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HBS Böckler Impuls

Betriebsrenten: Ausbau statt Ausstieg

Ausgabe 05/2016

Die Bundesregierung will die betriebliche Altersversorgung fördern. Doch das wird durch die aktuellen Niedrigzinsen erschwert. Arbeitgeber klagen über hohe Pensionsrückstellungen.

Einst sollte die gesetzliche Rente ausreichen, um den Lebensstandard im Alter zu halten. Von dieser Idee hat sich die Politik vor mehr als zehn Jahren verabschiedet. Stattdessen sollten die Menschen einerseits mehr Eigenverantwortung für ihre Alterssicherung übernehmen, andererseits sollten betriebliche Renten die Lücke füllen. Die Risiken wurden stärker auf den Kapitalmarkt verlagert. Damit sind neue Probleme entstanden: „Die größte Gefahr für das Rentensystem stellt die derzeitige globale Niedrigzinsphase dar. Sie verschärft die Probleme der betrieblichen Altersversorgung“, schreibt Sebastian Campagna, Bilanzexperte der Hans-Böckler-Stiftung. Deshalb sei es sinnvoll, dass die Bundesregierung versucht, die Unternehmen bei der Bilanzierung von Pensionszusagen zu entlasten.

Eine kapitalgedeckte Altersversorgung funktioniert dann gut, wenn das Kapital eine ansehnliche Rendite erwirtschaftet. Gegenwärtig ist das nicht der Fall. Die Renditen sind mager – und daran dürfte sich in den kommenden Jahren nichts ändern, solange die Finanzkrise nicht vollends überwunden ist. Die Folgen spüren Beschäftigte und Unternehmen: Zum einen fallen die Erträge der angesparten Anwartschaften für Betriebsrenten niedriger aus. Zum anderen sind die Firmen verpflichtet, höhere Rückstellungen zu bilden, um ihre Pensionszusagen einzuhalten.

Das heißt jedoch nicht, dass einem Unternehmen – wie oft behauptet – sofort weniger Geld zur Verfügung steht. Diese pauschale Schlussfolgerung sei „schlichtweg unseriös“, so Campagna. „Richtig ist: Rückstellungen – egal für welchen Zweck sie grundsätzlich bilanziell gebildet werden – stellen einen Aufwand dar, der in der Gewinn- und Verlustrechnung den Jahresüberschuss mindert. Richtig ist ebenso, dass sich dieser Effekt im Eigenkapital und in der Eigenkapitalquote widerspiegelt“, erklärt der Experte. „Falsch ist jedoch, dass der beschriebene Pensionsaufwand zwingend zu einem Liquiditätsabfluss führt.“ Zwischen der Bildung von Rückstellungen und der Zahlung der Renten lägen meist viele Jahre. Die Liquidität werde erst dann beansprucht, wenn die Beschäftigten in Rente gehen und dann eine Betriebsrente beziehen. Es müsse von Fall zu Fall genau geprüft werden, ob und wann es tatsächlich zu Belastungen für die Unternehmen kommt.

Einige Firmen scheinen die Niedrigzinsen jedoch als willkommenen Anlass für Kürzungen zu nehmen: „Unternehmen verweisen auf die höheren Betriebskosten und den Anstieg ihrer bilanziellen Pensionsverpflichtungen, um ihre Leistungen weiter zu kürzen und sich allmählich aus der arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung zu verabschieden“, schreibt der Experte. Was dabei herauskommt, sehe in vielen Fällen so aus:

Der Arbeitgeber beschließt, dass die betriebliche Altersversorgung nur für die bestehende Belegschaft gilt. Neu eingestellte Beschäftigte kommen nicht mehr in den Genuss dieser Versorgung.

Neuen Beschäftigten wird eine betriebliche Altersversorgung angeboten, allerdings zu schlechteren Bedingungen.

Der Betriebsrat wird unter Druck gesetzt, schlechtere Bedingungen für die bisherigen Beschäftigten zu akzeptieren, da andernfalls neu eingestellten Beschäftigten keine Altersversorgung angeboten werden könne. Im Ergebnis wird dann eine neue gemeinsame Versorgungsordnung für bisherige und neue Beschäftigte verhandelt.

Noch weiter gehen Forderungen, wonach die Unternehmen keine Mindestrente mehr garantieren müssen, sondern lediglich verpflichtet sind, bestimmte Beiträge in eine Versorgungseinrichtung einzuzahlen. Wenn sich die Arbeitgeber mit diesem Vorstoß durchsetzen, würden sie kein Haftungsrisiko mehr tragen, so Campagna. Das Risiko hätten die Beschäftigten. Was sie am Ende ihres Berufslebens herausbekommen, hinge dann noch stärker von den Kapitalmärkten ab.

Ein gemeinsames Modell der Sozialpartner?

Die betriebliche Altersversorgung sowie die private Vorsorge dienen als zweite und dritte Säule der Alterssicherung. Dies wird durch steuerliche Vergünstigungen gefördert. Die Vorteile der betrieblichen Altersversorgung gegenüber der privaten Vorsorge liegen in der kollektivvertraglichen ­Grundlage. Die Metall-Rente und der Chemie-Pensionsfonds sind hierfür gute Beispiele. In anderen Branchen und insbesondere dort, wo Unternehmen nicht tariflich gebunden sind, ­ist die Situation weniger günstig. Ein Vorschlag, wie mehr Beschäftigte eine Betriebsrente erhalten können: Arbeitgeber und ­Gewerkschaften könnten gemeinsame Einrichtungen zur betrieblichen Altersvorsorge gründen – in der Diskussion sind Pensionskassen und -fonds. Diese, so die Idee aus dem Bundesarbeitsministerium, sollen per Allgemeinverbindlicherklärung auch für nicht tarifgebundene Arbeitgeber der entsprechenden Branche gelten.


Erleichterung für Unternehmen

Die Höhe der Pensionsrückstellungen in der Handelsbilanz wird anhand eines bestimmten Abzinsungssatzes berechnet, der von der Deutschen Bundesbank festgelegt wird. Je niedriger der Rechnungszins, mit dem Firmen ihre künftigen Verpflichtungen abzinsen müssen, desto mehr müssen sie als Rückstellung in die Bilanz eintragen. In Folge der Niedrigzinsphase ist der Rechnungszins immer weiter gesunken. Die Rückstellungen sind dadurch gestiegen. Doch der Gesetzgeber hat inzwischen eine Anpassung beschlossen: Künftig soll der Abzinsungssatz auf Basis der vergangenen zehn Jahre berechnet werden – bisher waren es sieben Jahre. Damit wird das höhere Zinsniveau vor der Finanzkrise stärker in die Rechnung einbezogen. Dies sei eine Erleichterung für die Unternehmen, konstatiert Bilanzexperte Sebastian Campagna. Nun müsse ebenfalls dafür gesorgt werden, dass Unternehmen bei Pensionsrückstellungen nicht länger steuerliche Nachteile haben. Er sieht die Bundesregierung in der Pflicht, die betriebliche Altersversorgung nicht nur zu bewahren, sondern mehr Menschen einen Zugang zu ermöglichen.

  • Seit 2001 ist die Zahl der Beschäftigten mit Anspruch auf Betriebsrente deutlich gestiegen. Zur Grafik
  • In Großbetrieben erwerben deutlich mehr Beschäftige einen Anspruch auf Betriebsrente. In kleineren Firmen wird eine betriebliche Altersvorsorge häufig nicht angeboten. Grafik als CSV herunterladen Zur Grafik

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