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Minijobs Prekäre Jobs Auf einen Blick

Auf einen Blick: Minijobs als Teil des Niedriglohnsektors

Minijobs als Sprungbrett in den Arbeitsmarkt? Diese Hoffnung konnte die "geringfügige Beschäftigung" nicht erfüllen. Aktuelle Studien und die Erfahrungen aus der Corona-Krise zeigen: Minijobs sind oft prekäre Beschäftigung im Niedriglohnbereich und Teil des Problems, nicht Teil der Lösung.

[ 25.06.2024]

Minijobs: prekär und ungesichert

In ihrem Koalitionsvertrag skizzierten SPD, FDP und Grüne Ende 2021 umfangreiche Reformen des Arbeitsmarkts. Neben den uneingeschränkt begrüßenswerten Aspekten wie der Anhebung des Mindestlohns auf 12,41 Euro und der Stärkung der Tarifautonomie, der Tarifpartner und der Tarifbindung sollte es auch bei den Minijobs "Verbesserungen" geben. Das ist jedoch mit Blick auf die zahlreichen Probleme und Schwächen dieser Form der geringfügigen Beschäftigung ein fragwürdiges Vorhaben.

So will die Ampel-Koalition laut Koalitionsvertrag zwar "Missbrauch" und "Teilzeitfallen" beenden. Doch wie dies gelingen soll, wenn zugleich eine Anhebung der Obergrenze von 450 Euro auf 538 Euro festgesetzt wurde, ist fraglich. Denn trotz Mindestlohnerhöhung kann nicht immer von positiven Einkommenseffekten gesprochen werden – in vielen Fällen kommt es zur Stundenreduzierung um bei steigenden Stundenlöhnen auch weiterhin unter der Verdienstgrenze zu bleiben. Nur teilweise werden Minijobs jedoch auch in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse umgewandelt.

Ein Blick in die Forschung zeigt zahlreiche negative Effekte von Minijobs als Teil des überdurchschnittlich großen Niedriglohnsektors in Deutschland. Expertinnen und Experten halten daher mittelfristig sogar eine Abschaffung dieser Beschäftigungsform für sinnvoll.

Minijobs verdrängen sozialversicherungspflichtige Stellen - vor allem in kleinen Unternehmen, hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in einer umfangreichen Studie errechnet. "Hochgerechnet dürften Minijobs in kleinen Betrieben etwa 500.000 sozialversicherungspflichtige Jobs ersetzt haben", so die Forschenden.

Mehr Minijobs, weniger reguläre Stellen: Das verursacht Ausfälle bei den Sozialversicherungsbeiträgen. Im Jahr 2014 waren das laut IAB bis zu drei Milliarden Euro.

  • Geringfügige verdrängt reguläre Beschäftigung

Wie problematisch das ist, hat sich in der Coronakrise einmal mehr gezeigt. Hunderttausende verloren ihren Minijob, vor allem in Branchen wie Gastronomie und Handel. Diese Menschen konnten nicht über Kurzarbeit abgesichert werden und hatten keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. „Geringe Stabilität und mangelnde soziale Sicherheit sind keine Schönheitsfehler, sondern integraler Bestandteil des Konzepts Minijob“, sagt Eric Seils vom WSI. „Unter den Bedingungen von Corona wird das nur besonders deutlich.“

Minijobs schützen nicht vor Armut: Mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen unterhalb der Armutsschwelle war 2018 in Teilzeit oder geringfügig im Minijob beschäftigt. Gegen Armut helfen höhere Löhne und eine Ausweitung von regulären, tariflich abgesicherten Jobs.

Minijobs sind prekäre Jobs: Hunderttausende Minijobber verloren während der Coronazeit ihre Arbeit und erhielten keine Lohnersatzleistung. Sie sind oft die ersten, die in Krisen gehen müssen.

Die Auswirkungen der Pandemie wurden dadurch verschärft, dass Minijobs insbesondere in Branchen wie Gastronomie und Handel verbreitet sind, die unter den Kontaktbeschränkungen stark litten. Ende Juni 2021 gab es bundesweit gut 436.000 geringfügig Beschäftigte weniger als vor Beginn der Pandemie zwei Jahre zuvor. 

