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HBS Böckler Impuls

Finanzmarkt: Bankensystem: Abkehr vom US-Vorbild

Ausgabe 16/2008

Die Finanzkrise führt nicht zur Rückkehr der alten Deutschland AG. Aber manche Elemente werden wieder eine größere Rolle spielen, erwartet Reinhard Schmidt, Professor für internationales Bankwesen.

Herr Professor Schmidt, wir erleben derzeit eine schwere Krise des internationalen, vor allem aber des angelsächsischen Finanzwesens. Kommt es nun zu einer Renaissance der kontinentaleuropäischen Hausbanken?

Schmidt: Im Moment verschieben sich in der Tat die Gewichte zwischen Staat und Markt auf fundamentale Weise hin zum Staat, und das US-Finanz- und Bankensystem, das bis jetzt das Vorbild für alle anderen war, nimmt eine ganz andere Gestalt an. Trotzdem sehe ich keine dauerhafte Rückkehr zur früheren Rolle der Kreditinstitute, die über Jahrzehnte als Hausbanken großen Einfluss auf die Unternehmen ausübten. Dahin führt kein Weg zurück. Was ich jedoch erwarte, ist die Rückkehr eines anderes Elements der so genannten Deutschland AG: der Ankeraktionäre, also von Großaktionären, die erklärtermaßen eine langfristige Strategie verfolgen und ein großes Aktienpaket an einem Unternehmen halten. Das markanteste Beispiel dafür ist Porsche bei Volkswagen. Kapitalmarkt-Akteure wie etwa ausländische Staatsfonds könnten künftig verstärkt eine ähnliche Rolle suchen.

Die großen amerikanischen Investmentbanken haben in den vergangenen Jahren auf dem Finanzmarkt den Ton angegeben. Nun existieren zwei nicht mehr, die anderen begeben sich freiwillig unter staatliche Regulierung. Welche Zukunft hat das Investment Banking?

Schmidt: Die Banken werden das Investment-Geschäft nicht ganz aufgeben, aber ich kann mir gut vorstellen, dass sie künftig deutlich weniger Risiken eingehen. Goldman Sachs und JP Morgan Chase sind keine reinen Investmentbanken mehr, sie unterliegen nun wie andere Banken auch der Aufsicht der amerikanischen Zentralbank. Auch die deutschen Banken dürften sich für eine gewisse Zeit an einem traditionelleren Modell ausrichten, weniger Investment Banking betreiben und stattdessen verstärkt Einlagen sammeln und nur das weitergeben, was sie selbst eingenommen haben.

Ehe die Blase geplatzt ist, haben sich viele eine bessere Regulierung der Private-Equity- und Hedge-Fonds gewünscht.

Schmidt: Dieses Thema ist erst mal weg vom Fenster. Die Fonds haben sehr stark von den günstigen Zinsen und dem Mangel an Regulierung profitiert. Aber viele haben die Krise nicht überlebt, die übrigen haben große Probleme, Kredite für Firmenkäufe zu bekommen. Einige sollen erklärt haben, dass sie nun Staatspapiere kaufen. Private Equity wird nicht ganz verschwinden, aber kein so großes Problem mehr sein.

Hätte bessere Regulierung die Krise verhindern können?

Schmidt:
Es ist natürlich bezeichnend, dass ausgerechnet die USA die internationale Vereinbarung Basel II nicht übernommen haben. Basel II verpflichtet unter anderem die Banken auf eine stärkere Unterlegung ihrer Kredite mit Eigenkapital. Wenn sich die amerikanischen Banken daran gehalten hätten, hätte das schon sehr geholfen. Aber wir müssen nicht nur über Amerika sprechen. Wenn man sich anschaut, was bei der IKB und der Sachsen LB geschehen ist, muss man sagen: Die Aufsicht über deren Risikomanagement hat offensichtlich nicht funktioniert. Dabei ist das Thema ebenfalls in Basel II geregelt und damit in der Bundesrepublik verbindlich. Und dass gutes Risikomanagement trotz all der komplizierten Finanzinnovationen möglich ist, zeigen uns derzeit manche Banken, die weniger betroffen sind. Wir brauchen künftig ein effektives Risikocontrolling in allen Kreditinstituten, für das ein Vorstandsmitglied verantwortlich sein muss.

In Deutschland sind zunächst besonders öffentliche Banken mit faulen Krediten aufgefallen. Weil sie weniger vom Geschäft verstehen?

Schmidt:
Das mag in Einzelfällen so sein, generell glaube ich es aber nicht. Auf dem Finanzmarkt gilt: Wer unter starkem Gewinndruck steht, geht hohe Risiken ein. Und die Landesbanken waren zuletzt unter großem Druck. Nachdem 2005 die staatliche Gewährträgerhaftung weggefallen ist, wurde die Kreditaufnahme für sie teurer, und sie mussten ihre Existenz rechtfertigen. Also sind sie Risiken eingegangen, die nicht wirklich zu überschauen waren.

Die Europäische Kommission drängte zuletzt darauf, den Sonderstatus der deutschen Sparkasse aufzuheben. Erwarten Sie da ein Umdenken?

Schmidt: Das kann ich mir gut vorstellen und würde mich freuen. Mit den Sparkassen haben wir in Deutschland einen Player, dessen biedere Stabilität unserer Wirtschaft gerade in einer solchen Krise sehr nützt. Es gibt übrigens eine Reihe weiterer vermeintlich biederer Einrichtungen, deren Wert wir jetzt wieder deutlicher sehen - nehmen sie nur das Umlageverfahren der Rentenversicherung im Gegensatz zur kapitalgedeckten Rente.  

  • Basel II sollte den Kapitalmarkt stabiler machen, doch die USA haben das Regelwerk nicht unterzeichnet – und die Umsetzung der zweiten Säule in Deutschland war nicht erfolgreich. Zur Grafik

Reinhard Schmidt ist Professor für Internationales Bank- und Finanzwesen an der Universität Frankfurt. Im vergangenen Jahr hat er für die Hans-Böckler-Stiftung eine Studie zu Finanzinvestoren erstellt - zu den Risiken, die von ihrem Wirken ausgehen, und zur Notwendigkeit, sie zu regulieren.

Schmidt, Reinhard H. / Spindler, Gerald: Finanzinvestoren aus ökonomischer und juristischer Perspektive, Baden-Baden 2008

Böckler Impuls 15/2007: Finanzinvestoren: Schutz vor Anleger-Exzessen

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