Quelle: HBS
Böckler ImpulsFreihandelsabkommen: Alles andere als ein Konjunkturprogramm
Das geplante Freihandelsabkommen TTIP soll das Wachstum beidseits des Atlantiks ankurbeln. Studien, die dies belegen wollen, prognostizieren allerdings nur sehr spärliche positive Effekte.
Drei Untersuchungen werden häufig herangezogen, um die vermeintlichen Vorteile von TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) zu belegen: Eine Studie des Londoner Centre for Economic Policy Research (CEPR) und zwei Arbeiten des Münchener ifo Instituts. IMK-Forscherin Sabine Stephan hat sich deren Modellrechnungen genauer angeschaut. Ihr Fazit: Selbst unter den „außerordentlich optimistischen Annahmen“ der Institute „sind die erwarteten Wachstums- und Beschäftigungseffekte winzig“. Nichtsdestotrotz stelle die EU-Kommission TTIP als Mittel gegen die vor allem in Südeuropa grassierende Arbeitslosigkeit dar.
Das CEPR hat für die EU-Kommission ausgerechnet, dass TTIP die Wirtschaftsleistung in Europa und in den USA um weniger als 0,05 Prozentpunkte pro Jahr erhöhen würde. Über Arbeitsplatzgewinne oder -verluste sagt die CEPR-Studie nichts; das Beschäftigungsniveau ist im verwendeten Modell langfristig konstant. Nach den ifo-Kalkulationen – vorgelegt Anfang 2013 einmal im Auftrag des Wirtschaftsministeriums, einmal im Auftrag der Bertelsmann Stiftung – würde TTIP das deutsche Bruttoinlandsprodukt pro Kopf preisbereinigt um rund 0,1 Prozentpunkte pro Jahr erhöhen, so IMK-Expertin Stephan. Bemerkenswert sei, dass beide ifo-Studien von identischen Wachstumseffekten berichten, aber zu vollkommen unterschiedlichen Beschäftigungseffekten kommen. Warum das so ist, werde in den Studien nicht erklärt. Für Deutschland ergeben sich aus den ifo-Simulationen einmal knapp 1.700 und einmal rund 12.000 zusätzliche Stellen pro Jahr. Selbst der höhere Wert entspricht aber nur einem zusätzlichen Jobwachstum von 0,03 Prozentpunkten.
Ein anderer wichtiger Faktor kommt laut Stephan bei CEPR und ifo fast nicht vor: Gesamtwirtschaftliche Kosten würden mit dem Argument heruntergespielt, dass es sich um vorübergehende Anpassungskosten handele. Soziale Kosten, die etwa durch wegfallende Umwelt- und Verbraucherschutzbestimmungen entstehen, würden gar nicht erst betrachtet. Nach Einschätzung der Expertin könnten diese jedoch beträchtlich sein. Für entsprechende Schäden müssten letztlich die Steuerzahler einstehen – ebenso wie für Schadensersatzzahlungen von Staaten an Unternehmen, die sich aus einem Investor-Staat-Klageverfahren ergeben könnten.
Dr. Sabine Stephan: TTIP – Das Märchen vom Wachstums- und Beschäftigungsmotor (pdf), WISO direkt, Oktober 2014