Quelle: HBS
Auf einen Blick: Was Mitbestimmung bewirkt
Mitbestimmung hat eine Vielzahl von positiven Effekten, nicht nur für die Beschäftigten, sondern vor allem auch für die Betriebe selbst. Das zeigt unser Forschungsüberblick.
[Aktualisiert am 24.05.2024]
Definition von Mitbestimmung
Mitbestimmung umfasst alle Möglichkeiten und Rechte der Arbeitnehmer:innen, ihre Arbeitswelt aktiv mitzugestalten. Mitbestimmung ist gelebte Demokratie am Arbeitsplatz, im Betrieb, im Unternehmen, im Konzern und in Verwaltungen. So verstanden, bewährt sich Mitbestimmung als Kernelement der sozialen Marktwirtschaft seit Jahrzehnten. Wesentliche Mitbestimmungsrechte sind im Betriebsverfassungsgesetz, in den Personalvertretungsgesetzen auf Bundes- und Länderebene sowie in den Gesetzen zur Unternehmensmitbestimmung festgeschrieben. Mitbestimmung ist ein Recht und lebt vom Mitmachen. Mehr in unserem Basiswissen Mitbestimmung.
Dass in Deutschland Beschäftigte Betriebsräte wählen und in großen Unternehmen im Aufsichtsrat mitbestimmen können, gehört zum wirtschaftlichen Erfolgsmodell der Bundesrepublik.
Mitbestimmung - ein gutes Stück Demokratie im Arbeitsleben
Demokratische Gesellschaften brauchen mündige Bürgerinnen und Bürger. Das gilt für alle Bereiche des alltäglichen Lebens und erst recht für den Bereich der Arbeit. Denn Arbeit prägt einen Großteil unserer Lebenszeit und reicht tief in das Familien- und Privatleben hinein. Damit die Bedürfnisse und Interessen der Beschäftigten in Unternehmen, Betrieben und Organisationen nicht zu kurz kommen, sind sie einerseits auf eine stabile rechtliche Grundlage und andererseits auf starke Gewerkschaften, Aufsichtsräte, Betriebs- und Personalräte angewiesen.
All das umfasst das Prinzip der Mitbestimmung, für das sich die Hans-Böckler-Stiftung auf verschiedenen Ebenen in Deutschland und Europa einsetzt. Mitbestimmung ist die gelebte Demokratie des Arbeitslebens und Voraussetzung für eine funktionierende soziale Marktwirtschaft.
Und der Einsatz für mehr Mitbestimmung ist wichtiger denn je, da in Deutschland mindestens 2,1 Millionen Beschäftigte durch legale juristische Kniffe oder rechtswidrige Ignorierung der Gesetze von der paritätischen Mitbestimmung ausgeschlossen sind. Prominente Beispiele: Die beiden in die Schlagzeilen geratenen, skandalgeschüttelten Unternehmen Tönnies und Wirecard, die Gesetzeslücken zur Mitbestimmungsvermeidung nutz(t)en. In der Fleischindustrie soll seit 2020 ein neues Gesetz names Arbeitsschutzkontrollgesetz Missstände beheben. Nach einem Jahr zeigten sich erste Erfolge. Was noch fehlt, sind umfassende Tarifverträge und starke Betriebsräte.
Denn wenn Beschäftigte mitbestimmen, steigert das das Vertrauen in die Demokratie insgesamt, so eine Studie von Uwe Jirjahn und Thi Xuan Thu Le von der Universität Trier. Das gemeinsame Engagement führe zu mehr Solidarität, und zwar unabhängig von Nationalität oder Herkunft, analysieren die Forschenden. Auch das Bewusstsein für die politische Dimension der Arbeit werde erhöht. Und: Gibt es in einem Betrieb eine Arbeitnehmervertretung, tendiert die Belegschaft weniger zu rechtsradikalen Parteien, so die Ergebnisse der Studie.
Mitbestimmung: ein wirtschaftliches Erfolgsmodell
Aktuelle Studien zeigen auch, dass mitbestimmte Unternehmen einerseits bessere Arbeitsbedingungen bieten und zusätzlich andererseits wirtschaftlich erfolgreicher sind:
Unternehmen mit Mitbestimmung im Aufsichtsrat haben in der Finanzkrise und in den Folgejahren wirtschaftlich besser abgeschnitten – Mitbestimmung zahlt sich aus.
