Quelle: Karsten Schöne
StipendienAltstipendiatin: Die Forschungsmanagerin
Ranjana Sarkar managt Forschungsprojekte am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Ihr Interesse für Technik hat sie von ihrem indischen Vater.
Von Marike Schnarr
Die Website des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bonn-Oberkassel präsentiert sich genau so, wie man es erwartet: Videoanimationen von Flügen über die Marsoberfläche, Bilder eines futuristischen Flugzeuges, das mit Solarzellen betrieben wird, und Veranstaltungshinweise zu Raumfahrtkongressen. Erst, wenn man sich näher mit dem DLR befasst, versteht man, warum hier jede Menge Leute arbeiten, die unmittelbar gar nichts mit Luft- oder Raumfahrt zu tun haben.
Denn als Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Forschungsorganisation in Deutschland, ist das DLR viel breiter aufgestellt. Die Einrichtung, die in den letzten Jahren stark gewachsen ist, befasst sich auch mit Fragen der Sicherheit vor Naturkatastrophen, der Energie- oder Fahrzeugtechnik und übernimmt wichtige Querschnittsaufgaben im deutschen Wissenschaftsbetrieb. So kommt es, dass hier mit Ranjana Sarkar, 51, auch eine promovierte Politologin arbeitet, die versichert, mit Raumfahrt nicht das Geringste zu tun zu haben. Jedenfalls derzeit. „Aber ausgeschlossen ist auch das nicht.“
Sarkars Aufgabe ist das Wissens- und Forschungsmanagement. Sie arbeitet seit 2001 hier. Damals hatte das DLR in Bonn nur rund 250 Mitarbeiter, heute sind es schon 900. In der Nationalen Kontaktstelle für Sozial-, Wirtschafts- und Geisteswissenschaften, einer Einrichtung des Bundesforschungsministeriums, berät Sarkar auf der einen Seite das Ministerium und die EU-Kommission bei der Entwicklung und Ausschreibung von Förderprogrammen. Auf der anderen Seite ist sie auch Ansprechpartnerin für Forschungsinstitute, Universitäten und Unternehmen, die sich für solche Förderprogramme bewerben wollen. Unterstützt wird die Forschung zu europäischen Themen wie der Finanzkrise, Jugendarbeitslosigkeit oder zum kulturellen Erbe. Jederzeit muss Sarkar einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen in verschiedensten Wissenschaftsgebieten haben, und oft muss sie sich in sehr kurzer Zeit in komplexe Themen einarbeiten. Das klingt anstrengend, aber Sarkar empfindet es als Bereicherung: „Ich bin sehr neugierig und finde es spannend, immer wieder in neue Themen einzutauchen“, sagt sie.
Für die Archivierung und Aufbereitung wissenschaftlicher Daten wird heute modernste Digitaltechnik eingesetzt. In einer besonderen Arbeitsgruppe für Forschungsinfrastrukturen trifft Sarkar sich mit Experten und Vertretern anderer EU-Staaten, um gemeinsame Standards für die Forschung zu entwickeln. Das Ziel ist, interdisziplinäre Forschung zu vereinfachen und immer größere Datenmengen in kürzerer Zeit zu bearbeiten und miteinander zu kombinieren.
Das technische Interesse, das man dazu braucht, hat Sarkar zweifellos. Es brachte sie Ende der 90er Jahre dazu, mit einer vergleichenden Arbeit über die Deregulierung der Telekommunikation in Deutschland und den USA zu promovieren. Dafür erhielt sie ein Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung. Der rege Austausch innerhalb ihrer Promovenden-Gruppe ist ihr in guter Erinnerung geblieben. „Die Leute kamen aus ganz unterschiedlichen Fachrichtungen. Dieses interdisziplinäre Element war sehr bereichernd für mich.“ Viele ihrer Interessen, so scheint es, hat Sarkar von ihrem indischen Vater übernommen. Der arbeitete als Fahrzeugbauingenieur und war gleichzeitig in der IG Metall.
Von ihrem zweiten bis zu ihrem sechsten Lebensjahr hat Sarkar selbst mit ihrer Familie in Indien gelebt. Bis heute erinnert sie sich an die köstlichen, selbst gemachten Süßigkeiten. Dann musste Sarkar nach Deutschland umziehen, ihre letzten drei Schuljahre verbrachte sie in Frankreich. Durch ihre Zusammenarbeit mit dem französischen Forschungsministerium und mit indischen Forschungseinrichtungen steht sie bis heute mit beiden Ländern in regelmäßigem Kontakt.
Das Leben in den verschiedenen Ländern und die Arbeit in internationalen Zusammenhängen haben Sarkar schon seit der Kindheit aufgeschlossen gegenüber anderen Kulturen gemacht. Viele Jahre war sie stellvertretende Vorsitzende des Integrationsrats von Bad Honnef und möchte sich jetzt in der Flüchtlingsarbeit engagieren. Das interdisziplinäre Arbeiten schätzt sie auch an ihrer Tätigkeit beim DLR, ebenso wie die Zusammenarbeit mit den verschiedensten Menschen aus unterschiedlichen Nationen. „Dieses Flair macht mir Spaß. Eine gewisse Weltoffenheit muss man dafür sicher mitbringen.“