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525 Euro Armutsnachteil Böckler Impuls

Geldanlage: 525 Euro Armutsnachteil

Ausgabe 02/2025

Wer nur wenig besitzt, muss mit vergleichsweise geringer Rendite und hohen Kosten für sein Vermögen rechnen. Der „Armutsnachteil“ beläuft sich im Jahr 2024 auf 525 Euro.

Vermögensarme Menschen in Deutschland sind am Finanzmarkt häufig strukturell benachteiligt. Das ist das zentrale Ergebnis einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten neuen Studie der gemeinnützigen Nichtregierungsorganisation Finanzwende Recherche. Wie groß die Benachteiligung ist, zeigt ein neu entwickelter Indikator: der Armutsnachteil. Er beziffert, wie viel Geld den rund 35 Millionen Erwachsenen, die zur unteren Vermögenshälfte in Deutschland gehören, pro Jahr im Vergleich zu Wohlhabenderen entgeht.

Im Jahr 2024 lag der Armutsnachteil der Studie nach bei 525 Euro. Gemessen am durchschnittlichen Bruttovermögen einer vermögensarmen Person ist das ein erheblicher Betrag. Der Armutsnachteil beschreibt die Summe, über die eine solche Person zusätzlich verfügen könnte, wenn sie die Konditionen der wohlhabenderen Vermögensmitte erhielte. 280 Euro dieses Armutsnachteils erklären sich dadurch, dass die Portfolios Vermögensarmer renditeschwächer sind. Hinzu kommen bei ihnen höhere Produktkosten, die noch einmal 245 Euro ausmachen.

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„Die Studie zeigt sehr deutlich, dass es angesichts der sehr großen Vermögensungleichheit in Deutschland ins Leere läuft, Menschen mit wenig Vermögen einfach auf den Finanzmarkt, Aktienfonds oder ETFs zu verweisen, und dann wird das schon mit der finanziellen Situation“, sagt Christina Schildmann, Leiterin der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung. „Denn wer kaum etwas hat – und wir reden hier über die Hälfte der Bevölkerung und mehr – kann es sich kaum leisten, potenziell gewinnträchtige, aber auch schwankungsanfällige Anlagen zu wählen. Die Untersuchung entlarvt damit den Mythos, private Anlageformen könnten voraussetzungslos und für alle gewinnbringend soziale Sicherung leisten“, so Schildmann.

Die Studie „Der Armutsnachteil” entstand in Zusammenarbeit mit Forscherinnen am Institut für Sozioökonomie der Universität Duisburg-Essen. Kern der Studie ist eine genaue Analyse der Vermögensverhältnisse erwachsener Personen in Deutschland auf Basis des sozio-oekonomischen Panels (SOEP). Dafür wurden drei Bevölkerungsgruppen gebildet: Erstens die vermögensarme Hälfte der Bevölkerung mit einem Bruttovermögen von im Schnitt 6000 Euro. Nächste Gruppe ist die wohlhabendere Vermögensmitte mit einem im Schnitt deutlich höheren Bruttovermögen von 149 000 Euro. Schließlich gibt es die oberen zehn Prozent, die im Schnitt 925 000 Euro besitzen. Superreiche finden sich an deren oberster Spitze, bewegen sich mit Vermögen im Multimillionen- und Milliardenbereich aber noch einmal in einer anderen Welt.

Betrachtet man die Anlageportfolios der drei Gruppen, zeigen sich große Unterschiede. Die mit Abstand wichtigste Anlageklasse in der vermögensarmen Hälfte ist das eigene Auto – obwohl es sich dabei nicht um ein Anlageprodukt im klassischen Sinne handelt. Schließlich verlieren Autos permanent an Wert und verursachen gleichzeitig Kosten. Hinzu kommen bei den unteren 50 Prozent der Vermögensverteilung sichere, aber renditeschwache Anlagen wie Spareinlagen oder Lebensversicherungen.

Anlageschwerpunkt der Vermögensmitte ist die eigene Immobilie, eine im Betrachtungszeitraum lukrativere Form der Geldanlage. Das macht sich in der Rendite pro Jahr bemerkbar: Die Vermögensmitte kommt hier mit ihrem Durchschnittsportfolio auf nominal 5,9 Prozent Rendite pro Jahr, bei der vermögensarmen Hälfte der Bevölkerung sind es nur 1,9 Prozent.

„Unterschiedliche Renditen und vor allem das niedrigere Startkapital von vermögensarmen Menschen sorgen dafür, dass der Graben zwischen den Vermögensgruppen immer weiter wächst”, sagt Moritz Czygan, Referent bei Finanzwende Recherche und Ko-Autor der Studie. „Die strukturellen Nachteile sind so groß, dass die oder der Einzelne sie durch individuelle Entscheidungen kaum überwinden kann.“

Ein Blick auf die vermögensarme Hälfte der Bevölkerung zeigt auch, dass bestimmte Gruppen hier besonders häufig vertreten sind – und damit öfter unter Armutsnachteilen leiden. So gehören zum Beispiel 57 Prozent der Menschen in Ostdeutschland zu dieser Gruppe, bei den Menschen mit Migrationshintergrund sind es mehr als zwei Drittel. Noch höher ist die Quote der Vermögensarmen mit 76 Prozent bei den Alleinerziehenden. „In der öffentlichen Diskussion fehlt allzu oft die Perspektive von Menschen mit wenig Geld”, sagt Britta Langenberg, Leiterin des Bereichs Verbraucherschutz bei Finanzwende Recherche. „Wenn es um Geldgeschäfte und um privaten Vermögensaufbau geht, müssen wir ihre Lebenswirklichkeit stärker berücksichtigen.“

Moritz Czygan, Britta Langenberg: Der Armutsnachteil. Wie es um die Chancengleichheit am Finanzmarkt steht, Finanzwende Recherche, Januar 2025

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