Wenn Unternehmen paritätisch mitbestimmt sind, investieren sie stärker. Mehr Mitbestimmung könnte dazu beitragen, die Investitionsflaute in der Privatwirtschaft zu beenden. Diese Unternehmen investieren auch mehr in die Zukunft als Firmen mit schwacher oder ganz ohne Arbeitnehmermitsprache im Aufsichtsrat.
Unternehmen mit starker Mitbestimmung nutzen deutlich seltener legale Spielräume in Bilanzierungsregeln, um beispielsweise ihre Gewinnsituation kurzfristig positiver darzustellen, als das vergleichbare Firmen mit schwacher oder ohne Mitbestimmung tun. Auch aggressive Steuervermeidung betreiben mitbestimmte Unternehmen signifikant seltener.
Mitbestimmung im Aufsichtsrat erhöht zusätzlich die Chance, dass sich Unternehmen glaubhaft zur Einhaltung sozialer oder ökologischer Ziele verpflichten.
Firmen mit einer starken Unternehmensmitbestimmung tun auch deutlich mehr, um Emissionen zu reduzieren und Ressourcen zu schonen. Sie setzen häufiger umweltfreundliche Innovationen um und kontrollieren die Einhaltung von Menschenrechten in ihrer Lieferkette besser. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie von Robert Scholz vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), die das I. M. U. gefördert hat.
Die empirische Forschung liefere immer häufiger Belege dafür, dass die Mitbestimmung der Arbeitnehmerseite Vorteile bringt, bestätigte auch Simon Jäger, der aktuell CEO des Instituts zur Zukunft der Arbeit in Bonn ist und zuvor lange in den USA geforscht hat, auf der Böckler Konferenz für Aufsichtsräte 2023. Laut einer Untersuchung investieren Firmen mehr, wenn Beschäftigte im Aufsichtsrat mitreden: „Die These vom Klotz am Bein stimmt nicht“. Selbst in den notorisch marktliberalen USA blicke man auf das deutsche Modell: „Workers on Corporate Boards. Germany´s had them for years“ titelte die New York Times neulich.
Eine zuverlässige Infrastruktur ist die Basis für eine stabile und nachhaltige Wirtschaft mit sicheren und mitbestimmten Arbeitsplätzen. Darunter verstehen wir nicht nur alle Anlagen, Institutionen, Strukturen, Systeme und nicht-materiellen Gegebenheiten, die der Daseinsvorsorge, sondern auch der Wirtschaftsstruktur eines Staates dienen. Der digitale Ausbau, nachhaltige und resiliente Lieferketten, eine zuverlässige Energieversorgung und ein stabiles Finanzsystem sind wesentliche Eckpfeiler unserer Infrastruktur. Deren wirksame Ausgestaltung ist die zentrale Aufgabe in aktuellen Krisenzeiten und Voraussetzung für einen gerechten Wandel.
Für uns ist ebenso klar: Die Beschäftigten in den Unternehmen haben diese Herausforderungen zu meistern, also müssen sie bei der Bewältigung demokratisch mitbestimmen können. Nur so gelingt die sozial-ökologische Transformation. Mitbestimmung ist somit integraler Bestandteil der Transformationsinfrastruktur. Gemeinsam haben wir diskutiert, wie Infrastruktur weiterentwickelt werden muss, um die Grundlage für das Gelingen der sozial-ökologischen Transformation zu schaffen. Wie trägt der Standortvorteil Mitbestimmung dazu bei? Warum sind wir der festen Überzeugung, dass die Mitbestimmung im Sinne einer nachhaltigen Infrastruktur gestärkt werden muss?
Das alles haben wir unter anderem mit Yasmin Fahimi, Vorsitzende des DGB und Vorstandsvorsitzende der Hans-Böckler-Stiftung, Christine Behle, stellvertretende Vorsitzende der ver.di, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck und vielen weiteren spannenden Gästen auch auf unserer Böckler Konferenz für Aufsichtsräte 2023 beleuchtet.
