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HBS Böckler Impuls

Mitbestimmung: Arbeitnehmervertreter fördern Investitionen

Ausgabe 15/2019

Mitbestimmung im Aufsichtsrat ist ökonomisch sinnvoll: Sie verbessert Informationsflüsse und wirkt sich so positiv auf die Kapitalbildung von Unternehmen aus. 

Investitionsentscheidungen hängen von zahlreichen Faktoren wie Absatzerwartungen, Zinsniveau oder steuerlichen Aspekten ab. Laut Simon Jäger vom Massachusetts Institute of Technology (MIT), Benjamin Schoefer von der University of California in Berkeley und Jörg Heinrich vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) spielt auch Mitbestimmung eine Rolle. Die Ökonomen können empirisch nachweisen, dass Firmen mehr investieren, wenn Beschäftigte im Aufsichtsrat mitreden.

Methodisch machen sich die Forscher den Umstand zunutze, dass in Deutschland ab 1952 zunächst alle Aktiengesellschaften unabhängig von ihrer Größe verpflichtet waren, ein Drittel der Aufsichtsratssitze mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen. Seit einer Gesetzesänderung im Jahr 1994 greift die Drittelbeteiligung dagegen erst ab einer Schwelle von 500 Beschäftigten, wobei für Unternehmen, deren Gründungsdatum in die Zeit vor dem 10. August 1994 fällt, Bestandsschutz gilt. Das heißt: Diese Unternehmen bleiben auch dann mitbestimmt, wenn sie weniger als 500 Beschäftigte haben. Indem man die Entwicklung von kurz vor dem 10. August 1994 gegründeten mit derjenigen von danach gegründeten Firmen vergleicht, wird es möglich, den kausalen Effekt von Aufsichtsratsmitbestimmung statistisch herauszudestillieren.

Für ihre Analyse haben die Wissenschaftler diverse Unternehmensdatenbanken und einen IAB-Datensatz ausgewertet. Zunächst haben sie die Auswirkungen von Mitbestimmung auf die Zusammensetzung von Aufsichtsräten untersucht und unter anderem einen positiven Effekt auf die Wahrscheinlichkeit festgestellt, dass es Frauen in diesem Gremium gibt. Die Betriebsgröße und die Überlebenswahrscheinlichkeit von Firmen werden nicht messbar beeinflusst. Das zentrale Ergebnis: Der Kapitalstock – also der Bestand an Gebäuden, Maschinen, Patenten oder Marken – vergrößert sich durch Mitbestimmung um 30 bis 50 Prozent. 

Der Untersuchung zufolge konzentrieren sich mitbestimmte Unternehmen auf kapitalintensive Produktionstechnologien – ohne dabei Jobs abzubauen: Ein signifikanter Effekt auf die Beschäftigung ist nicht nachweisbar. Auch Outsourcing findet offenbar nicht vermehrt statt, der Anteil der unternehmensinternen Wertschöpfung steigt sogar um 12 bis 13 Prozentpunkte. Das Qualifikationsniveau erhöht sich tendenziell; der Anteil ungelernter Arbeitnehmer geht zurück. Auf das Lohnniveau scheint sich Mitbestimmung ebenso wenig auszuwirken wie auf die Rendite. Die Kreditkosten sinken, was den Autoren der Studie zufolge daran liegen könnte, dass Arbeitnehmervertreter sich möglicherweise für weniger riskante Investitionsprojekte einsetzen.

Als Erklärung für die gemessenen Effekte verweisen die Forscher ansonsten auf verbesserte Informationsflüsse in mitbestimmten Unternehmen. Der Vorstand sei gesetzlich verpflichtet, dem Aufsichtsrat regelmäßig Bericht zu erstatten, sodass die Arbeitnehmerseite über die geschäftliche Entwicklung auf dem Laufenden ist. Umgekehrt könnten die Arbeitnehmervertreter das Management über Bedürfnisse der Belegschaft aufklären. Das dadurch entstehende Vertrauen trage zu kooperativen und langfristigen Arbeitsbeziehungen bei, die Investitionen attraktiv machen.

  • Der Kapitalstock – also der Bestand an Gebäuden, Maschinen, Patenten oder Marken – vergrößert sich durch Mitbestimmung um 30 bis 50 Prozent. Zur Grafik

Simon Jäger, Benjamin Schoefer, Jörg Heinrich: Labor in the Boardroom, UC Berkeley/MIT Working Paper, Juli 2019 

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