassung als ungerechtfertigt entpuppt, sei eine weitere Zusammenarbeit allerdings oft nicht möglich, schreiben Grund und Martin. In solchen Fällen einige man sich in der Regel auf eine Abfindung. Auf die entsprechenden Verhandlungen könne der Betriebsrat Einfluss nehmen. Bei Massenentlassungen handle er zudem einen Sozialplan aus, zu dem auch Abfindungen gehören können.

Um den Zusammenhang zwischen Mitbestimmung und Abfindungen empirisch dingfest zu machen, haben die Wirtschaftswissenschaftler Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) ausgewertet, die sich auf Beschäftigte von privaten Betrieben mit mindestens fünf Mitarbeitern beziehen. Bei ihrer Analyse haben sie Faktoren wie Alter, Ausbildung, Lohn und Dienstalter der Beschäftigten oder die Betriebsgröße herausgerechnet. Das Ergebnis: Verlieren Arbeitnehmer wegen Werksschließungen ihren Job, gibt es deutlich häufiger eine Abfindung, wenn ein Betriebsrat mitredet.

  • Bei der betrieblichen Mitbestimmung gibt es enorme Unterschiede zwischen den Branchen. Zur Grafik
  • Betriebsräte sorgen dafür, dass Beschäftigte bei Werksschließungen eher eine Abfindung erhalten. Zur Grafik

Bei individuellen Entlassungen scheint sich Mitbestimmung dagegen nachteilig auszuwirken. Die Autoren erklären das mit der größeren Beschäftigungsstabilität in mitbestimmten Firmen: Betriebsräte achteten darauf, dass es nur bei wirklich gravierendem Fehlverhalten wie beispielsweise Alkoholmissbrauch oder Diebstahl zu einer Kündigung kommt. Viele der Entlassenen dürften also nicht nur dem Unternehmen geschadet haben, sondern auch ihren Kollegen und könnten daher nicht mit Unterstützung rechnen. Wenn eine Entlassung dagegen nicht selbst verschuldet ist, sondern aus betrieblichen Gründen erfolgt, werde der Betriebsrat aktiv.

Ansonsten ist das Engagement von Arbeitnehmervertretern offenbar auch von den beruflichen Perspektiven der Entlassenen abhängig: Der positive Effekt fällt bei denjenigen am stärksten aus, die zum Zeitpunkt der Befragung immer noch arbeitslos waren. Die Betriebsräte scheinen ihre Bemühungen also auf die Kollegen zu konzentrieren, die am meisten auf finanzielle Unterstützung angewiesen sind, so Grund und Martin. Denkbar wäre auch, dass sie statt einer Abfindung bisweilen Unterstützung bei der Vermittlung in eine neue Stelle durchsetzen.

Christian Grund, Johannes Martin: The Role of Works Councils for Severance Payments, IZA Discussion Paper Nr. 10750, April 2017.

Impuls-Beitrag als PDF

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrem Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen