Quelle: HBS
StipendienAltstipendiat: Der Weltbürger
Max Middeke hat jetzt schon mehr von der Welt gesehen als viele Leute in ihrem ganzen Leben. Derzeit arbeitet er für die GIZ in Afrika. Doch er kann sich auch eine Karriere als Diplomat vorstellen.
Von Susanne Kailitz
Max Middeke ist gerade dabei, sich an die Annehmlichkeiten seines neuen Lebens zu gewöhnen: ein vernünftiges Gehalt, ein Diplomatenvisum und eine Vertragsdauer von zweieinhalb Jahren. Das ist viel, gemessen an dem, was er bisher gewohnt war. Seit einem guten halben Jahr arbeitet Middeke als Abgesandter der Bundesregierung in einem Projekt der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im äthiopischen Addis Abeba. Hier ist er am Aufbau eines Forschungs- und Bildungsprogramms der Afrikanischen Union beteiligt. So lange an einem Ort zu sein war über Jahre hinweg nicht üblich für ihn – im Gegenteil: „Ich habe in ausgesprochen prekären Arbeitsverhältnissen gelebt mit Verträgen von höchstens sechs Monaten“, sagt der junge Wissenschaftler.
Dafür hat Middeke mit Ende 20 vermutlich mehr von der Welt gesehen als die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben. Zuletzt absolvierte er ein Förderprogramm der Studienstiftung des Deutschen Volkes und der Stiftung Mercator in Kooperation mit dem Auswärtigen Amt. Ein Jahr lang flogen die Stipendiaten durch die Welt, um praktische Arbeitserfahrungen bei internationalen Organisationen zu sammeln – ein Programm, das man als Teil einer knallharten Karriereplanung verstehen kann. Mit der Förderung durch Stiftungen kennt Max Middeke sich aus. Von 2004 bis 2010 bekam er ein Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung. Es ermöglichte ihm, in Deutschland, Frankreich und der Türkei zu studieren sowie in Indien zu arbeiten. Nach dem Abschluss verhalf ihm ein Berufseinstiegsstipendium der Stiftung zu einem Job im afrikanischen Hauptquartier der Internationalen Arbeitsorganisation ILO in Äthiopien. Da lernte er das Land kennen, in dem er jetzt gerade wieder für die GIZ arbeitet.
Middekes Elternhaus zeichnet sich durch gewerkschaftliches und soziales Engagement wie aus dem Lehrbuch aus. Der Vater ist Sozialarbeiter, die Mutter Referentin bei ver.di. „Bei so einer Konstellation ist klar, dass mir Ostermärsche und Co. von klein auf vertraut sind“, sagt Middeke. Über einen Job bei der DGB-Jugend als Verwalter eines Kulturprojekts entdeckte er sein Interesse für fremde Kulturen. „Leute aus anderen Regionen der Welt haben mich fasziniert“, sagt er. Der Kontakt zu ihnen sollte auch in seinem Berufsleben eine Rolle spielen. Doch das Arbeitsfeld, das ihn interessiert, ist schwieriger geworden. Inzwischen sind die internationalen Organisationen nicht nur für Absolventen aus der westlichen Welt interessant. Mit der Globalisierung wurde der Bewerberpool viel größer. Zudem sind Organisationen wie die UNO oder die Entwicklungshilfeministerien bürokratische Monster, in denen man als Einsteiger kaum eine Chance hat, inhaltlich Verantwortung zu übernehmen.
Diese eher nüchternen Befunde halten ihn von seinem Traum aber nicht ab: eine Karriere irgendwo im riesigen Geflecht internationaler Organisationen. Gerne ist er bereit, den Preis dafür zu zahlen. „Für die vielen Reisen braucht es ein großes Maß an Koordination, das muss man erst einmal lernen“, sagt Middeke. Genauso wie die Fähigkeit, sich extrem zu beschränken: „In aller Regel habe ich nur einen Koffer. Da muss alles reinpassen, was ich brauche.“ Vieles, was man benötigt, um sich irgendwo zu Hause zu fühlen, hat er online organisiert. Für ihn ist es ungeheuer wichtig, sein soziales Netzwerk zu pflegen. Er sagt: „Das Bewusstsein, dass man dafür viel Energie aufwenden muss, ist bei mir vermutlich größer als bei meinen Freunden, die ich noch aus der Schulzeit kenne.“ Sich einfach spontan mit jemandem auf einen Kaffee zu treffen, ist für ihn schwierig: „Das muss gut geplant werden.“ Die Frage, ob er in der Entwicklungshilfe bleiben will oder ob der aktuelle Job vielleicht eher Sprungbrett in eine Diplomatenkarriere sein soll, die stelle er sich selbst gerade, erzählt er. „Das ist täglich unentschieden.“ In der Entwicklungshilfe in Afrika, sagt er, müsse man eine „große Frustrationstoleranz“ aufbauen. Deshalb sei vielleicht ein „Job im diplomatischen Bereich wahrscheinlicher“.