Quelle: HBS
Böckler ImpulsRente: Erwerbsunfähigkeit besser absichern
Beschäftigte, die ihre Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen vor dem üblichen Rentenalter einschränken müssen, sind oft von Armut bedroht. Die Rentenreformen der vergangenen Jahre haben die Lage dauerhaft Erwerbsgeminderter nicht grundlegend verbessert.
Die Leistungen bei Erwerbsminderungsrente sind niedrig und haben sich lange Jahre – gemessen an den normalen Altersrenten – sogar noch verschlechtert. Mit den Rentenreformen von 2014, 2017 und 2018, durch die sich vor allem die sogenannten Zurechnungszeiten verlängert haben, hat sich die Situation neuer Erwerbsminderungsrentner etwas verbessert, aber grundlegende Probleme bleiben. Armuts- und Grundsicherungsquoten werden unter Beziehern von Erwerbsminderungsrenten auch in Zukunft „sehr hoch“ ausfallen. Das schreibt Johannes Geyer, Forscher am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), in einem von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Forschungsbericht. Der Wissenschaftler hat simuliert, wie sich die Reformen langfristig auswirken werden. Die Ergebnisse zeigen, dass die Anhebung der Zurechnungszeit einen positiven Effekt auf die Einkommen der begünstigten Gruppen hat. Weil die Änderungen allerdings „nur neu zugehende Renten begünstigen, dauert es sehr lange, bis der gesamte Rentenbestand erreicht wird“, schreibt Geyer. Zwar wäre der Anteil derer, die im Jahr 2050 von Armut bedroht oder auf Grundsicherung angewiesen sein werden, ohne die Verbesserungen höher gewesen. Doch selbst nach dem aktuellen Regelungsstand wird 2050 rund ein Drittel der vorzeitig aus gesundheitlichen Gründen Verrenteten von Armut bedroht sein. Aktuell liegt die Quote den Daten zufolge bei 18 Prozent. Der niedrigere Wert dürfte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass sich in dieser Gruppe noch eine Reihe von Personen befinden, die zu den vor 2001 geltenden günstigeren Regelungen in Rente gegangen sind; betrachtet man nur die jüngeren Erwerbsminderungsrentner, liegt die Quote bereits jetzt bei gut 30 Prozent. Der Anteil derjenigen, die Anspruch auf Grundsicherungsleistung haben, aktuell etwa acht Prozent, verdoppelt sich im Prognosezeitraum bis 2050.
„Dauerhafte Erwerbsminderung bleibt trotz aller Reformmaßnahmen und verbesserten Berechnungsschritte ein erhebliches Armutsrisiko“, so Geyer. Zumal von den jüngsten Reformen nur Neurentner profitieren und die allgemeine Absenkung des Rentenniveaus auch die Erwerbsminderungsrente betrifft. Die Rentenpolitik müsse für das Risiko der Erwerbsminderung Lösungen entwickeln, die den Betroffenen eine verlässliche soziale Absicherung ermöglichen.
Johannes Geyer: Der Einfluss von Rentenreformen auf Zugänge und Zahlbeträge in Erwerbsminderungsrenten – Modellrechnungen bis 2050, DIW Politikberatung kompakt Nr. 164, März 2021