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HBS Böckler Impuls

Tarifbonus für Gewerkschafter: Auf die Höhe kommt es an

Ausgabe 01/2005

Dürfen Gewerkschaften und Arbeitgeber in ihren Tarifverträgen Sonderkonditionen für Gewerkschaftsmitglieder vereinbaren? "Natürlich", urteilt der Arbeitsrechtsexperte Franz Gamillscheg: wenn es sich um einen finanziellen Vorteil handelt und dieser nicht höher ist als der Gewerkschaftsbeitrag.

Die jüngsten Tarifvereinbarungen mit Extra-Vorteilen für Gewerkschaftsmitglieder sind nicht nur politisch, sondern auch rechtlich umstritten. Kern der juristischen Kritik: Verstoß gegen das Grundgesetz, Einschränkung der Vertragsfreiheit  und nicht zuletzt Gefahr für die Tarifautonomie.

Ist die Gleichbehandlung verletzt?

Gamillscheg sieht das gelassener. Keine Vorteilsregelung, sondern ein kleiner Nachteilsausgleich seien solche Tarifboni: dafür, dass die Gewerkschaftsmitglieder mit ihrem Beitrag und ehrenamtlichen Engagement die Tarifverträge mit ihren Vorteilen für alle Beschäftigten überhaupt zustande bringen.

Durch unterschiedliche tarifliche Regelungen für Mitglieder und nicht Organisierte sehen Kritiker das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 GG) grundsätzlich verletzt. Gamillscheg dazu: "Niemand bestreitet, dass der Arbeitgeber den nicht organisierten Arbeitnehmer untertariflich bezahlen kann. Also können der Arbeitgeber oder sein Verband dieses der Gewerkschaft auch versprechen." Auch in Betrieben, in denen sich die Einzelarbeitsverträge zwecks Gleichbehandlung auf die Tarifverträge beziehen.

Tarifboni könnten im Gegenteil gerade eine bestehende Ungleichbehandlung ausgleichen: nämlich die des Gewerkschaftsmitgliedes, dem der Arbeitgeber in vielen Fällen den Beitrag vom Lohn abzieht, während der nicht Organisierte das volle Entgelt ausbezahlt bekommt.

Fazit: Ein Tarifvorteil bis zur Höhe des satzungsgemäßen Gewerkschaftsbeitrags ist zulässig. Im Ergebnis aller tariflichen Leistungen darf jemand, weil er kein Gewerkschaftsmitglied ist, aber nicht weniger haben als das Mitglied.

Geraten nicht Organisierte unter Druck?

Üben Tarifboni einen Zwang auf nicht organisierte Arbeitnehmer aus, der Gewerkschaft beizutreten? Dann wären sie unzulässig, weil sie die "negative Koalitionsfreiheit" verletzten, die Freiheit, einer Organisation nicht beizutreten. Kritiker sehen dies so: Jedwede Diskriminierung und Beeinträchtigung sei verboten, ein Unterschied zwischen Außenseitern und Gewerkschaftsmitgliedern dürfe nicht gemacht werden. Auch die Tarifautonomie sei sonst gefährdet. Sie könne aber ihre Aufgabe nur erfüllen, wenn diese Gruppen - Außenseiter und Gewerkschaftsmitglieder - in jeder Hinsicht frei gebildet sind.

Gamillscheg argumentiert dagegen: "Bis jetzt ist die ,negative Koalitionsfreiheit‘ vom Bundesverfassungsgericht ausschließlich als Schutz vor der Nötigung zum Beitritt definiert." Dass aber ein Tarifvorteil in Beitragshöhe einen Arbeitnehmer unfreiwillig in die Gewerkschaft pressen könnte, sei regelrecht abwegig. Kern seiner Aussage: Die Höhe des Tarifbonus darf auch bei dieser Betrachtung nicht ausgeblendet werden.

Wie weit geht die Vertragsfreiheit?

Verstoßen tarifliche Sonderregelungen für Gewerkschaftsmitglieder gegen die Vertragsfreiheit der nicht Organisierten? Verhindern sie, dass diese in ihren Arbeitsverträgen die gleiche Leistung aushandeln können? Für Gamillscheg ist das legitim: "Die Vertragsfreiheit kennt keinen Anspruch auf einen Vertrag, erst recht nicht mit einem bestimmten Inhalt."

  • Die jüngsten Tarifvereinbarungen mit Extra-Vorteilen für Gewerkschaftsmitglieder sind umstritten. Dabei sind solche Tarifboni ein Ausgleich dafür, dass die Gewerkschaftsmitglieder die Tarifverträge mit ihren Vorteilen für alle Beschäftigten überhaupt zustande bringen. Zur Grafik

Franz Gamillscheg, emeritierter Professor am Institut für Arbeitsrecht der Universität Göttingen. Seine Auseinandersetzung mit diesem Thema erscheint in voller Länge in der NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht im Beck-Verlag.

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