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Altstipendiat Rainer Opolka steht vor Kunstwerken Stipendien

Altstipendiat: Der Selbstbestimmte

Ausgabe 04/2023

Rainer Opolka ist Soziologe, Unternehmer, Künstler, Agitator und jetzt Autor. Man darf von ihm alles erwarten – nur keine einfachen Antworten. Von Andreas Schulte

Von der Terrasse blickt der Hausherr nachdenklich auf den Storkower See. Mit seinem Schloss ist es nicht so gelaufen, wie Rainer Opolka sich das vorgestellt hat. Eigentlich hat in seinem Leben bislang so ziemlich alles gut funktioniert. Fast immer haben andere von seiner Arbeit profitiert. Doch diesmal ist der erfolgreiche Unternehmer und Künstler am Schenken gescheitert.

Vor elf Jahren hat der 67-Jährige gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder das brandenburgische Schloss Hubertushöhe gekauft. Einen Literaturpark wollten die beiden hier einrichten mit Lesungen und Ausstellungen – kostenlos für alle. Doch Ende Mai blies er das Projekt noch vor dem ersten Spatenstich ab. Der Grund: Über die gesamte Zeit hatten die gut 30 beteiligten Ämter Genehmigungen zurückgehalten.

Böser Wille, Behördenwillkür, Angst vor Veränderung? Opolka antwortet, wie er es gerne tut: kurze Besinnungspause, klares Ja oder Nein vermeiden, gedanklich ausholen. Dann folgen geschliffene Sätze, die das Konkrete in einen bedeutungsvolleren Zusammenhang betten. „Trägheit kann auch Macht sein“, wirft er den Ämtern vor. „Am meisten hat mich erstaunt, dass sich Gesetze in ihrer Durchführung gegen die Allgemeininteressen kehren können und damit ihrer eigentlichen Intention zuwiderlaufen.“

In den Nullerjahren war die Trägheit der anderen seine eigene Macht. Mit seinem Unternehmen „Zweibrüder“ galt Opolka weltweit als so etwas wie der Taschenlampen-Papst. Mit damals selbst entwickelten, fokussierbaren LED-Lampen baute er ein kleines Imperium mit 1100 Mitarbeitern auf und verdiente in Windeseile Millionen. „Die Konkurrenz hat geschlafen. Wir konnten hohe Preise nehmen“, erzählt er. Aber nicht der Reichtum treibt ihn an. Es geht ihm um die Selbstbestimmung der Menschen. Damals scheiterte er nicht am Schenken. Für die Beschäftigten in den chinesischen Zuliefererwerken baute er Wohnungen samt einem Fußballplatz.

Ihm selbst haben seine Eltern zur Selbstbestimmtheit verholfen. Er stammt aus Bottrop, Mutter Bäuerin, Vater Bergmann. Als Kind streifte er durch den Wald und sammelte Vogelskelette. „Die Eltern haben mir Freiheit und Zeitsouveränität gegeben. Mein erstes Fahrrad war etwas Besonderes. Durch die vergrößerte Reichweite erschlossen sich neue Möglichkeiten, und zugleich kam mehr Selbstbestimmung in mein Leben.“ Bald ergänzt er die Triebfeder  Selbstbestimmung durch Mitbestimmung. Als Jugendlicher war er Elektriker und zudem Jugendvertreter und IG-Metall-Mitglied. Die Hans-Böckler-Stiftung unterstützte ihn beim Studium der Psychologie und der Sozialwissenschaften.

Dennoch vergisst er seine Wurzeln nicht. „Ich bin ein robustes Arbeiterkind“, sagt Opolka häufig. Sein Kapital sind sein Geist und seine Kreativität. Warum er sich nach dem Studium mit einem Stahlhandel und daraufhin mit Taschenlampen selbstständig machte? „Ich hatte die persönliche Souveränität, also konnte ich tun, was für mich wichtig war.“ Doch das Spielzeug Taschenlampe verlor für ihn bald seinen Reiz. Nach 50 Millionen verkauften LED-Lampen stieß er das Unternehmen ab. „Die Firma zu führen verlangte permanente Anstrengung über gut zwölf Stunden am Tag. Außerdem hatte ich alles erreicht und andere Ziele.“

Seinem Dasein als erfolgreicher Unternehmer folgte eine kreative Phase, in der Opolka bildende Kunst mit politischen Aktionen verband. Er lernte unter Anleitung, zu modellieren – „wie ein Besessener”, sagt er. Er entwarf nun Skulpturen. Furchterregende Wolfsmenschen sind es, überlebensgroß, von denen einige den Hitlergruß zeigen. Die Wölfe ließ er seit 2016 als eine Art Mahnmal durch die Republik reisen und an brisanten Orten aufstellen. Im vergangenen Jahr postierte er vier von ihnen vor der russischen Botschaft in Berlin. Ein Zeichen gegen Krieg, Hass und Gewalt sollen sie sein, sagt er. Vernunft muss auch wehrhaft sein.“

Seit drei Jahren widmet sich der Wahl- Berliner einer neuen selbstbestimmten Aufgabe mit Mehrwert für die Gesellschaft: Sechs Stunden täglich schreibt er an einem wissenschaftlichen Werk, das soziologische Grundbegriffe einheitlich definieren will, sodass ein standardisierter gesellschaftlicher Diskurs entstehen kann. Dabei habe er den höchsten Anspruch an sich, sagt er mit ernster Miene. „Nicht die Populärwissenschaft verändert die Welt, sondern die grundlegenden Begriffe.“ 1800 Seiten sind bereits fertig.

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