Quelle: HBS
Böckler ImpulsVerteilung: Am Ende gewinnt der Banker
Wenn die Superreichen in angelsächsischen Ländern immer reicher werden, ist das zu einem erheblichen Teil auf die Spitzengehälter in der Finanzbranche zurückzuführen. Darauf deutet eine britische Studie hin.
Dass Banken, insbesondere in Großbritannien und den USA, bisweilen horrende Boni an einzelne Mitarbeiter zahlen, ist bekannt. Dass die Finanzbranche mit dieser Vergütungspraxis maßgeblich zu einer gesellschaftlichen Schieflage beigetragen hat, zeigen Brian Bell und John Van Reenen. Die Ökonomen von der Universität Oxford und der London School of Economics haben untersucht, inwieweit die Verdienste von Bankern für die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich in Großbritannien verantwortlich sind.* Ihr Ergebnis: Die Umverteilung zugunsten des reichsten Prozents der Briten seit 1999 ist zu mindestens zwei Dritteln Beschäftigten von Banken zugutegekommen. Auch die Finanzkrise scheint daran wenig geändert zu haben.
Bell und Van Reenen haben Daten des Annual Survey of Hours and Earnings (ASHE) ausgewertet, der auf einer einprozentigen Zufallsstichprobe der abhängig Beschäftigten in Großbritannien basiert. Eine wichtige Erkenntnis: Wochenlöhne, die üblicherweise in Studien zur Einkommensverteilung Verwendung finden, verschleiern das tatsächliche Ausmaß der Ungleichheit – weil damit ausschließlich Festgehälter erfasst werden. Wenn man die wöchentlichen Verdienste zugrunde legt, hätte der Anteil des obersten Zehntels der Einkommenspyramide zwar zwischen 1975 und 2008 um 5,9 Prozentpunkte zugenommen, von 19,8 auf 25,7 Prozent der gesamten Lohnsumme. Seit der Jahrtausendwende hätte sich allerdings wenig geändert. Betrachtet man dagegen Jahreslöhne, die auch Sonderzahlungen enthalten und seit 1998 im Rahmen des ASHE erhoben werden, ergibt sich ein anderes Bild: Inklusive Boni hat das reichste Zehntel seinen Anteil zwischen 1999 und 2008 um 3,3 Prozentpunkte ausgebaut. Mehr als die Hälfte der Zugewinne, nämlich 1,8 Prozentpunkte, hat dabei das oberste Hundertstel kassiert, das 2008 auf einen Anteil von 8,9 Prozent kam.
Die Hauptnutznießer der zunehmenden Ungleichheit seien Beschäftigte in der Finanzindustrie gewesen, schreiben die Autoren. Ihren Berechnungen zufolge ist mit 1,4 von 1,8 Prozentpunkten der Löwenanteil der Zuwächse an der Spitze der Lohnhierarchie auf Banker entfallen – obwohl sie zahlenmäßig nur ein Drittel der Top-Verdiener ausmachen. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen die Forscher auch dann, wenn sie für ihre Analyse statt der ASHE-Daten Statistiken der britischen Steuerverwaltung verwenden. Demnach hätte der Anteil des reichsten Hundertstels an der Lohnsumme von 1999 bis 2008 um 2,4 Prozentpunkte zugenommen, 1,6 Prozentpunkte davon wären an die Finanzelite gegangen.
Boni haben bei dieser Entwicklung eine zentrale Rolle gespielt: Bei Normalverdienern machten solche Zahlungen einen eher geringen Teil des Gesamtgehalts aus, so Bell und Van Reenen. Die unteren 90 Prozent der Lohnverteilung kamen 2008 auf einen Anteil von 2,9 Prozent, im Finanzsektor waren es 8,6 Prozent. Die Verdienste des reichsten Hundertstels bestanden dagegen zu über einem Drittel aus Erfolgsprämien, bei den Bankern unter den Top-Verdienern belief sich der Anteil auf 44 Prozent. Der Zugewinn für die Superreichen von 2002 bis 2008 sei vollständig auf erhöhte Bonuszahlungen zurückzuführen, konstatieren die Wissenschaftler.
Die Finanzkrise hatte offenbar durchaus Konsequenzen für manche Spitzenverdiener. Der Anteil des reichsten Zehntels an der gesamten Lohnsumme ist der Studie zufolge seit 2008 leicht gesunken, um 0,5 Prozentpunkte bis 2011. Banker im obersten Hundertstel waren davon allerdings nicht betroffen: Ihr Stück vom Lohnkuchen ist im gleichen Zeitraum sogar um 0,2 Prozentpunkte gewachsen. Auch in punkto Arbeitsplatzsicherheit scheint die Finanzbranche nicht überproportional unter der Krise gelitten zu haben: Während die britische Wirtschaft insgesamt von 2008 bis 2011 einen Beschäftigungsrückgang um 1,9 Prozent zu verzeichnen hatte, ist die Zahl der Jobs bei den Londoner Banken nur um 1,4 Prozent gesunken.
Die Umverteilung zugunsten der Banker könnte laut Bell und Van Reenen mit dem verzerrten Wettbewerb in der Finanzindustrie zusammenhängen, der zu ökonomisch unangemessenen Gewinnen führe. Manches deute darauf hin, dass implizite und explizite staatliche Garantien und Subventionen für jene Banken eine Rolle spielen, die „too big to fail“ sind. Die beste Lösung wäre es, diese Form des Marktversagens zu korrigieren – etwa durch eine Begrenzung der Größe von Finanzinstituten. Unklar sei allerdings, inwieweit solche Reformen effektiv durchsetzbar sind. Als mögliche Alternative nennen die Wissenschaftler höhere Steuern auf Bankgewinne, Boni oder hohe Einkommen.
Brian Bell, John Van Reenen: Bankers and Their Bonuses, Economic Journal, Februar 2014