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Nicht auf der Seite der Beschäftigten Böckler Impuls

AfD: Nicht auf der Seite der Beschäftigten

Ausgabe 18/2024

Wenn es um kollektives Arbeitsrecht geht, laufen die Positionen der AfD den Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zuwider.

Rechtspopulistische Parteien nehmen für sich gern in Anspruch, auf Seiten der „kleinen Leute“ zu stehen. Tatsächlich spielt ihre Programmatik oft eher den Reichen und Mächtigen in die Hände. Das gilt auch für die AfD: Laut einer vom HSI geförderten Studie des Sozialwissenschaftlers Michael Barthel vom Verein zur Bewahrung der Demokratie betrachtet die Partei Fragen des kollektiven Arbeitsrechts „primär unter dem Aspekt des wirtschaftlichen Erfolgs der Unternehmen“. Bei einer Regierungsbeteiligung sei mit Einschränkungen des Streikrechts, Aufweichungen der Tarif­autonomie, erschwerten Bedingungen für Gewerkschaften und Druck auf die betriebliche Mitbestimmung zu rechnen.

Ernesto Klengel, der wissenschaftliche Direktor des HSI, meint zu den Ergebnissen: „Dass die selbsternannte Partei der kleinen Leute zum Sozialstaat oder zu den individuellen Rechten von Beschäftigten wie dem Mindestlohn nicht die Interessen der Mehrheit der Beschäftigten vertritt, dazu liegen bereits Veröffentlichungen vor. Weniger bekannt sind hingegen die Positionen, die im Umfeld der Partei zum kollektiven Arbeitsrecht, einem zentralen Feld der Arbeitsbeziehungen, vertreten werden.“ Darum gehe es in der Veröffentlichung, die dafür ausschließlich die öffentlichen Verlautbarungen aus der Partei untersucht. Welche Positionen innerhalb der Partei wirklich vertreten werden, insbesondere im Parteiflügel, dem eine Nähe zu faschistischen Positionen unterstellt werden kann, sei ebenso wenig Gegenstand der Untersuchung gewesen wie die Unterstützung aus dem AfD-Umfeld für mitbestimmungsfeindliche Betriebsgruppierungen. Für Klengel zeigen die Ergebnisse der Untersuchung: „Die AfD hat an der Frage, wie eine funktionierende Interessenvertretung vernünftige Arbeitsbedingungen und ein auskömmliches und gutes Leben für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer garantiert, keinerlei Interesse.“

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Um die Positionen der AfD nachzuzeichnen, hat Studienautor Barthel programmatische Texte, Bundestagsdokumente wie Plenarprotokolle, Anträge und Gesetzesentwürfe sowie zusätzlich Reden auf Versammlungen, Pressemitteilungen und Beiträge in den sozialen Medien von AfD-Abgeordneten ausgewertet.

Die Auswertung solcher Quellen sei besonders wichtig, weil die AfD bislang keine kohärente arbeitspolitische Agenda hat, so Barthel. Das Grundsatzprogramm spare Fragen des kollektiven Arbeitsrecht komplett aus, lediglich im Wahlprogramm 2021 gebe es einige unverbindliche und allgemeine Ausführungen. Im Bundestag habe die Partei nur wenige Anträge in diesem Bereich gestellt, die Wortbeiträge erschienen „wenig durchdacht“, teilweise widersprüchlich und „thematisch wie ein Flickenteppich“. Es seien aber einzelne Abgeordnete auszumachen, die sich auch jenseits des Parlaments regelmäßig positionieren und das Gesamtbild der AfD prägen.

Als roten Faden in den Stellungsnahmen dieser Abgeordneten macht der Experte ein „nationalistisches Verständnis von Sozialpartnerschaft“ aus. Die Bedeutung von Mitbestimmung und Tarifautonomie werde zwar abstrakt anerkannt. „Wenn es konkret wird, richten sich die Forderungen der Partei aber unter dem Strich auf eine Schwächung der Machtressourcen der Beschäftigten.“

Wohlwollende Äußerungen zu Betriebsräten etwa sind der Studie zufolge fester Bestandteil der AfD-Rhetorik. Zugleich geben Vertreterinnen und Vertreter der Partei zu verstehen, dass Interessenpolitik für Beschäftigte im Einklang mit den Zielen der Unternehmensleitungen stehen müsse. Forderungen, die den reibungslosen betrieblichen Ablauf stören könnten, werden ebenso abgelehnt wie eine Ausweitung der Mitbestimmung. Angriffe auf Gewerkschaften, sogenanntes Union Busting, Mitbestimmungsvermeidung oder die Behinderung von Betriebsratswahlen werden nicht als relevante Probleme erachtet. 

Auch das von Vertreterinnen und Vertretern der AfD bisweilen gehörte Lob auf die Tarifautonomie erweise sich als irreführend, schreibt der Forscher. Denn im konkreten Fall werde die Tarifautonomie gegen Verbesserungen zugunsten von Beschäftigten in Stellung gebracht, etwa gegen eine Mindestvergütung für Azubis oder einen höheren Mindestlohn. Das Streikrecht wollten einzelne AfD-Abgeordnete einschränken. Zudem gebe es Forderungen, Betriebsräte Tarifverträge abschließen zu lassen. Nach Barthels Einschätzung würde damit die Konkurrenz zwischen Belegschaften angeheizt und die Verhandlungsposition der Beschäftigten empfindlich geschwächt. Denn Betriebsräte dürfen beispielsweise gar nicht zu Streiks aufrufen, um ihren Forderungen Gewicht zu verleihen. 

Die Koalitionsfreiheit werde ebenfalls zwar als abstraktes Prinzip gewürdigt, so Barthel. Praktisch lasse die AfD aber kein gutes Haar an den Gewerkschaften und versuche, ihren Einfluss zu schwächen. Sie werfe ihnen einerseits vor, sich nicht um die Interessen der Beschäftigten zu scheren, andererseits, dass sie mit „Klassenkampf-Rhetorik“ und überzogenen Forderungen dem Wirtschaftsstandort schadeten.

Michael Barthel: Die AfD und das kollektive Arbeitsrecht, HSI Working Paper Nr. 20, November 2024

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