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HBS Böckler Impuls

Dienstleistungsrichtlinie: Besser, aber noch nicht gut

Ausgabe 07/2006

Die EU-Dienstleistungsrichtlinie wird nicht so scharf ausfallen wie von der Europäischen Kommission ursprünglich geplant. Das Europäische Parlament akzeptierte die Öffnung der Märkte erst nach substanziellen Änderungen. Doch auch der Kompromiss ist durchaus kritisch zu sehen, zeigt eine Expertise im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung.

Die Dienstleistungsrichtlinie soll den Handel mit grenzüberschreitenden Dienstleistungen erleichtern. Kern des Vorschlags der EU-Kommission war das so genannte Herkunftslandsprinzip. Danach hätte sich ein Dienstleister künftig nicht an die Rechtsvorschriften des Landes halten müssen, in dem er die Dienstleistung erbringt, sondern nur an jene des Landes, in dem er ansässig ist. Das hätte europaweit Mindeststandards im Arbeitsrecht ausgehebelt. Dieses radikale Prinzip haben die Parlamentarier zwar entschärft. Dennoch bleiben weiterhin vier Kritikpunkte am aktuellen Entwurf:

Horizontaler Ansatz: Bisher hatte die EU grenzüberschreitende Dienstleistungen für einzelne Branchen geregelt - und das nur dann, wenn die mitgliedstaatlichen Regeln und Verhältnisse hinreichend einheitlich waren. Die neue Richtlinie regelt alle Dienstleistungen grundsätzlich. Das bricht konzeptionell mit der bisherigen Vorgehensweise, und es erzwingt erhebliche Veränderungen der nationalen Gesetze.

Definition der Ausnahmen: Das EU-Parlament nimmt zwar "Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse" vom Geltungsbereich der Richtlinie aus. Die Definition solcher Dienstleistungen überlässt sie aber den Mitgliedstaaten. Das macht es besonders im Gesundheits- und Bildungswesen schwierig, die Ausnahmen unstrittig abzugrenzen. Welches Krankenhaus, welche Hochschule werden von der Richtlinie erfasst, welche nicht? Frank Lorenz, Autor der Studie, hält es daher für sinnvoll, die "Dienstleistungen von allgemeinem Interesse" europäisch einheitlich positiv zu definieren, um sie effektiv vom Geltungsbereich der Richtlinie auszuschließen. Mindestens sind aber alle Gesundheitsdienste und das ganze Bildungswesen auszuklammern.

Arbeits- und Sozialrecht: "Die Bestimmungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz und zur Leiharbeit sind mindestens missverständlich, wenn nicht unzureichend", bemängelt Arbeitsrechtler Lorenz. Zum Beispiel darf der Staat, in dem eine Dienstleistung erbracht wird, lediglich Anforderungen an jene Ausrüstungsgegenstände stellen, "die für die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz notwendig sind". In solchen Formulierungen bleibt vieles unklar - etwa ob dazu auch das Baugerüst zählt, auf dem Bauarbeiter stehen.

Niederlassungsfreiheit: Nach der Fassung des EU-Parlaments kann ein Unternehmen eine Niederlassung auch befristet - "für einen bestimmten Zeitraum" - gründen. Eine ausdrücklich gegen Briefkastenfirmen gerichtete Bestimmung fehlt. Lorenz' Kommentar: "Die Regelungen zur Niederlassungsfreiheit laden zum Missbrauch ein."

  • Es gibt einige Bereiche, die von der Dienstleistungsrichtlinie ausgenommen sind. Zur Grafik

Dr. Frank Lorenz: Fortbestehende Kritikpunkte an der EU-Dienstleistungsrichtlinie, Expertise im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung, März 2006

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