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Archivarin Elbracht mit Protest-Umhang von 1983, aus den Zeiten der Friedensbewegung: „Wenn schon studieren, dann mit der Hans-Böckler-Stiftung“ Stipendien

Altstipendiatin: Die Archivarin

Ausgabe 06/2014

Ute Elbracht arbeitet im Münchener Institut für Zeitgeschichte und sammelt Exponate aus der Geschichte der Frauenbewegung. Von Susanne Kailitz

Aus der riesigen Zahl der Exponate im Depot zaubert Ute Elbracht ein Stück Stoff hervor, das einmal ein Kissenbezug war. Jetzt ist es eine Art Poncho, in den man hineinschlüpfen kann: „Keine Mark, keinen Dollar, keinen Rubel für WAFFEN“ steht da, und auf der Rückseite: „Nicht Brechts Frau Carrar hatte recht. Gewehre gehören vergraben. Das letzte Wort der Mutter, dem Patriarchen nicht!“ Der Text bezieht sich auf Bertolt Brechts Theaterstück „Die Gewehre der Frau Carrar“, das er 1937, mitten im spanischen Bürgerkrieg schrieb. Es handelt von einer Mutter, die ihre zwei Söhne aus dem Krieg heraushalten will. „Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen“, sagt sie. Doch als einer ihrer Söhne von den Anhängern Francos getötet wird, zieht auch sie an die Front. Der Umhang fragt: Was wäre, wenn Frau Carrar, wenn alle Mütter beim Nein geblieben wären?

„Der Umhang stammt aus dem Nachlass der Münchener Feministin Hannelore Mabry“, erklärt die 45-jährige Elbracht. Es gibt Fotos aus dem Jahr 2000, die Mabry mit dem Umhang zeigen. Jetzt ist er ein Museumsstück. Was am Institut gesammelt wird, geht weit hinaus über Akten, Briefe und Dokumente. Für Elbracht, die Mabrys Nachlass ins Institut geholt hat und in einer über zehn Jahre währenden Arbeit den Sammlungsschwerpunkt zur Frauenbewegung in Deutschland nach 1945 aufgebaut hat, gleicht die Arbeit mit dem Bestand einer Schatzsuche. Manchmal verbinden sich die Quellen mit ihrer eigenen Biografie. Vor ein paar Jahren, als sie den Nachlass des früheren Berliner Staatsanwalts Alwin Cäsar Hardtke bearbeitete, der „Sühneverfahren“ gegen ehemalige Nazi-Funktionäre geführt hatte, durchforstete sie Karteikästen, in denen Hardtke Pressausschnitte gesammelt hatte. Darin stieß sie auf einen Zeitungsartikel über einen Lehramtsstudenten in Baden-Württemberg, der wegen der Mitgliedschaft in einer kommunistischen Hochschulgruppe nicht in den Staatsdienst übernommen worden war.

„Der Name erschien mit Vornamen und abgekürztem Nachnamen. Er machte mich irgendwie stutzig. Eine kleine Recherche später wusste ich: Es handelte sich um meinen früheren Biologielehrer in einer niedersächsischen Kleinstadt.“ Am Ende hatte er es doch noch geschafft, seinen Beruf auszuüben.
Dass Elbracht gut in ihrer Arbeit sein würde, stellte sie früh fest. Nach fünf Jahren als Buchhändlerin in Regensburg schrieb sie sich an der Uni ein und arbeitete als studentische Hilfskraft für das Institut für Zeitgeschichte. Direkt nach dem Abschluss bekam die Historikerin von Kollegen den Tipp, sich bei der Kommission zur Aufarbeitung der NS-Geschichte des Verlagshauses Bertelsmann zu bewerben. Sie bekam den Job. Da stellte sie fest, dass ihr Platz im Archiv war. „Ich habe gemerkt, dass ich als Forscherin nicht geeignet wäre. Aber historisches Material nach inhaltlichen Kriterien zu ordnen und so Bezüge herzustellen ist etwas, in dem ich gut bin.“

Sie weiß, dass wissenschaftliche Arbeit in der Gesellschaft oft höher geschätzt wird. Doch solche Vorstellungen kontert sie selbstbewusst: „Woher soll Wissenschaft denn ihre Erkenntnisse nehmen, wenn die Unterlagen nicht vernünftig sortiert sind? Wer forscht, ist froh, wenn die Quellen so detailliert wie möglich dokumentiert sind.“ Nach ihrer Zeit bei Bertelsmann kehrte Elbracht ins Institut für Zeitgeschichte zurück. Inzwischen hat sie sich einen guten Ruf bei denen erarbeitet, die Dokumente zur politisch bewegten Münchner Gesellschaft besitzen. Denn sie kann nicht nur gut mit Akten, sondern auch mit Menschen. „Mein Credo ist: Nur was im Archiv ist, kann auch wissenschaftlich wahrgenommen werden.“ Inzwischen gilt Elbracht im süddeutschen Raum als versierte Ansprechpartnerin in Sachen Frauenbewegung. Sie ist extrem gut vernetzt. Etwas bewegen, das ist Elbracht wichtig, auch über das Archiv hinaus. Schon während der Buchhandelslehre trat sie in die Gewerkschaft ein, engagierte sich als Jugendvertreterin, als Betriebsrätin und in der Tarifkommission.
So lag die Hans-Böckler-Stiftung nahe, als es um die Entscheidung für ein Studium ging: „Ich habe gesagt: Wenn Uni, dann mit der Böckler-Stiftung.“ Doch ganz im Reinen ist sie mit der Stiftung bis heute nicht: Als Elbracht während des Studiums heiratete, sollte sie einen Teil des Stipendiums zurückzahlen. „Das lag daran, dass die Vergaberichtlinien an das BAföG angelehnt waren, und als sich der Familienstand änderte, entfiel auch ein Teil des Anspruchs. Das ärgert mich bis heute. Eigentlich habe ich die Unterstützung ja für meine Leistungen und mein Engagement bekommen.“

Damals beendete sie den Kontakt zur Stiftung und hat ihn erst im vergangenen Jahr erneuert, seit sie als Mentorin für das Altstipendiatennetz Bayern-Süd tätig ist. Die gewerkschaftliche Gremienarbeit ist für Elbracht mittlerweile in den Hintergrund gerückt. Sie praktiziert heute ein vielfältiges Engagement: als Betriebsrätin, Elternsprecherin, Ehrenamtlerin bei Oxfam und Organisatorin eines Kulturstammtisches. „Menschen zusammenbringen ist das, was mir Spaß macht. Beruflich und privat.“ 

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