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HBS Böckler Impuls

Soziale Sicherung: Bedingungsloses Grundeinkommen: Keine Alternative zum Sozialstaat

Ausgabe 01/2007

Der Vorschlag, Hartz IV und andere Sozialleistungen durch ein pauschales Grundeinkommen für alle Bürger zu ersetzen, scheint zahlreiche Probleme auf einen Schlag zu lösen. Doch viele gute Gründe sprechen gegen diesen Ansatz.

Wer ist bedürftig? Wann ist ein angebotener Job zumutbar? Diese Fragen müssten Politik und Verwaltung nicht mehr beantworten, wenn jeder Bürger unabhängig von seinem Alter, Erwerbseinkommen und Vermögen ein steuerfinanziertes Grundeinkommen bekäme. Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) argumentieren, vor allem Arbeitslosen würde ein solches "Bürgergehalt" ein Leben auf sicherer finanzieller Basis ermöglichen - ohne Druck, Jobs zu suchen, die es nicht gibt. Zudem könnten ein Großteil der Sozialbürokratie und Lohnnebenkosten ersatzlos gestrichen werden. WSI-Forscher Claus Schäfer hat Pro- und Kontra-Argumente gegeneinander abgewogen. Sein Fazit: Die Einwände überwiegen.

Sozial gerecht? Warum auch vermögende Personen in den Genuss einer steuerfinanzierten Grundsicherung kommen sollten, sei nicht einzusehen, schreibt der Forscher. Selbst wenn sie im Gegenzug mit höheren Steuern belastet würden.

Einstieg in den "Sozialstaat light". Gerade die BGE-Vorschläge aus konservativen Kreisen könnten sich aus sozialstaatlicher Perspektive als Trojanisches Pferd erweisen, warnt Schäfer. Die Kosten für ein bedingungsloses Grundeinkommen würden dort als Argument "für die möglichst ersatzlose Streichung aller anderen sozialstaatlichen Transferzahlungen einschließlich der Rente" dienen. In Analogie zum Steuerkonzept der Flat-Tax könnte das BGE zu einer Art Flat-Sozialstaat führen.

Kein Ersatz für heutigen Sozialstaat. Selbst wenn das Bürgergeld großzügig bemessen wäre - etwa mit 1.000 Euro im Monat - wären längst nicht alle Probleme gelöst. Der regelmäßige Lebensunterhalt ließe sich davon knapp über Hartz-IV-Niveau bestreiten, nicht jedoch zum Beispiel die (Folge-) Kosten von Krankheit oder Unfall, so Schäfer. In vielen Fällen wären zusätzliche Unterstützungsleistungen nötig, Bedürftigkeitsprüfungen weiterhin unvermeidlich.

Gravierende Auswirkungen auf die Lohnstruktur. Der Druck auf die Löhne würde steigen, der Niedriglohnsektor enorm wachsen. Denn die Einführung eines BGE würde Arbeitgeber vollends von der Pflicht entbinden, Arbeitnehmern Existenz sichernde Löhne zu zahlen. Am Ende stünde ein "Super-Kombilohn mit einem hohen Staatsanteil und einem niedrigen Arbeitgeberanteil", befürchtet der Experte. Ein Teil der konservativen BGE-Anhänger vertritt die Position, dass ein Grundeinkommen zwar ohne Bedürftigkeitsprüfung, aber nur im Falle einer Gegenleistung in Form "gemeinnütziger Arbeit" gezahlt werden solle. Dadurch könnte jedoch reguläre Arbeit durch getarnte Billigarbeit verdrängt werden.

Zwei-Klassen-Gesellschaft. Insgesamt könnte sich die Ungleichheit in der Einkommensverteilung trotz BGE sogar verschärfen, wenn die Arbeitseinkommen drastisch sinken und bisherige Sozialleistungen gestrichen werden. Während ein Teil der Gesellschaft mit dem Grundeinkommen abgespeist würde, könnte ein anderer umso mehr Einkommen und Vermögen akkumulieren, so Schäfer.

Vollbeschäftigung - kein politisches Ziel mehr. "Die immer noch lohnende Suche nach einer alternativen Politik zur Wiederherstellung von Vollbeschäftigung" würde durch ein BGE delegitimiert, kritisiert der WSI-Forscher. Schließlich könnte das Ziel, hinreichende Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen, gänzlich aufgegeben werden.

Schäfer wendet sich nicht grundsätzlich gegen Sozialleistungen, die unabhängig von Bedürftigkeitskriterien ausgezahlt werden. Solche Leistungen, wie beispielsweise das Kindergeld, habe es immer gegeben. Der Bürgergeldvorschlag sei nicht prinzipiell systemwidrig: Auf Basis der europäischen Sozialstaatsidee sei es selbstverständlich denkbar, dass die Gesellschaft jedem "a priori ein bestimmtes Grundeinkommen als bedingungslose Voraussetzung für individuelle bzw. bürgerliche Autonomie zukommen lässt".

Dennoch schlägt er andere Instrumente als ein BGE vor, um die persönliche Autonomie des Einzelnen zu stärken: zum Beispiel Ausbildung, Familien- oder Existenzgründung durch großzügigere Transfers zu fördern.

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  • Bürgergeld würde fast die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts kosten. Zur Grafik

Claus Schäfer: Bedingungsloses Grundeinkommen - Absurde Utopie oder reale Möglichkeit, in: Claus Schäfer, Hartmut Seifert (Hrsg.): Kein bisschen leise: 60 Jahre WSI. VSA-Verlag, Hamburg 2006.

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