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HBS Böckler Impuls

Gesundheitsversorgung: Aus Spaß geht niemand zum Arzt

Ausgabe 09/2009

Die Deutschen sollen seltener zum Arzt gehen, fordern Ärztefunktionäre. Erreichen wollen sie das durch eine höhere direkte Kostenbeteiligung von Patienten. Der ­Nutzen: fraglich, Nebenwirkungen: wahrscheinlich.

Patienten sollen eine höhere finanzielle "Eigenverantwortung" tragen. Etwa über eine deutliche Erhöhung der Praxisgebühr, fordern manche Ärztefunktionäre. Solchen Vorschlägen liegt die Annahme des sogenannten "Moral-Hazard-Modells" zu Grunde: Die soziale Pflichtversicherung verleite Versicherte dazu, ihren individuellen Nutzen auf Kosten der Allgemeinheit zu maximieren - ohne Rücksicht auf die Kosten. Es gebe sogar den Anreiz, die eigenen Beiträge wieder "hereinzuholen", etwa durch häufige Arztbesuche.

Diese Denkfigur ist populär. Doch es gibt keine belastbaren wissenschaftlichen Belege für ein solches  Verhalten in signifikantem Ausmaß. Das zeigt Simone Leiber, Sozialexpertin im WSI, in einer aktuellen Analyse. Metaanalysen der Untersuchungen zum Thema aus den letzten Jahrzehnten kamen zu dem Ergebnis: "Gesundheitswissenschaftliche, versorgungsbezogene und klinische Studien legen vielmehr nahe, dass die Versicherten das System nicht ausnutzen wollen oder können", resümierten etwa die Forscher eines Projekts am Wissenschaftszentrum Berlin, nachdem sie rund 1.500 Studien ausgewertet hatten.

Die oft zitierte RAND-Studie ergab zwar, dass nach Einführung spürbar höherer direkter Kostenbeteiligungen weniger Versicherte zum Arzt gingen. Längerfristige gesundheitliche Folgen des veränderten Verhaltens wurden jedoch nicht untersucht. Der Effekt sei "mit einer Reihe bedeutender Nebenwirkungen" verbunden, so Leiber zum Forschungsstand: Etwa wachse die Gefahr, dass insbesondere Versicherte mit niedrigen Einkommen Krankheiten verschleppten. "Neben den negativen Folgen für die Betroffenen können dadurch die erhofften Kostenersparnisse langfristig konterkariert werden", warnt Leiber.

Weiteres Ergebnis der RAND-Studie: Die Form des Honorars für Ärzte und Krankenhäuser - also Einzelleistungsvergütung versus fixes Gehalt, Fallpauschalen oder Kopfpauschalen pro Patient - hat mehr Einfluss auf die Kostensenkung als die direkte Kostenbeteiligung der Patienten.

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