Unternehmen, bei denen die Mitbestimmung durch Arbeitnehmer stärker verankert ist, verfolgen häufiger eine meist innovations- und forschungsorientierte Differenzierungsstrategie als Firmen mit schwacher oder ohne Mitbestimmung. Zudem schneiden stärker mitbestimmte Unternehmen über alle strategischen Ausrichtungen hinweg bei wichtigen wirtschaftlichen Kennziffern meist überdurchschnittlich ab.
Betriebsratsarbeit
Betriebliche Mitbestimmung sorgt dafür, dass Beschäftigte in einem Betrieb unter besseren Bedingungen arbeiten. Ein Betriebsrat oder eine Betriebsrätin vertreten ihre Interessen gegenüber dem Arbeitgeber.
Gute Mitbestimmung ganz konkret: Beim Deutschen Betriebsrätetag wird jedes Jahr der deutsche Betriebsrätepreis verliehen. Eine kleine Auswahl stellen wir Ihnen im Magazin Mitbestimmung vor. Die Beiträge (und mehr) finden Sie auf unserer Übersichtsseite zum Betriebsrätetag .
Von der Prävention sexueller Belästigung über Datenschutz am Arbeitsplatz, die Einführung neuer digitaler Arbeitsmittel, eine wertschätzende Unternehmenskultur bis zum Arbeits- und Gesundheitsschutz - Betriebsvereinbarungen zwischen Betriebs- oder Personalräten und dem Management sind wichtig, um Arbeitsbeziehungen verbindlich zu verbessern und transparent zu regeln. Viele Informationen zu aktuellen Auswertungen von Betriebsvereinbarungen sowie Beispiele aus der Praxis finden Sie in unserem digitalen Archiv.
Eine langfristige Herausforderung ist es, qualifizierten Nachwuchs für die Betriebsratsarbeit zu gewinnen. Dazu hat das Magazin Mitbestimmung über eine Reihe von Best-Practice-Beispielen berichtet, etwa bei Evonik und der Deutschen Post (pdf, ab Seite 10).
Welche Maßnahmen ergreifen Betriebsräte, um den Generationenwechsel gut zu bewältigen? Mit dieser Frage im Zentrum haben Julia Massolle und Claudia Niewerth vom Helex-Institut im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung Projekte durchleuchtet, die für den Deutschen Betriebsrätepreis eingereicht wurden. Wie Wissenstransfer und Nachfolgeplanung organisiert werden, erfahren Sie in der Mitbestimmungspraxis Nr. 8 Dezember 2017 (pdf) und im Magazin Mitbestimmung.
Bei den vergangenen Betriebsratswahlen gab es eine hohe Beteiligung und einen stabilen Frauenanteil – das ergibt eine erste Auswertung der jüngsten Wahlergebnisse.
Von verlässlicher Urlaubsplanung über höhere Produktivität bis hin zu geringerer Ungleichheit: Was bringt Mitbestimmung für Beschäftigte, Unternehmen und Gesellschaft? Wo wird Mitbestimmung behindert? Wie lassen sich Blockaden auflösen? Unsere Infomappe (pdf) mit aktuellen Ergebnissen aus der Forschung gibt einen Überblick.
Vorteile und Herausforderungen der Mitbestimmung
"Die Mitbestimmung werden wir weiterentwickeln", haben SPD, Grüne und FDP in ihrem Sondierungspapier im Oktober 2021 angekündigt und dann auch Entsprechendes im Koalitionsvertrag niedergeschrieben. Wenn die angedachten Reformen folgen, ist dies eine sehr gute Nachricht, die Mitbestimmung wird so in Betrieb und Unternehmen wirksam gesichert und gestärkt.
Erste und sehr wichtige Schritte wurden von Arbeitsminister Hubertus Heil in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen Mitte Januar 2022 auch angekündigt. Es soll dafür gesorgt werden, "dass diejenigen, die die Gründung von Betriebsräten behindern, es demnächst mit dem Staatsanwalt zu tun bekommen. Da werden wir die Rechtsdurchsetzung anschärfen. In der Realität findet eine strafrechtliche Verfolgung kaum statt. Viele trauen sich aus Angst um den Job nicht, die Behinderung einer Betriebsratsgründung zur Anzeige zu bringen. Künftig wird es deshalb schon ausreichen, dass eine Strafverfolgungsbehörde Kenntnis von einem solchen Vorgang hat. Sie muss dann Ermittlungen aufnehmen. Das Gesetz werden wir entsprechend ändern."
Wieso dies, nämlich das konsequente Vorgehen gegen das sogenannte "Union Busting", so wichtig ist, erklärt Johanna Wenckebach, die Wissenschaftliche Direktorin des Hugo Sinzheimer Instituts, unter anderem in einem aktuellen Beitrag im Debattenmagazin Gegenblende, der anlässlich des fünfzigjährigen Jubiläums des Inkrafttretens der Reform der Betriebsverfassung erschienen ist. Die Reform war ein Meilenstein der Weiterentwicklung betrieblicher Mitbestimmung.
"Sich zu erinnern, ist in verschiedener Hinsicht auch gewinnbringend für ganz aktuelle Rechtspolitik. Denn wer sich, wie die Ampelkoalition, Fortschritt auf die Fahnen schreibt, muss auch die Frage beantworten: Fortschritt für wen? [...] Zum 50. Geburtstag einer großen rechtspolitischen Reform wünsche ich mir eine mutige Regierung, die sich trotz Widerständen (erneut) traut, hier in betriebliche Machtverhältnisse einzugreifen und umzuverteilen."
"Mitbestimmung als Demokratie im Betrieb ist in Zeiten massiver Umbrüche und Unsicherheit unerlässlich. Globalisierung, Digitalisierung und der ökologische Umbau der Wirtschaft stellen die Betriebe vor riesige Herausforderungen. Ohne Mitbestimmung kommen die Interessen und Rechte der Beschäftigten unter die Räder. Mitbestimmungsrechte zu stärken und an die Herausforderungen der Zeit anzupassen, ist Voraussetzung für einen fairen Wandel und somit eine wichtige Aufgabe des Gesetzgebers", so Johanna Wenckebach.
In ihrem Koalitionsvertrag hat die „Ampel“ auch vereinbart, gegen die Mitbestimmungsvermeidung bei der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) vorzugehen. Besonders oft geht die Rechtsform SE bei Familienunternehmen zulasten von Arbeitnehmerrechten. Ein Gutachten zeigt, was die Politik durch nationale Gesetzgebung konkret dagegen tun kann. Die Untersuchung von Prof. Dr. Rüdiger Krause von der Universität Göttingen verdeutlicht auch, dass die neuere europäische Rechtsentwicklung eine Reform erleichtert. Eine solche Reform könnte auch für bereits bestehende SEs ohne Mitbestimmung greifen, so die Expertise des Rechtswissenschaftlers.
Ein zentrales Ergebnis: Bessere Regelungen durch den deutschen Gesetzgeber sind möglich und nötig, ein weiteres Warten auf ungewisse Abhilfe aus Europa ist keine Alternative. Der deutsche Gesetzgeber hat demnach unter anderem die Möglichkeit, SE-Gründungen als missbräuchlich zu qualifizieren, wenn innerhalb von vier Jahren nach der Gründung ein für die Mitbestimmung relevanter Schwellenwert überschritten wird.
Auch bei digitalen Innovationen gibt es eine Kluft zwischen den Erwartungen und den Erfahrungen von Beschäftigten. Darunter leiden die Arbeitszufriedenheit und das Wohlbefinden. Das geht aus einer Studie hervor, die ein Team des Soziologischen Forschungsinstituts (SOFI) Göttingen um dessen Direktor Martin Kuhlmann veröffentlicht hat. Als Hauptgrund für das Problem machen die Forschenden fehlende Mitgestaltungsmöglichkeiten derjenigen aus, die mit der neuen Technik arbeiten müssen. Besser läuft es, wenn Beschäftigte von Anfang an mitreden können.
Der Rat der Arbeitswelt – ein 2020 von Arbeitsminister Hubertus Heil berufenes Gremium mit Mitgliedern aus Wissenschaft, Verbänden, Management und Betriebsräten – hat sich in seinem diesjährigen Bericht damit beschäftigt, wie sich Digitalisierung und Dekarbonisierung der Wirtschaft auf die Arbeitswelt auswirken. Ein zentrales Ergebnis: Die betriebliche Mitbestimmung ist in diesem Zusammenhang eine wichtige Ressource. Die im Koalitionsvertrag angekündigte Stärkung dieser Institution sei daher zu begrüßen.
