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Soziologin Schutter auf einem Münchner Spielplatz: „Was ist eigentlich, jenseits des Biologischen, ein richtiger Vater?“ Stipendien

Altstipendiatin: Die Familienexpertin

Ausgabe 05/2014

Sabina Schutter untersucht, wie Paare zusammenleben, was heimliche Vaterschaftstest bei Kindern auslösen – und was Vatersein überhaupt ausmacht.

Von Susanne Kailitz

Nichts ist spannender, als sich in das Leben anderer zu vertiefen. Etwa in die Gedankenwelten unverheirateter Paare: „Da gibt es kuriose und traurige Geschichten; etwa wenn die Frau berichtet, sie wünsche sich nichts mehr als einen Antrag, und der Mann erzählt, Heirat sei für sie beide überhaupt kein Thema“, erzählt Sabina Schutter. Die Leiterin der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendpolitik am Deutschen Jugendinstitut will immer erster Hand wissen, was Sache ist. Ihr Lieblingssatz, wenn die Diskussion wieder einmal heiß läuft, lautet daher: „Das Argument ist sehr wichtig, aber die Empirie gibt das nicht her.“

An ihrem Institut, im Münchner Süden, gehts um das, was die Gesellschaft zusammenhält: um das Aufwachsen von Kindern, um die Lebenslagen von Familien und die Aufgaben, die Politik und Gesellschaft aus den Erkenntnissen der Forscher erwachsen. Der nüchterne Blick, sagt Schutter, sei wichtig für ihre Arbeit, denn kaum ein Feld sei emotional so stark besetzt wie die Familiensoziologie. „Weil fast jeder eine Familie und eine Vorstellung von den richtigen Rollenbildern in dieser Gemeinschaft hat, reden auch alle mit.“

Wenn Schutter, die in Russland geboren wurde, über ihre Kindheit in Deutschland erzählt, dann sagt sie: Es gab das Gefühl, nicht richtig dazuzugehören. Vielleicht rührt ihr Interesse an der Soziologie auch daher. „Das Fach hat mir viele Fragen beantwortet.“ Das Stipendium für die Promotion, das sie von der Hans-Böckler-Stiftung erhielt, betrachtet sie als ein „großes Geschenk“. In ihrer Arbeit zu heimlichen Vaterschaftstests ging sie der Frage nach, was das Recht des Vaters, sicher über seine Abkömmlinge zu sein, für das Kind bedeutet.

Ihre Aufgabe sieht Schutter darin, den Fakten Gehör zu verschaffen. Wenn sie in Interviews darauf hinweist, dass längere Erwerbsunterbrechungen für Mütter fatal sein können, weil sie im Trennungsfall nicht selten in die Armut führen, dann ist das keine Ideologie. „Das ist einfach eine Tatsache, die wir klar sehen. Und Frauen, die sich für diesen Weg entscheiden, sollten sich bewusst sein, was er für ihre beruflichen Ambitionen bedeuten kann.“ Dabei geht es der Soziologin überhaupt nicht darum, Mütter zu jedem Zeitpunkt zur Vollzeitarbeit zu bringen. Im Gegenteil: Die einseitige Sicht auf Eltern als Arbeitsmarktreserve sieht Schutter mit Sorge.

Denn dabei, sagt sie, gerate aus dem Blick, „dass Menschen mehr sind als Humankapital und dass Familien ganz unterschiedliche Bedürfnisse haben“. Viel sinnvoller sei es doch, sich Gedanken darum zu machen, wie sich die Geschlechterverhältnisse so ändern könnten, dass Mütter, Väter und Kinder so leben können, wie sie es wollen und brauchen. Lobbyarbeit für Familien ist nicht Sabina Schutters Aufgabe, auch wenn die begeisterte Tante dreier „zauberhafter Nichten und Neffen“ das Leben in Familie liebt

Solche Arbeit hat sie früher gemacht, als sie nach dem Studium in Berlin als wissenschaftliche Referentin für den Verband alleinerziehender Mütter und Väter arbeitete. Damals ging es darum, Positionen stark zu machen und sie in die Öffentlichkeit zu bringen. Sie ist jetzt 37 Jahre alt, vielleicht wird sie später im Leben wieder einmal etwas Ähnliches machen, sich für bestimmte Positionen einsetzen. Aber jetzt geht es um die Wissenschaft.

Soziologie ist für Schutter die Wissenschaft, die gleichermaßen gesellschaftliche Zusammenhänge und menschliches Miteinander beleuchtet. Die eigene Begeisterung für ihre Arbeit ist Schutter beim Erzählen fast peinlich – vielleicht, so sagt sie, sei sie ja „einfach ein Nerd“. Menschen, die sie kennen, widersprechen aber und sagen, bei wenigen passe das Bild der weltfremden Forscherin im Elfenbeinturm so wenig wie bei Schutter. Sie sei lebenslustig und neugierig auf alles und stürze sich mit Verve in politische Diskussionen. Und auch die Frage, ob es noch andere Hobbys außer dem Beruf gibt, kann sie mühelos mit Ja beantworten: Sie nimmt sich regelmäßig Zeit für Tango Argentino und Boxen; die körperliche Anstrengung ist Ausgleich zur konzentrierten Denkarbeit.

Was ein Vater ist, jenseits der Tatsache der biologischen Zeugung, beschäftigt Schutter noch immer. Das Konzept des Vaterseins, sagt sie, sei noch immer so unausgefüllt, dass der Schwerpunkt häufig allein auf den Rechten der Väter liege, statt sich auch damit zu befassen, wie die Vaterrolle inhaltlich gefüllt werden könnte. Diese Debatte hält sie für dringend nötig: „Bis heute gibt es zwar das Wort ‚bemuttern‘, aber kein Äquivalent im ‚Bevatern‘.“ Sowohl individuell als auch gesellschaftlich herrsche bei der Frage, was eigentlich ein richtiger Vater sei, noch immer „große Ratlosigkeit“. Schutter würde gern dazu beitragen, diese Ratlosigkeit zu beenden. Mit den richtigen Fakten, versteht sich. 

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