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HBS Böckler Impuls

Arbeitsmarkt: Ältere Erwerbslose fallen aus der Statistik

Ausgabe 01/2011

Auch wenn die Menschen im Schnitt später in Rente gehen, die Probleme Älterer am Arbeitsmarkt sind nicht verschwunden: Deutlich mehr Über-60-Jährige sind ohne Job, als von der Arbeitslosenstatistik erfasst werden.

Die Arbeitslosenstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) blendet ein beachtliches Potenzial an Arbeitskräften im Alter von 60 und 65 Jahren aus. "Seit 2001 sind kontinuierlich weniger Arbeitslose ausgewiesen worden als erwerbslos waren", berichtet der neue Altersübergangs-Report des IAQ.* 2004 wurden von 253.000 Erwerbslosen jenseits der 60 lediglich 63.000 auch als arbeitslos registriert. Der Abstand hat sich im Verlauf der folgenden Jahre zwar etwas reduziert, der Anteil der Erwerbslosen an der Bevölkerung im entsprechenden Alter lag aber zwischen 2003 und 2008 stets doppelt so hoch wie der registrierte Arbeitslosenanteil.

Die Lücke zwischen Erwerbs- und Arbeitslosen kommt zustande, weil die offizielle Arbeitslosenstatistik nur jene erfasst, die den Vermittlungsbemühungen der Arbeitsagenturen zur Verfügung stehen. Die Statistik der BA berücksichtigt nicht, wer für sich keine Chance mehr am Arbeitsmarkt sieht und sich darum schon deutlich vor dem 65. Lebensjahr zurückgezogen hat. Ebenfalls unbeachtet sind alle, die einen Job suchen, aber nicht bei der Arbeitsagentur registriert sind. Vor allem die erste Gruppe ist unter Älteren deutlich größer als in anderen Altersklassen, erklären die IAQ-Experten Sarah Mümken, Martin Brussig und Matthias Knuth. Ihre Auswertung der jährlichen Mikrozensus-Befragung macht im Rückblick sichtbar: Es gibt eine nicht zu vernachlässigende Quote verdeckter Arbeitslosigkeit Älterer, die trotz einer höheren Beschäftigtenquote nicht verschwunden ist.

Die Erwerbslosigkeit der späten Jahre. Erfasste oder nicht erfasste Arbeitslosigkeit droht vor allem 58-Jährigen und Älteren. Vom Aufschwung der Jahre 2005 bis 2008 profitierten die 50- bis 57-Jährigen deutlich stärker als die älteren Jahrgänge, so der Report. Und in der folgenden Krise waren die Älteren wiederum stärker von Jobverlusten betroffen. Dass die späte Erwerbslosigkeit für den einzelnen Betroffenen ein echtes Problem darstellt, liegt auch am Auslaufen der so genannten 58er-Regelung. Die bot Arbeitslosen die Möglichkeit, ab dem 58. Geburtstag Arbeitslosengeld I oder II zu beziehen, ohne der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stehen und als arbeitslos gezählt zu werden. 2007 entschieden sich gut 70 Prozent der erwerbslosen Älteren für diesen erleichterten Bezug von Arbeitslosengeld. Seitdem aber ist der Zugang versperrt, und seitdem ist die ausgewiesene Arbeitslosigkeit der Über-57-Jährigen stark angestiegen: von 101.000 im Jahr 2007 auf mindestens 226.000 zwei Jahre später.

Mit dem Ende der 58-Regelung ist zudem ein indirekter Schutz vor einer Zwangsverrentung weggefallen, so der Report. ALG-II-Bezieher sind nun nicht mehr davor geschützt, mit 63 eine Rente beantragen zu müssen, selbst wenn sie dann Rentenabschläge von 10,8 Prozent hinnehmen müssen.

Unzureichende Arbeitsförderung. An die Stelle des erleichterten Arbeitslosengeld-Bezugs ist nichts anderes getreten, was das Problem der späten Erwerbslosigkeit mildern könnte, weder eine materielle Absicherung noch eine bessere Förderung. Die Arbeitsförderung der Arbeitsagenturen klammere ältere Personen ab 60 Jahren weiterhin aus, bemängeln die Wissenschaftler. Qualifizierungsmaßnahmen für Ältere werden selten gefördert, Selbstständigkeit nur unterdurchschnittlich. Die Förderung einer abhängigen Beschäftigung spiele bis 60 eine große Rolle, danach nicht. "Gerade bei Älteren zeigt sich die Verfehltheit eines rein betriebswirtschaftlichen Förderkalküls", resümieren die Forscher. Die Arbeitsförderung dürfe die Älteren nicht länger ignorieren.

  • Viele Menschen über 60 haben sich vom Arbeitsmarkt zurückgezogen, weil sie für sich keine Chance mehr auf einen Arbeitsplatz sehen. Die Arbeitslosen-Statistik erfasst diese unfreiwillig Erwerbslosen nicht. Die Folge: Es gibt unter Älteren eine erhebliche Zahl an verdeckten Arbeitslosen. Zur Grafik

Sarah Mümken, Martin Brussig, Matthias Knuth: Beschäftigungs­losigkeit im Alter - Die Älteren ab 60 Jahren sind besonders betroffen, Alters­übergangs-Report 1/2011, Projekt gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung

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