Die Stellenstreichungen trafen vor allem Menschen, für die der Minijob die Hauptbeschäftigung war: Die Zahl der Minijobs im Hauptjob ging gegenüber Juni 2019 um rund 495 000 zurück. 

Minijobs als Hauptbeschäftigung sind in Westdeutschland mit 11,6 Prozent aller Beschäftigten verbreiteter als in Ostdeutschland mit 7,7 Prozent. Die Differenz hängt eng mit der deutlich höheren Vollzeit-Erwerbstätigkeit von Frauen im Osten zusammen.

Minijobs als Gleichstellungshindernis

In einer Untersuchung zum Stand der Gleichstellung zeigte sich, dass Minijobs überwiegend Frauensache sind: In 26 von 35 Branchen, für die Daten ausgewertet wurden, sind Frauen häufiger ausschließlich geringfügig beschäftigt als Männer. Nur in zwei Branchen ist es umgekehrt, in den übrigen Bereichen fällt die Differenz nicht ins Gewicht. Besonders groß ist sie im Bereich Bauinstallation und Ausbaugewerbe, wo 23 Prozent der Frauen und 7 Prozent der Männer betroffen sind, sowie in der Land- und Forstwirtschaft, wo es 39 gegenüber 23 Prozent sind.

Darüber hinaus zeigte eine Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung, dass ein Großteil der Minijobbenden in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Sozialarbeit (30 Prozent), Groß- und Einzelhandel (28 Prozent) und Dienstleistungen (15 Prozent) arbeitet. Die Forschenden halten fest: "Bessere Entlohnung und Arbeitsbedingungen in den personennahen, sozialen Dienstleistungsberufen und eine Überführung von Minijobs in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung fördern deshalb unmittelbar die Frauenerwerbstätigkeit. Sie helfen nicht nur die Geschlechterungleichheit zu bekämpfen, sondern auch den Fachkräftemangel."

  • Bettina Kohlrausch Minijobs
    Bettina Kohlrausch Minijobs

Minijobs werden für viele zur "Falle" und sind meist kein Wegbereiter in sozialversicherungspflichtige Vollzeitjobs: Durch ihre Besserstellung bei den Abgaben lohnt es für viele nicht, ihren Minijob zugunsten einer regulären Stelle zu ersetzen, so eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. "Für Frauen und Mütter ist der Minijob bis 450 Euro pro Monat zumeist die attraktivste Beschäftigungsform. Darüber hinaus gehende Arbeit in Teilzeit lohnt sich für sie vergleichsweise wenig. Für Alleinstehende und Alleinerziehende im Niedriglohn ist sogar nur die Aufnahme eines Kleinstjobs bis 100 Euro monatlich attraktiv", so die Forscherinnen.

Trotzdem wird in einer weiteren Untersuchung davor gewarnt, langfristig auf Minijob-Basis zu arbeiten: "Mit einem langfristigen Verbleib in scheinbar lohnenden Minijobs gehen häufig gravierende Nachteile einher, wie mangelnde Absicherung bei Jobverlust, kaum Weiterbildungs- und Aufstiegsperspektiven oder erhöhtes Altersarmutsrisiko."

Dieses Risiko gilt besonders für Frauen: 2021 waren Frauen rund 1,5 mal so häufig ausschließlich geringfügig beschäftigt wie Männer. Im Jahresdurchschnitt hatte etwa jede siebte Frau, aber nur jeder elfte Mann ausschließlich einen Minijob.

Der vom Bundesarbeitsminister berufene "Rat der Arbeitswelt" empfiehlt stattdessen die Abschaffung von Minijobs: "Die Hoffnung, dass die Minijobs eine Brückenfunktion ausüben, hat sich nicht erfüllt. Der Rat empfiehlt daher die stufenweise Abschaffung der geringfügigen Beschäftigung."

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