Quelle: HBS
Böckler ImpulsCorporate Governance: Aktienrückkäufe statt Investitionen
Große Unternehmen haben in den Jahren vor der Krise immer mehr eigene Aktien aufgekauft. Das ist für die Manager oft attraktiv, kann aber zulasten von Investitionen gehen.
Die Daimler AG hat 2007 gut 3,5 Milliarden Euro ausgegeben, um Aktien einer Firma zu kaufen: der Daimler AG. Auch andere im DAX notierte Aktiengesellschaften gaben in den vergangenen Jahren Milliarden für Anteile am eigenen Unternehmen aus. Damit folgen die deutschen Manager einem internationalen Trend, berichtet eine Studie des Saarbrücker Info-Institutes für die Hans-Böckler-Stiftung. Aktienrückkäufe gewinnen weltweit an Bedeutung, in den USA hat sich die Zahl der zurückgekauften Aktien von 2000 bis 2008 mehr als verdreifacht. Der Betriebswirt Markus Sendel-Müller vom Info-Institut liefert Daten über die bis zur Finanzkrise zunehmenden Aktienrückkäufe in Deutschland und beschreibt mögliche Probleme: Es gibt ein starkes persönliches Eigeninteresse der Manager an diesem Instrument. Aktienrückkäufe laufen darum oft nicht hinreichend transparent ab, und sie können auf Kosten von Investitionen gehen.
Unternehmen erwerben eigene Aktien aus mehreren Gründen. Managern zufolge ist der wichtigste, dass Anteilsscheine des eigenen Unternehmens als Zahlungsmittel bei künftigen Firmenkäufen eingesetzt werden sollen. Oder das Management nimmt Aktien vom Markt, um besser gegen aggressive Investoren und feindliche Übernahmen gewappnet zu sein. Oft möchte die Geschäftsführung dem Kapitalmarkt auch ein Signal geben, dass sie das Unternehmen an der Börse für unterbewertet hält, ergänzt Sendel-Müller. Eine Rolle spiele außerdem das Credo des Shareholder-Values: Man solle immer nur dann investieren, wenn sich der Wert des Eigenkapitals tatsächlich steigern lässt. Andernfalls zahlt man lieber das Geld aus. Vor allem aber gilt: Aktienrückkäufe sind neben Dividenden die zweite große Form der Ausschüttung. Die Zahl der Aktien im Umlauf sinkt und die Wertpapiere der verbleibenden Anteilseigner werden damit wertvoller.
Von Januar 2005 bis September 2008 erwarben 51 der 160 deutschen in DAX, M-DAX, S-DAX und Tec-DAX gelisteten Unternehmen eigene Anteile. Für den Besitz an sich selbst gaben sie insgesamt fast 50 Milliarden Euro aus. Der Wert der zurückgekauften Aktien belief sich 2008 auf rund 45 Prozent aller Ausschüttungen. Das liege vor allem an wenigen großen Rückkauf-Programmen, so Sendel-Müller. Insgesamt bleibe die Dividende in Deutschland aber "der wesentliche Weg, um Liquidität an die Aktionäre auszuzahlen". Der Betriebswirt erwartet nicht, dass der Aktienrückkauf wie in den USA wichtiger wird als die Dividenden. Nur wenige Unternehmen - einige Tec-DAX-Firmen und Puma in einem Jahr des Untersuchungszeitraums - schütteten ihre Gewinne vornehmlich via Rückkauf an die Aktionäre aus.
Ein zwiespältiges Instrument. Egal, aus welchem Grund ein Unternehmen eigene Aktien erwirbt: Es fließt Geld aus dem Unternehmen ab, das nicht investiert wird. Das bedeutet, so Sendel-Müller, "dass das Management seiner Aufgabe, der Identifizierung von renditeträchtigen Investitions-
projekten nicht erfolgreich nachgekommen ist". Aktienrückkäufe spiegelten auch die Ideenlosigkeit der Vorstände wider. Allerdings könne er keine gesicherten Aussagen treffen, in welchem Umfang Aktienrückkäufe Investitionen verhindert haben.