Ein modernes Betriebsverfassungsgesetz ist deshalb überfällig. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften haben einen Gesetzentwurf für eine zeitgemäße Betriebsverfassung ausgearbeitet, die es Beschäftigten und ihren Interessenvertretungen erlaubt, die strategische Ausrichtung der Unternehmen in Zeiten der digitalen Transformation und des ökologischen Umbaus mitzugestalten. Was enthält der DGB-Gesetzentwurf?
70 Jahre Betriebsverfassungsgesetz
Das Betriebsverfassungsgesetz wurde im Herbst 2022 70 Jahre alt. Aus diesem Grund haben wir den runden Geburtstag zum Anlass genommen, grundlegender über die Demokratisierung der Arbeitswelt nachzudenken.
Das Gesetz von 1952 legte die Grundlage für die betriebliche Mitbestimmung und ist damit auch aus gewerkschaftsgeschichtlicher Perspektive ein wichtiger Meilenstein für das demokratische Nachkriegsdeutschland.
Das Gesetz steckt den Rahmen ab, in dem sich die Beschäftigten und ihre Interessenvertretungen an der Gestaltung ihrer eigenen betrieblichen Arbeitswelt wirksam beteiligen können. Das stärkt die Demokratie in den Betrieben, aber auch in der Gesellschaft insgesamt.
Im Rahmen eines Festaktes zum 70. Geburtstag des Betriebsverfassungsgesetzes haben wir deshalb auf seine zentralen Errungenschaften zurückgeblickt.
70-jähriges Jubiläum der Montanmitbestimmung
2021 war das Jahr, in dem die Montanmitbestimmung ihr 70-jähriges Jubiläum feiert. In diesem Zusammenhang finden unterschiedliche Tagungen, Veranstaltungen und Aktionen statt:
- Kurz vor dem 1. Mai zeigte eine Online-Tagung des Hoesch-Museums und der Stiftung Geschichte des Ruhrgebiets zum Jahrestag der Montanmitbestimmung: Echte Parität in Aufsichtsräten taugt als Vorbild für die Zukunft.
- Am 7. Juni ging es bei einer Veranstaltung der Hans-Böckler-Stiftung und des DGB darum, wie die Mitbestimmung gestärkt werden kann und inwiefern die Montanmitbestimmung dabei als Vorbild taugt?
- Gebündelt werden alle Aktivitäten auf der Website "Mitbestimmung sichert Zukunft".
Tag der Arbeit
Unser Themendienst Böckler Impuls hat in einer Schwerpunktausgabe zum Tag der Arbeit die wichtigsten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Lage und dem gesellschaftlichen Nutzen der Mitbestimmung zusammengetragen. Die Beiträge zeigen außerdem, wo politischer Handlungsbedarf zum Schutz und zur Stärkung der betrieblichen Mitbestimmung besteht.
Mitbestimmung in Europa
Basiswissen
Unterschiedliche nationale Gesetzgebungen in der EU machen es Unternehmen möglich, Unternehmensmitbestimmung und soziale Rechte von Beschäftigten zu umgehen. Was aber ist eigentlich genau eine europäische Aktiengesellschaft (SE)? Welche Rolle spielt Mitbestimmung in der SE? Was ist ein Europäischer Betriebsrat?
Um Belegschaftsinteressen wirksam zu vertreten, sind Arbeitnehmervertreter*innen und ihre Gewerkschaften heute mehr denn je darauf angewiesen, grenzüberschreitend zusammenzuarbeiten. Doch wie funktionieren eigentlich Gewerkschaften, Betriebsräte, Tarifverhandlungen & Co in den europäischen Nachbarländern?
In 18 von 27 EU-Mitgliedsstaaten gibt es nationale Regelungen, die Beschäftigte zur Mitsprache in den Leitungsgremien von Unternehmen berechtigen. Um diese Mitbestimmungskultur zu bewahren, ist es laut einer Analyse des I.M.U. nötig, sowohl europäische Mindeststandards durchzusetzen als auch Lücken im nationalen Recht zu schließen.
