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Autonom und abhängig Böckler Impuls

Arbeitswelt: Autonom und abhängig

Ausgabe 14/2024

Influencer, Youtuber oder Blogger – was macht die Arbeit als Content Creator aus? Eine Studie untersucht das Selbstverständnis von Menschen, die ihr Geld mit sozialen Medien verdienen.

Blogs und Social-Media-Plattformen wie Youtube und Instagram erfreuen sich großer Beliebtheit. Manche verdienen sich dort sogar ihren Lebensunterhalt. Das Berufsbild der sogenannten Content Creators wurde bisher jedoch kaum beleuchtet. Was macht ihre Arbeit aus? Und welches Bild haben sie von sich und ihrer Tätigkeit? Diesen Fragen geht eine Studie von Fabian Hoose und Sophie Rosenbohm von der Universität Duisburg-Essen nach. Der Sozialwissenschaftler und die Sozialwissenschaftlerin haben Blogposts und Videos analysiert und Interviews mit den Erstellerinnen und Erstellern dieser Inhalte geführt. 

Die Bereiche, in denen die Content Creators tätig sind – Mode, Beauty, Familie, Reisen, Essen – könnten unterschiedlicher kaum sein. Und doch haben die Forscherin und der Forscher eine Gemeinsamkeit ausgemacht: Die Akteure und Akteurinnen haben ein starkes Bedürfnis, sich als „professionelle Kreative“ darzustellen und sich so von der Masse der Menschen, die in ihrer Freizeit Inhalte in sozialen Medien veröffentlichen, abzuheben. Auch wenn die Einnahmen überwiegend aus Werbekooperationen stammen, definieren sich die Befragten in ihrem Selbstverständnis nicht darüber. Sie bezeichnen sich als Bloggerin, Editor, Videoproduzentin, Youtuber oder Content Creator. Der Begriff Influencer wird aufgrund seiner negativen Konnotation und der Reduzierung auf werbliche Aspekte weitgehend abgelehnt. „Die Konstruktion dieses Narratives trägt dazu bei, ihre Aktivitäten zu rechtfertigen, und ist somit ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit als Content Creator“, schreiben Hoose und Rosenbohm.

MEHR WISSEN

Fabian Hoose und Sophie Rosenbohm präsentieren ihre Forschung im Rahmen der LABOR.A 2024 und diskutieren über „(K)eine Arbeit?! Arbeitspolitische Herausforderungen von Content Creation“. Live dabei sein am 19.09. ab 9:30 Uhr unter  www.labora.digital/2024/ 

Unter den Befragten sind 14 Frauen und vier Männer, die zum Zeitpunkt der Erhebung zwischen 24 und 43 Jahre alt waren. Die meisten hatten zuvor ein reguläres Arbeitsverhältnis, das sie zugunsten der Social-Media-Tätigkeit aufgegeben haben. In der Regel betreiben die Creators ihre Blogs oder Social-Media-Kanäle allein und ohne feste Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen, so dass sie als Solo-Selbstständige bezeichnet werden können. Regelmäßig arbeiten sie mit anderen freiberuflich Tätigen zusammen – zum Beispiel für Community-Management, Fotos oder Webdesign. Nur drei der Befragten haben fest angestellte Beschäftigte. Alle Befragten verfügen über mehrjährige Erfahrung mit professionellem (Video-)Blogging, in einigen Fällen bereits seit mehr als zehn Jahren. Die wichtigste Plattform ist für viele YouTube, wo die Zahl der Abonnentinnen und Abonnenten von 32000 bis 157000 reicht. Auch die Anzahl der Follower auf Instagram variiert stark zwischen den Befragten: Sie reicht von einigen Hundert bis zu rund 100000. Hinzu kommen weitere Auftritte auf Plattformen wie Facebook, Pinterest, Twitch, Spotify sowie Crowdfunding-Plattformen wie Patreon und Steady. 

In den von den Forschenden analysierten Videos und Blogs erklären die Content-Profis ihrem Publikum oft ausführlich, was sie tun und wie viel Arbeit dahinter steckt. Die am häufigsten verwendeten Begriffe sind „Arbeit“, „Geld“, „Beruf“ und „Spaß“. Sowohl „Geld“ als auch „Spaß“ werden in mehr als der Hälfte der Beiträge erwähnt. Das Wort „Geld“ wird jedoch zweieinhalbmal häufiger genannt als „Spaß“. „Das deutet darauf hin, dass es ihnen wichtig ist, ihre Arbeit und ihren Aufwand für das Publikum sichtbar zu machen“, so Hoose und Rosenbohm. Es werde deutlich, dass viele der analysierten Beiträge einen rechtfertigenden Charakter haben: „Insbesondere betonen sie, dass es sich um ‚echte Arbeit‘ handelt. Damit wehren sie sich gegen mögliche Vorwürfe, ihre Arbeit sei nur eine Freizeitbeschäftigung, die jeder machen könne.“ 

Das Motiv, ihrem Publikum zu erklären, warum sie bestimmte Dinge tun müssen und welchen Abhängigkeiten sie von Seiten der Plattformen und deren Werbepartnern ausgesetzt sind, ist in vielen Beiträgen präsent. Dies zeigt den Spagat, den die Profis in diesem Bereich vollbringen müssen: Oft haben sie ihre Tätigkeit als Amateure begonnen, ohne wirtschaftlichen Druck. Dadurch konnten sie sehr kritisch mit bestimmten Marken, Produkten oder auch der Plattform umgehen. Je größer die finanzielle Abhängigkeit von Sponsoren wird, desto schwieriger wird es, diese kritische Haltung aufrechtzuerhalten.

Eine gewisse Ambivalenz zeigt sich auch in den Interviews: Einerseits legen die Befragten Wert auf ein hohes Maß an Autonomie. Der Wunsch, der eigene Chef oder die eigene Chefin zu sein, wird stark betont. Andererseits werden strukturelle Abhängigkeiten deutlich: Sie müssen sich an die Regeln und Bedingungen der Plattformen halten, auf denen sie ihre Inhalte veröffentlichen. Sie müssen die Erwartungen des Publikums erfüllen. Und sie müssen ihren Mehrwert für die Werbepartner nachweisen.

Zentral ist der ständige Austausch mit dem Publikum, was eine permanente Verfügbarkeit für Fragen und Kommentare mit sich bringt. So kommt es nicht selten vor, dass Fragen aus der Community morgens noch vor dem Aufstehen im Bett oder spät abends auf dem Sofa vor dem Fernseher beantwortet werden. Immer wieder wird betont, wie wichtig es für eine gute Beziehung zum Publikum ist, „authentisch“ zu sein – was in einem gewissen Widerspruch zu dem Anspruch steht, als Profi wahrgenommen zu werden und nicht als Person, die lediglich einem Hobby nachgeht.

„Plattformen nehmen eine immense Rolle in unserer Kommunikation und unserem Medienkonsum ein. Daraus ergeben sich viele Berufsfelder, die die Arbeitswelt der Zukunft verändern, wie das des professionellen Content Creators“, erklärt Lisa Basten, Leiterin der Forschungsstelle Arbeit der Zukunft in der Hans-Böckler-Stiftung. „Die Arbeit als Creator bringt kreative Freiheiten, aber auch wirtschaftliche Abhängigkeiten mit sich, genau wie Reibungspunkte mit unseren Sozialsystemen. Eine kollektive Interessenvertretung ist immens schwierig, aber dringend nötig.“

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