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HBS Böckler Impuls

Ungleichheit: An der Partnerwahl liegt’s nicht

Ausgabe 02/2015

Ein wichtiger Grund für die wachsende Einkommensungleichheit besteht angeblich darin, dass kaum noch klassenübergreifend geheiratet wird. Empirisch ist diese Behauptung nicht haltbar.

Die Emanzipation der Frau hat nach einer verbreiteten Lesart soziale Nebenwirkungen: Der Trend zu Partnerschaften auf gleichem Einkommensniveau – Ärzte heiraten Ärztinnen statt Krankenschwestern, Rechtsanwälte Richterinnen statt Sekretärinnen – trage dazu bei, dass die Kluft zwischen reichen und armen Haushalten wächst. Allerdings: Mit empirischen Belegen können die Verfechter dieser These nicht aufwarten, so Martin Spitzenpfeil und Hans-Jürgen Andreß. Die Soziologen von der Universität Köln haben nachgerechnet, ob es tatsächlich einen entsprechenden Zusammenhang gibt. Das Ergebnis: Die Bildungsexpansion und veränderte Muster bei der Partnerwahl können für die zunehmende Ungleichheit nicht verantwortlich gemacht werden, sie haben die Einkommensverteilung allenfalls marginal beeinflusst. Anders als unterstellt hat die Entwicklung zudem den Anstieg der Ungleichheit nicht befördert, sondern leicht gedämpft.

Spitzenpfeil und Andreß haben SOEP-Daten der Jahre 1985 bis 2011 ausgewertet. Berücksichtigt wurden westdeutsche Personen, die entweder in keiner oder in einer heterosexuellen Partnerschaft leben. Den Berechnungen zufolge sind die Bildungsunterschiede zwischen den Geschlechtern in der Tat zurückgegangen: Der Anteil der geringqualifizierten Frauen hat sich seit 1985 halbiert, der Anteil der hochqualifizierten nahezu verdoppelt. Mittlerweile verfügen 19 Prozent der Frauen und 26 Prozent der Männer über einen Hochschulabschluss.

Dass weniger Frauen „nach oben“ heiraten, scheinen die Daten ebenfalls zu bestätigen: Der Anteil der „weiblich hypergamen“ Haushalte – das heißt: er weist eine höhere formale Bildung auf als sie – ist seit Mitte der Achtziger-Jahre um über 12 Prozentpunkte auf 18,8 Prozent gesunken. Der Anteil der „homogamen“ Haushalte, deren Mitglieder das gleiche Bildungsniveau aufweisen, hat dagegen nur unwesentlich zugenommen – von 42,6 auf 43,7 Prozent. Dahinter steckten zwei gegenläufige Entwicklungen, schreiben die Forscher. Zu den Haushalten mit zwei Hochschulabsolventen gehörten 1985 etwa 3 und 2011 fast 8 Prozent. Bei den Paaren ohne Berufsausbildung ist dagegen ein Rückgang von 9,7 auf 4,7 Prozent zu verzeichnen. Zugleich leben immer mehr Westdeutsche allein: Der Anteil der männlichen Singles hat sich um 5,1 Prozentpunkte, der Anteil der weiblichen Singles um 3,8 Prozentpunkte erhöht. „Anders als von der Homogamie-These dargestellt wurde die Abnahme hypergamer Haushalte also vornehmlich von einem Bedeutungsgewinn von Single-Haushalten und nicht von einem Bedeutungsgewinn homogamer Haushalte begleitet“, urteilen die Autoren.

Die Wissenschaftler haben auch die Gründe für den Wandel der Haushaltsstrukturen statistisch untersucht. Ihrer Analyse zufolge war in erster Linie das gestiegene Bildungsniveau der weiblichen Bevölkerung ausschlagegebend. Die Neigung, eine homogame Partnerschaft einzugehen, habe sich dagegen kaum verändert.

Um herauszufinden, wie sich diese Entwicklung auf die soziale Ungleichheit ausgewirkt hat, haben Spitzenpfeil und Andreß kontrafaktische Szenarien berechnet. Sie haben nacheinander die Verteilung der Haushaltstypen, das Bildungsniveau, die Single-Neigung und die Vorlieben bei der Partnerwahl auf den Werten von 1985 konstant gehalten und die daraus resultierende Einkommensverteilung mit der tatsächlichen Entwicklung verglichen. Dabei haben sich allenfalls geringfügige Differenzen ergeben. Zudem ist die Ungleichheit in den kontrafaktischen Szenarien etwas größer als in der Realität. „In diesem Sinne muss man der Bildungsexpansion und den Tendenzen der Partnerwahl eher einen egalisierenden und nicht einen verstärkenden Effekt auf die Einkommensungleichheit zuschreiben“, so die Forscher. Es sei zwar richtig, dass die wachsende Zahl von Akademiker-Paaren die sozialen Gegensätze vertieft. Dieser Effekt werde jedoch aufgehoben durch den Rückgang homogamer Haushalte mit geringer Qualifikation. Die These, die zunehmende Bildungsbeteiligung von Frauen sei die Hauptursache für den Trend zu immer ungleicheren Einkommen, müsse somit als verworfen gelten. Stattdessen sollte sich die Ursachenforschung eher auf problematische Entwicklungen am Arbeitsmarkt wie die wachsende Lohnspreizung konzentrieren, empfehlen Spitzenpfeil und Andreß.

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  • Der Anteil der männlichen Singles hat sich seit 1985 um 5,1 Prozentpunkte, der Anteil der weiblichen Singles um 3,8 Prozentpunkte erhöht. Zur Grafik

Martin Spitzenpfeil, Hans-Jürgen Andreß: Ist der Anstieg der westdeutschen Einkommensungleichheit auf die Zunahme bildungshomogener Partnerschaften zurückführbar?, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 4/2014

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