Die Stärke der politischen Demokratie und die Mitbestimmung in der Wirtschaft hängen zusammen. Wo Arbeitnehmer in Unternehmen handfeste Mitspracherechte haben, ist meist auch die Demokratie stärker. Das liegt nach einer Analyse des Mitbestimmungsforschers Sigurt Vitols vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) daran, dass Gewerkschafter und Arbeitnehmervertreter auch über die betriebliche Ebene hinaus politisch wirken und damit die Zivilgesellschaft stärken.
Hintergrund: Wie steht es insgesamt um Arbeitnehmerrechte in Europa? Die Europäische Union richtet erst langsam ihren Blick auf die Rechte der Beschäftigten. Eine Bestandausaufnahme in unserem Atlas der Arbeit (pdf) ab Seite 40. (2018)
Gewerkschaften und grenzüberschreitende Zusammenarbeit
Je internationaler ein Unternehmen aufgestellt ist, desto schwieriger ist es oft für Gewerkschaften, bessere Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten durchzusetzen. Globale Rahmenabkommen können hier helfen. Allerdings kommt es sehr auf die Ausgestaltung an.
Mit der zunehmenden Internationalisierung von Unternehmen und Produktionsprozessen gewinnt die Frage nach der Entstehung und Funktionsweise grenzüberschreitender Interessenvertretungen an Bedeutung. Anhand von Fallstudien untersucht diese Studie, wie SE-Betriebsräte und mitbestimmte Aufsichtsräte in Europäischen Aktiengesellschaften miteinander verbunden sind. Es zeigt sich, dass Ressourcen aus beiden Handlungsfeldern auf unterschiedliche Weise kombiniert und für die Interessenvertretungsarbeit nutzbar gemacht werden.
Wie gut Mitbestimmung auf Europäischer Ebene funktionieren kann, zeigen europäische Betriebsräte. Mitte der 1990er Jahre wurden diese dank einer EU-Richtlinie Realität – nachdem viele Jahre zuvor die länderübergreifende Zusammenarbeit schon intensiviert worden war. Zwei Beispiele, bei denen der Mehrwert dieser Kooperation schnell klar wird, sind BASF und Bosch. (2019)
Wie kann die grenzüberschreitende Arbeitnehmerbeteiligung in Europa gestärkt werden, ohne dass dafür nationales Recht geopfert werden muss? Das Projekt „Workers’ Voice“ hat eine Lösung gefunden. Der Grundgedanke: Funktionen sind wichtiger als die Form. (2019)
Europawahl 2024
Europa wählt! Vom 6. bis zum 9. Juni sind alle EU-Bürger*innen aufgefordert, ihre Stimme zur Europawahl abzugeben. Welche Themen und Forderungen aus gewerkschaftlicher Perspektive wichtig sind, haben wir auf dieser Überblicksseite zusammengestellt.
Was der DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften fordern zur Europawahl 2024
1. Durch die aktive Gestaltung der Transformation Gute Arbeit und nachhaltigen Wohlstand sichern
2. Durch nachhaltige Wertschöpfungsketten eine resiliente Produktion gewährleisten
3. Durch eine nachhaltige Wirtschaftspolitik qualitatives Wachstum sichern
4. Durch eine solide regionale Strukturpolitik notwendige Zukunftsinvestitionen ermöglichen
5. Durch robuste Sozialsysteme, hohe Tarifbindung und gute Arbeitsbedingungen Beschäftigte absichern
6. Durch angemessene Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten Fachkräfte gewinnen
7. Durch faire Arbeitsbedingungen grenzüberschreitende Beschäftigte schützen
8. Durch starke Mitbestimmungsrechte Beschäftigte europaweit einbinden
9. Durch ein soziales europäisches Regelwerk die Rechte von Beschäftigten stärken
Keine Lust auf ellenlange Texte? Wir haben die Programme der wichtigsten Parteien, die ins Europaparlament wollen, durchgesehen.
Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen
Der EuGH machte deutlich, dass die prägenden Elemente der nationalen Mitbestimmung auch bei einer Umwandlung in eine SE erhalten bleiben müssen und die Sitze für Gewerkschaften in einem mitbestimmten Aufsichtsrat in Deutschland als solche prägend sind.
