Quelle: HBS
Böckler ImpulsRenten: Andere Länder bieten Sozialausgleich
Wer in Deutschland schlecht verdient, wird nur eine geringe Rente bekommen und kann auch kaum betrieblich oder individuell fürs Alter vorsorgen. Die Niederlande und Frankreich sichern ihre Geringverdiener besser ab.
Die meisten EU-Länder haben im vergangenen Jahrzehnt ihre Alterssicherungssysteme umgebaut. Mit Blick auf die Alterung der Bevölkerung reduzierten sie staatliche Renten und förderten stärker die betriebliche und individuelle Altersvorsorge. Diether Döring von der Europäischen Akademie der Arbeit hat die Lohnersatzraten aus verpflichtenden – staatlichen wie betrieblichen – Alterssicherungssystemen in fünf Ländern verglichen. Der Professor zieht für die Bundesrepublik ein kritisches Zwischenfazit: Sie verfüge nicht mehr über eine „wirklich leistungsstarke erste Säule in der Alterssicherung“. Geringverdiener hätten beim Schutz vor Altersarmut durch die gesetzliche Rente schlechte Karten, profitieren aber auch kaum von der Riester-Rente oder betrieblichen Lösungen. Diese begünstigten vor allem Beschäftigte mit mittleren oder höheren Einkommen.
Eine gesetzliche Rente bildet in allen fünf Ländern die Basis der Alterssicherung: in Frankreich, den Niederlanden, der Schweiz, Großbritannien und Deutschland. Wo die Rente den Anspruch erhob, den Lebensstandard zu sichern, sind betriebliche oder individuelle Zusatzsicherung nicht obligatorisch – etwa in Deutschland. Hier erhielten Rentner 2008 im Schnitt aus dem Pflichtsystem 42 Prozent ihres vorherigen Arbeitsentgelts. Sonderregeln für Geringverdiener gibt es nicht mehr. Das ist in den Vergleichsländern durchweg anders, frühere Geringverdiener bekommen im Ruhestand in aller Regel einen höheren Anteil ihres ehemaligen Arbeitsentgeltes ausgezahlt. Besonders auffällig ist das in Großbritannien, wo vormalige Niedrigverdiener 53,8 Prozent des früheren Verdienstes beziehen, Gutverdiener hingegen nur 22,6 Prozent. In Großbritannien ist eine zweite Sicherungskomponente für alle Beschäftigten Pflicht, die durch staatliche, betriebliche oder Individualvorsorge erfüllt werden kann.
Länder wie Frankreich oder die Niederlande beugen dem Problem der Altersarmut deutlich besser vor als Deutschland und Großbritannien, sagt Döring. In Frankreich gibt es zwei obligatorische Ebenen, eine gesetzlich sowie eine tarifvertraglich bestimmte – beide im Umlageverfahren. Gemeinsam erzielen sie für Niedrigverdiener eine Lohnersatzrate von 55,9 Prozent. In den Niederlanden bekommen Geringverdiener aus der Pflicht-Alterssicherung sogar 93 Prozent ihres früheren Arbeitsentgeltes, höhere Verdienste beziehen noch 86,5 Prozent, also etwa doppelt so viel wie in Deutschland. Für die Niederlande sind starke Pensionsfonds charakteristisch. Sie verfügen über Anlagevermögen, die gegenwärtig fast 140 Prozent des nationalen Bruttoinlandsprodukts entsprechen.
Diether Döring: Die Staat-Privat-Arbeitsteilung in den europäischen Alterssicherungen, Vortrag auf einem Workshop der Hans-Böckler-Stiftung am 10.6.2011 in Frankfurt am Main.