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Arbeit als Sucht Böckler Impuls

Gesundheit: Arbeit als Sucht

Ausgabe 07/2023

Zehn Prozent der Erwerbstätigen arbeiten suchthaft: Sie tun nicht nur viel für den Job, sondern haben auch Probleme zu entspannen, wenn sie nicht arbeiten. Das geht auf die Gesundheit.

Der weit verbreitete Begriff „Workaholic“ beschreibt das, was Forschende mit suchthaftem Arbeiten meinen, nur zum Teil. Denn im alltäglichen Sprachgebrauch wird er oft zur Beschreibung von Menschen genutzt, die einfach viel arbeiten – und dabei glücklich sind. Der zwanghafte, letztlich gesundheitsschädigende Aspekt kommt zu kurz. Beatrice van Berk, Christian Ebner und Daniela Rohrbach-Schmidt, die das Phänomen in einer Studie für die Hans-Böckler-Stiftung untersucht haben, benutzen ihn deshalb nicht. Die Wissenschaftlerinnen und der Wissenschaftler vom Bonner Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) beziehungsweise der Technischen Universität Braunschweig haben ermittelt, wie viele Erwerbstätige in Deutschland betroffen sind und wie es um deren Gesundheit bestellt ist. 

Die Studie beruht auf Daten des BIBB und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, für die in den Jahren 2017 und 2018 gut 8000 Erwerbstätige zu ihrem Arbeitsverhalten und ihrem Wohlbefinden befragt worden sind. Die Ergebnisse zeigen den Forschenden zufolge „deutlich, dass suchthaftes Arbeiten in Deutschland im Zusammenhang mit schlechterer Gesundheit steht. Dies gilt für die subjektive Selbsteinstufung des allgemeinen Gesundheitszustandes der Befragten genauso wie für die Zahl der berichteten psychosomatischen und körperlichen Beschwerden.“ Außerdem nehmen die Betroffenen seltener medizinischen Rat in Anspruch. 

Die Forschenden ordnen rund ein Zehntel der Befragten in die Kategorie suchthaftes Arbeiten ein. Das heißt, diese Erwerbstätigen arbeiten nicht nur „exzessiv“, sondern auch „zwanghaft“ – wobei Ersteres wesentlich weiter verbreitet ist als Letzteres. Ein zwanghaftes Verhältnis zum Job attestieren van Berk, Ebner und Rohrbach-Schmidt Erwerbstätigen, die Aussagen zustimmen wie: „Es ist wichtig für mich, hart zu arbeiten, auch wenn mir das, was ich tue, keinen Spaß macht“, „Es fällt mir schwer zu entspannen, wenn ich nicht arbeite“ oder „Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich mir frei nehme“.

Im nächsten Schritt haben die Forschenden Angaben zur Gesundheit hinzugezogen. Die befragten Erwerbstätigen sollten sowohl eine allgemeine Einschätzung ihrer Gesundheit abgeben – ausgezeichnet, sehr gut, gut, weniger gut oder schlecht – als auch Angaben zu 22 konkreten Arten von gesundheitlichen Beschwerden machen. Von Kopfschmerzen über Verdauungsprobleme und Nervosität bis hin zu geschwollenen Beinen. Außerdem wurde nach Arztbesuchen und Fehltagen gefragt. 

Von den suchthaft Arbeitenden gaben 28 Prozent an, ihre allgemeine Gesundheit sei weniger gut oder schlecht. Bei den „gelassen“ Arbeitenden, der Mehrheit der Erwerbstätigen, waren es hingegen nur 14 Prozent. Erwerbstätige, die exzessiv, aber nicht zwanghaft arbeiten, schätzen ihre Gesundheit ähnlich gut ein wie gelassen Arbeitende. 

Ähnlich ist das Ergebnis bei den abgefragten Einzelbeschwerden: Nur 8 Prozent der suchthaft Arbeitenden gaben an, in den vergangenen zwölf Monaten keine Beschwerden gehabt zu haben, bei den gelassen Arbeitenden waren es 20 Prozent. Im Schnitt nannte die erste Gruppe 7,1 Beschwerden, die zweite nur 4,3. Alle Arten von Beschwerden sind bei den suchthaft Arbeitenden häufiger. Das gilt besonders für die psychosomatischen Beschwerden, etwa Schlafstörungen und Niedergeschlagenheit, aber auch für Muskel- und Skelettbeschwerden wie Rückenschmerzen. Suchthaft Arbeitende gehen wegen ihrer Beschwerden zudem seltener zu Ärztinnen oder Ärzten. Ein knappes Drittel von ihnen hat mehr als sechs unbehandelte Beschwerden. Bei den Gelassenen sind es nur halb so viele. 

Einen deutlichen Unterschied machen die Forschenden auch bei den Fehltagen aus. Mit 45 Prozent meldete sich fast die Hälfte der suchthaft Arbeitenden an keinem einzigen Tag krank. Bei den Gelassenen waren es lediglich 36 Prozent. Es werde deutlich, dass „suchthaft Arbeitende der Behandlung und Genesung ihrer Beschwerden weniger Beachtung schenken als gelassen Arbeitende“.

Es sei auf Grundlage der Befunde und des Forschungsstands zudem anzunehmen, dass suchthaft Arbeitende „besonders von einem erhöhten Risiko für Burnout und depressiven Verstimmungen betroffen“ seien, folgern die Forschenden. Das sei nicht nur aus Perspektive der Betroffenen, sondern auch für Betriebe und die Gesellschaft problematisch. So seien Arbeitskräfte schon jetzt in vielen Branchen knapp. Daher sei es dringend geboten, „Betriebskulturen zu etablieren, die exzessivem und zwanghaftem Arbeiten entgegenwirken“. Dabei spielten die Mitbestimmung und die betriebliche Gesundheitsförderung eine wichtige Rolle.
 

Beatrice van Berk, Christian Ebner und Daniela Rohrbach-Schmidt: Suchthaftes Arbeiten und Gesundheit, Study der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 482, April 2023

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