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HBS Böckler Impuls

Gesundheit: Ärzte-Stress gefährdet Patienten

Ausgabe 13/2010

Ärzte im Krankenhaus stehen unter so großem Druck, dass mitunter die Versorgung der Patienten leidet.

Über 40 Prozent der chirurgisch tätigen Krankenhausärzte sagen: Die Überarbeitung der Ärzte beeinträchtigt die Qualität der Patientenversorgung. Das geht aus einer Umfrage im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung unter 1.300 Ärzten in knapp 500 Krankenhäusern hervor. Die Aussagen sind repräsentativ für alle Ärzte auf chirurgischen und gynäkologischen Stationen deutscher Krankenhäuser mit mindestens 100 Betten. Der Studie zufolge

  • sind 44 Prozent der Meinung, dass die Qualität der Patientenversorgung durch überarbeitete Ärzte beeinträchtigt wird. Zwei Drittel sagen, der Zeitdruck, unter dem sie stehen, verschlechtere die Versorgung der Kranken;
  • sehen sich 22 Prozent mit hohen Anforderungen bei gleichzeitig geringen Handlungs- und Entscheidungsspielräumen konfrontiert;
  • denkt ein Fünftel der befragten Ärzte mehrmals im Monat darüber nach, den Beruf aufzugeben. Jeder Dritte spielt mit dem Gedanken, wegen der hiesigen Arbeitsbedingungen ins Ausland zu gehen.

Der Vergleich mit Studien zur psycho-sozialen Arbeitsbelastung der gesamten Erwerbsbevölkerung oder Untersuchungen zur Situationen von Ärzten in anderen Ländern zeigt: Chirurgisch tätige Krankenhausärzte in Deutschland sind überdurchschnittlich beansprucht. Besonders hoch belastet sind Assistenzärzte.

Die Autoren der Studie ziehen den Schluss, dass eine bessere medizinische Versorgung "an eine Verbesserung der ­Arbeitsbedingungen im Krankenhaus gebunden ist". Stress­prävention, Weiterentwicklung der betrieblichen Gesundheitsförderung, bessere Arbeitsorganisation - etwa in Form verträglicherer Arbeitszeitmodelle - und eine Entlastung von Dokumentations- und Verwaltungsaufgaben könnten den Arbeitsalltag der Ärzte erleichtern. Aber es geht dabei nicht nur um die Ärzte: "Einschlägige Studien weisen darauf hin, dass Krankenschwestern und -pfleger unter ähnlichen Belastungen leiden", betont Professor Olaf von dem Knesebeck, einer der Autoren.

Die problematischen Arbeitsbedingungen seien nicht zuletzt eine Folge der "Ökonomisierung des Krankenhauswesens", sagt WSI-Forscher Thorsten Schulten, der sich intensiv mit der fortschreitenden Privatisierung deutscher Spitäler beschäftigt hat. Seit Anfang der 1990er-Jahre hat sich der Anteil von privaten Kliniken von 15 auf 27 Prozent nahezu verdoppelt. Im gleichen Zeitraum ist die Beschäftigung in Krankenhäusern um gut neun Prozent zurückgegangen - trotz gestiegener Patientenzahlen.

  • Es gibt große Probleme mit der Arbeitsorganisation in Krankenhäusern: Die Überlastung schränkt das Privatleben der Ärzte ein – und gefährdet sogar die Versorgung der Patienten. Zur Grafik

Olaf von dem Knesebeck u.a.: Psychosoziale Arbeitsbelastungen bei chirurgisch tätigen Krankenhausärzten, in: Deutsches Ärzteblatt 14/2010

Nils Böhlke u.a.: Privatisierung von Krankenhäusern, VSA-Verlag 2009

mehr Infos zum Thema:
Psychosoziale Arbeitsbelastungen und Patientenversorgung, Projekt der Forschungsförderung

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