Die Umgehung von Mitbestimmung in großen Unternehmen nimmt zu. Mindestens rund 400 Unternehmen mit mehr als 2000 Beschäftigten im Inland umgehen die paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat. Das ist mehr als jedes dritte Unternehmen und betrifft aktuell deutlich mehr als zwei Millionen Beschäftigte. Im Bereich der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) ist das Problem aufgrund des „Einfriereffekts“ besonders gravierend.
In ihrem Koalitionsvertrag hat die „Ampel“ vereinbart, gegen die Mitbestimmungsvermeidung bei der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) vorzugehen. Ein neues Gutachten zeigt, was die Politik durch nationale Gesetzgebung konkret dagegen tun kann.
Die Beteiligung von Gewerkschaften im Aufsichtsrat darf bei einer Umwandlung in eine SE nicht geschwächt werden. Das hat der Europäische Gerichtshof klargestellt. Auch jenseits der aktuellen gerichtlichen Auseinandersetzung ist der Bedarf groß, Lücken in den Regelungen zur SE und im deutschen Mitbestimmungsrecht zu schließen.
In der Mehrheit der EU-Länder haben Beschäftigte ein Recht darauf, in den Leitungsgremien von Unternehmen mitzubestimmen. Allerdings unterscheiden sich die Regeln je nach Staat deutlich. Dass grenzüberschreitend aktive Unternehmen die Lücken zwischen den verschiedenen Mitbestimmungs-Niveaus ausnutzen, wird durch den europäischen Rechtsrahmen nicht verhindert.
In internationalen Konzernen ist es notwendig, die Interessenvertretung der Beschäftigten über Ländergrenzen hinweg zu organisieren. Dabei stoßen Europäische Betriebsräte (EBR) jedoch auf zahlreiche Hindernisse. Trotz der gesetzlichen Rahmenbedingungen sind echte Mitbestimmungsrechte auf europäischer Ebene noch nicht etabliert. Das EU-Parlament fordert eine Revision der Richtlinie für Europäische Betriebsräte. Ob sie kommt, könnte auch vom Ausgang der Wahlen zur Volksvertretung im Juni abhängen.
Europäische Betriebsräte und SE-Betriebsräte könnten dank EU-Vorhaben bessere Mitgestaltungsmöglichkeiten erhalten. Damit europäisches Recht und betriebliche Arbeit zueinander passen, müssen sich Praxis und Politik auch begegnen. Für diesen Austausch hatte die Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit der IG Bergbau Chemie Energie (IGBCE) zur Konferenz „Besser geht’s mit.bestimmt“ in Brüssel eingeladen.
Der Schutz der Mitbestimmung in transnationalen Konzernen verbessert sich mit dem Inkrafttreten neuer Gesetze, bleibt aber unzureichend. Einer EU-Richtlinie folgend hat die Bundesregierung neue Bestimmungen zu grenzüberschreitenden Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen von Unternehmen beschlossen. Die Gesetze zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG und MgFSG) regeln, was in solchen Fällen mit der Mitbestimmung auf Unternehmensebene geschieht. I.M.U.-Experte Sebastian Sick bewertet die neue Rechtslage.
Ob Europäische Betriebsräte sich effektiv für Belegschaften einsetzen können, hängt stark vom Wohlwollen des Managements ab. Mehr substanzielle Rechte und Sanktionen könnten helfen.
Die Bundesregierung hatte angekündigt, Gesetzeslücken und Schlupflöcher für Arbeitgeber zu schließen, über die Mitbestimmungsrechte ausgehebelt werden können. Ein aktueller Gesetzentwurf zur grenzüberschreitenden Umwandlung von Unternehmen in eine andere Rechtsform wird diesem Anspruch aber nicht gerecht, erläutern die I.M.U.-Experten Daniel Hay und Sebastian Sick.
Die geplante europäische Richtlinie sieht eine Erweiterung des Anwendungsbereichs vor und legt verbindliche Standards fest, die europaweit für Unternehmen gelten sollen. Dies schafft einen erhöhten Druck und bildet eine einheitliche Grundlage, auf der Unternehmen dazu verpflichtet werden, ihre Lieferketten verantwortungsbewusst zu gestalten. Die potenziell verstärkte Einbindung von Mitbestimmungsakteurinnen auf europäischer Ebene, könnte die Beteiligung der Arbeitnehmervertreterinnen in den Entscheidungsprozessen weiter stärken.