Auch das Eigennutz-Kalkül mancher Manager macht Aktienrückkäufe problematisch. Werden Aktien vom Markt genommen, dann verbessern sich im Regelfall gerade jene Kennzahlen, die Analysten vornehmlich für ihre Unternehmensbewertungen heranziehen: der Gewinn je Anteilsschein und die Eigenkapitalrentabilität. Gemeinsam mit der Verknappung der Aktien trägt das dazu bei, dass Rückkäufe meist eine Erhöhung des Börsenwertes nach sich ziehen. Solche Praktiken schaden den Unternehmen: "Im Extremfall können Vorstände dazu neigen, an Stelle von notwendigen Zukunftsinvestitionen lieber ein Rückkaufprogramm durchzuführen, weil dies eben ihrer individuellen Zielerreichung dienlich ist, letztlich aber zulasten der Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens geht."
Fehlende Transparenz begünstigt solche Vorgänge. Der Betriebswirt vom Info-Institut schildert, warum es dazu kommen kann: Derzeit lassen sich Vorstände einmal im Jahr von der Hauptversammlung eine Blanko-Vollmacht zum Kauf von Unternehmensanteilen ausstellen. Diese Ermächtigung werde zwar oft nicht eingelöst; wenn Manager aber die Vollmacht nutzen, dann tun sie das mit unterschiedlicher Offenheit. Manche Unternehmen wie etwa Thyssen-Krupp informieren die Anleger und Aufsichtsräte vorbildlich, so der Wissenschaftler. Andere jedoch begnügen sich mit einer knappen und versteckten Mitteilung im Internet, die sofort nach Abschluss der Käufe aus dem Netz genommen wird. Sendel-Müller regt an, die gesetzlichen Publizitätspflichten auszubauen. So sollten umfangreichere Informationen im Geschäftsbericht zur Pflicht werden, ebenso dauerhafte Angaben auf der Homepage, die ohne lange Suche gefunden werden können.
Aufsichtsräte müssen den Rückkäufen in vielen Aktiengesellschaften zustimmen. Darum sei es wichtig, dass die Kontrollgremien früher und besser informiert werden, als das heute in zahlreichen Unternehmen noch der Fall ist, erklärt Sendel-Müller. Es handele sich dabei um einen entscheidenden Bestandteil guter Corporate Governance. Denn Aktienrückkäufe können die Mehrheitsverhältnisse in der Hauptversammlung verändern und damit, wenn Schwellenwerte überschritten werden, auch die Zusammensetzung des Aufsichtsrates. In den Rückkäufen habe der Vorstand folglich ein Instrument, um die Zusammensetzung seines Kontrollgremiums mit zu gestalten.
Textbox 1:
Warum kaufen Unternehmen ihre eigenen Aktien?
Als Gründe für Aktienrückkäufe werden genannt ...
- Aktien sollen als Währung für Firmenübernahmen dienen.
- Als überschüssig angesehene Liquidität wird ausgeschüttet.
- Das Verhältnis von Gewinn je Aktie verbessert sich.
- Die Anfälligkeit für feindliche Übernahmen reduzieren.
- Kapitalstruktur verändern: Weniger Eigenkapital senkt Kapitalkosten.
- Gekaufte Aktien sollen an Mitarbeiter weitergegeben werden.
- Steuerliche Vorteile gegenüber Dividenden.
Textbox 2:
Die Rechtslage
In Deutschland waren Käufe eigener Anteile bis 1998 nur in Ausnahmefällen erlaubt, eine Folge der negativen Erfahrungen während der Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1931: Unternehmen erwarben eigenen Anteile, um den Kurs zu stützten, doch auf den Märkten bildete sich kein Vertrauen. Derzeit sind Käufe bis zu zehn Prozent des Grundkapitals möglich. Die vom Unternehmen erworbenen Anteile dürfen weder der permanenten Kurspflege noch der Spekulation dienen. Der Erwerb bedarf einer Vollmacht der Hauptversammlung sowie in der Regel der Zustimmung des Aufsichtsrates.
Sendel-Müller, Markus: Aktienrückkäufe und Effizienz der Aufsichtsratsarbeit, edition der Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf, 2009