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HBS Böckler Impuls

Demokratie: Abstiegsängste nützen Rechten

Ausgabe 13/2017

Viele Menschen in Deutschland machen sich Sorgen um ihre Zukunft. Daraus könnten Rechtspopulisten Kapital schlagen.

Wer wählt Rechtspopulisten? Häufig sind es Menschen mit Abstiegsängsten und der Sorge vor Kontrollverlust. Eine wichtige Rolle spielen dabei Erfahrungen im Arbeitsleben. Das zeigt eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts policy matters, das Anfang 2017 knapp 5.000 Personen ab 18 Jahren zu ihren politischen Einstellungen, Wertorientierungen sowie Sichtweisen auf die Arbeitswelt befragt hat. In ihrer Analyse kommen die Meinungsforscher Richard Hilmer, Rita-Müller Hilmer und Jérémie Gagné sowie Bettina Kohlrausch von der Universität Paderborn zu folgenden Ergebnissen: 

Der Aussage „Unsere Gesellschaft treibt immer weiter auseinander“ stimmen 53 Prozent der Befragten zu. „In unserer Gesellschaft gibt es noch viel Zusammenhalt“ sagen nur 23 Prozent. 55 Prozent der Befragten sorgen sich um die Zukunft ihrer Kinder, 49 Prozent um ihre Altersversorgung. 

Rund die Hälfte hat das Gefühl, dass ihre Interessen durch Politik und Institutionen nicht in ausreichendem Maße vertreten werden. 49 Prozent der Befragten sind der Ansicht, die Politik tue für sie weniger als für andere Gruppen der Bevölkerung. 

Neben starken politisch-ideellen Faktoren wie der Ablehnung von Zuwanderung oder geringem Vertrauen in die repräsentative Demokratie und ihre Institutionen, ist Unzufriedenheit mit der eigenen Lebenslage ein wesentlicher Treiber, die derzeit stärkste rechtspopulistische Partei – die AfD – zu wählen. Dabei kommt es weniger auf die objektive soziale Lage an, sondern vor allem auf die subjektive Wahrnehmung der eigenen Lebenslage. Menschen, die AfD wählen oder es in Erwägung ziehen, befinden sich überwiegend nicht in einer finanziell prekären Situation, aber sie fühlen sich vor möglichen Krisen in der Zukunft nicht ausreichend geschützt: 67 Prozent der AfD-Wähler geben an, dass sie sich Sorgen um ihre persönliche Zukunft machen; in der Gesamtbevölkerung liegt der Anteil bei 46 Prozent.

Die Wahrnehmung von Menschen, die anfällig für Rechtspopulismus sind, ist geprägt durch das Gefühl persönlicher Zurücksetzung: AfD-Wähler ordnen sich unabhängig von ihrem realen Einkommen in der Gesellschaft niedriger ein. Sie geben überdurchschnittlich häufig an, im Vergleich zu den Eltern einen sozialen Abstieg erlebt zu haben. 

Der Großteil der AfD-Wähler ist in der unteren Mittelschicht zu finden, bei den Berufsgruppen sind Arbeiter überrepräsentiert. Allerdings sind es keinesfalls ausschließlich die „sozial Abgehängten“, die die AfD wählen. Auch Menschen mit besonders hohen Nettoeinkommen weisen – im Vergleich zur oberen Mittelschicht – eine erhöhte Wahrscheinlichkeit auf, AfD zu wählen oder es zumindest in Betracht zu ziehen. Dass Rechtspopulisten verstärkt von Arbeitslosen gewählt werden, stimmt nicht. Wer keine Arbeit hat, wählt deshalb nicht häufiger AfD. Aber: Menschen, die um ihren Arbeitsplatz bangen, und fürchten, keinen neuen Job zu finden, sind empfänglicher für rechte Parteien. 

Die Situation am Arbeitsplatz ist wichtig: Das Gefühl von Kontrollverlust und Ausgeliefertsein erhöht die Wahrscheinlichkeit, rechts zu wählen. Unter AfD-Wählern und Sympathisanten sind Aussagen wie „Durch die Digitalisierung wird die Überwachung und Kontrolle meiner Arbeitsleistung immer größer“, „Ich stecke in unsicheren Billigjobs fest“ und „Dass ich für meinen Arbeitgeber leichter erreichbar bin, bedroht mein Privatleben“ verbreiteter als in der Gesamtbevölkerung. 

Eine besonders AfD-affine Gruppe, nämlich Personen mit einem Einkommen unter 2.500 Euro und mittlerer Bildung, die der Aussage zustimmen „Was mit mir passiert, wird irgendwo draußen in der Welt entschieden“, zeigt wie unter einem Brennglas, dass die konkrete Erfahrung von Mitbestimmung und Sicherheit am Arbeitsplatz für sie einen Unterschied macht: Unterliegt das Arbeitsverhältnis dieser Beschäftigten keinem Tarifvertrag oder sind sie befristet beschäftigt, so rücken sie deutlich wahrscheinlicher in die Nähe der AfD als Personen in einem festen bzw. tarifvertraglich geregelten Arbeitsverhältnis. „Diese Befunde zeigen, dass gerade für diese spezielle Gruppe der unteren Mittelschicht Unsicherheitserfahrungen und mangelnder tarifvertraglicher Schutz treibende Faktoren für die AfD-Wahl sind“, schreiben die Wissenschaftler. Die beschriebene Gruppe umfasst rund fünf Millionen Wahlberechtigte, von denen gut ein Fünftel AfD wählen will.

Keinen Zusammenhang gibt es der Studie zufolge zwischen der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft und der Wahrscheinlichkeit, AfD zu wählen. Wer sich gewerkschaftlich engagiert, neigt allerdings signifikant seltener zum Rechtspopulismus als andere – so wie andere ehrenamtlich Engagierte auch.

  • Sorgen der AfD-wähler
    Abstiegsängste treiben Menschen zu rechten Parteien. Zur Grafik

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