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) unterstützt die Einführung einer EU-Richtlinie zur Nachhaltigen Unternehmensführung und Due Diligence. Mit einer Unterschriftenkampagne fordern die Gewerkschaften mehr Verbindlichkeit.
Das EU-Parlament hat einen Maßnahmenkatalog verabschiedet, der die Demokratie am Arbeitsplatz stärken soll. Worum es dabei geht, erläutert Mitbestimmungsexperte Norbert Kluge.
Sozial-Ökologische Transformation in Europa
Unsere Arbeitswelt ist im Wandel. Die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung, die sozial-ökologische Transformation und nicht zuletzt die Corona-Pandemie und ihre Folgen stellen Unternehmen und allen voran die Beschäftigten vor enorme Herausforderungen. Im Sinne einer doppelten Transformation fordern diese Veränderungen auch die Gestaltung der Mitbestimmung permanent heraus.
Die Wirtschaft in der EU soll klimaneutral und nachhaltig werden. Doch die von der EU-Kommission vorgelegten Regeln für nachhaltige Investitionen stoßen auf Kritik. Die Entscheidung darüber, welche Bereiche und Technologien als zukunftsträchtig gelten, erscheint an manchen Stellen fragwürdig. Neben ökologischen müssten konkrete soziale Nachhaltigkeitsziele festgelegt werden, erklärt Maxi Leuchters, Europaexpertin des I. M. U. Dabei müssten die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern berücksichtigt werden.
Die EU will mit ihrem Green Deal den Klimaschutz vorantreiben. Der Politikwissenschaftler Ulrich Hilpert erklärt, warum bei der Umsetzung soziale Aspekte und regionale Besonderheiten berücksichtigt werden sollten.
Die EU entwickelt den Rechtsrahmen für eine nachhaltige Wirtschaft. Mitbestimmung und Soziale Verantwortung von Unternehmen kommen immer noch zu kurz. Die Chancen für ein soziales Europa stehen so gut wie lange nicht mehr. Nur ein gerechter Übergang wird Klimaneutralität zum Erfolg für alle Europäer machen.
Nur ein einiges, soziales Europa kann die Probleme der Gegenwart bewältigen. Die Verwerfungen durch die Pandemie zu begrenzen und sicherzustellen, dass der Wiederaufbau zu einer EU mit stärkerer sozialer Dimension führt, sei aktuell die zentrale Herausforderung. Die deutsche Ratspräsidentschaft, die im Juli 2020 beginnt, müsse dazu beitragen, angemessene Antworten zu formulieren. Sie könne eine entscheidende Wegmarke für die Zukunft der EU sein, insbesondere was die Weiterentwicklung der sozialen Dimension angeht.
Herausforderungen durch die Corona-Krise
Mitbestimmte Unternehmen konnten oft besser auf die Herausforderungen der Corona-Krise reagieren: In Betrieben mit Betriebsrat gab es laut unserer repräsentativen Erwerbstätigenbefragung etwa im Juni 2020 fast doppelt so häufig eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes wie in anderen Betrieben. Auch profitierten deren Angestellte öfter von den Möglichkeiten der mobilen Arbeit: Klare Regeln zum Homeoffice hatten demnach 62 Prozent der Betriebe mit Betriebsrat, aber nur 37 Prozent der Betriebe ohne Arbeitnehmervertretung.
In vielen Betrieben haben Vertretungen der Beschäftigten mit dem Management Maßnahmen ausgehandelt, um in der Corona-Krise Jobs zu erhalten. Oft im Rahmen von Tarifverträgen.
Mitbestimmung für die Schule
In der Schülervertretung können Schüler:innen über die Gestaltung des Schullebens mitbestimmen. Sie vertreten dabei die Interessen ihrer Mitschüler:innen. Was aber heißt Mitbestimmung in der Arbeitswelt? Welche Möglichkeiten haben Beschäftigte, ihre Interessen gegenüber dem Arbeitgeber zu vertreten? Wie können Auszubildende mitreden?
Böckler Schule bietet aktuelle Materialien für den sozioökonomischen Unterricht in Sekundarstufe I und II: didaktisch aufbereitete Unterrichtseinheiten, Themenhefte zu ausgewählten aktuellen Themen, anschauliche Grafiken und Artikel zu neuesten Forschungsergebnissen.