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OB Roters in seinem Büro im Rathaus Köln: „Bildungsangebote, Kulturvielfalt, sozialer Wohnraum – das geht nur, wenn wir etwas erwirtschaften.“ Stipendien

Altstipendiat: Der Oberbürgermeister

Ausgabe 06/2013

Als Kölner Oberbürgermeister mit Sparambitionen braucht Jürgen Roters (SPD) Beharrlichkeit und Durchhaltevermögen. Beides trainiert er schon seit seiner Jugend als Marathonläufer.

Von Carmen Molitor

Als Jürgen Roters 40 wurde, im Jahr 1989, da hatte er es zwei Mal rund um die Erde geschafft. In Turnschuhen. „Das A und O beim Marathon ist die richtige Vorbereitung“, erklärt er. Roters hat sich mit Zehntausenden Trainingskilometern auf seine über 25 Marathons vorbereitet. Seit der Schulzeit ist Laufen ein Stück seines Lebensinhaltes. Langsam gehen war nie sein Ding. Der junge Jürgen rannte lieber. Er rannte von seinem Zuhause in der Eisenbahnersiedlung im westfälischen Coesfeld die zweieinhalb Kilometer zum Bahnhof oder zum Einkaufen, drehte seine Runden über die Aschenbahn auf dem Sportplatz, lief durch Wälder, Wiesen und Felder. Er trainierte zehn, zwölf, 15 Kilometer, immer ein bisschen mehr, allein oder mit Freunden, manchmal bis an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit. „Heute gehen die Leute joggen, aber in den 60er Jahren war es ganz ungewohnt, als Jugendlicher durch die Gegend zu laufen“, erinnert sich Roters. „Man wurde dafür sehr seltsam angesehen.“

Irritiert war die Nachbarschaft auch, als Roters’ anderthalb Jahre älterer Bruder als erster Junge der ganzen Siedlung zum Gymnasium ging. „Die Roters werden größenwahnsinnig, hieß es da“, erzählt der 64-Jährige. „Damals haben Kinder von Ärzten oder Rechtsanwälten das Gymnasium dominiert. Die aus einfachen Verhältnissen kamen, hatten es schwer.“ Jürgen Roters wuchs mit vier Geschwistern als Sohn eines Eisenbahners auf, seine Mutter war Hausfrau. „Wir waren finanziell nicht auf Rosen gebettet, aber ich hatte ein gutbürgerliches, politisch interessiertes Elternhaus.“ Politische Diskussionen am Mittagstisch waren die Regel, Roters engagierte sich früh als Klassen- und Schulsprecher, trat jung in die SPD ein. Der talentierte Leichtathlet folgte seinem Bruder aufs Gymnasium. Das Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung ermöglichte es ihm, Jurist zu werden.

Roters begann eine Laufbahn in der Verwaltung, kletterte in schöner Regelmäßigkeit alle paar Jahre auf der Karriereleiter nach oben. Ende der 80er Jahre leitete er das Büro des NRW-Innen­ministers Herbert Schnoor (SPD), danach wurde er Polizeipräsident und von 1999 bis 2005 Regierungspräsident in Köln. Gezielte Karriereplanung habe nicht dahintergesteckt, sagt er – dafür viel Arbeit und das nötige Glück: „Ich habe oft zur richtigen Zeit das richtige Angebot bekommen.“ Sein Erfolgsrezept: „Man darf sich nicht wichtiger vorkommen, als man ist, und muss sich bei allem Ehrgeiz immer kritisch hinterfragen können. Und man sollte nicht zum Überzeugungstäter werden, denn diese Menschen blockieren sich manchmal selbst.“

Viel Pragmatismus braucht der Westfale vor allem, seit er vor vier Jahren den Posten des Kölner Oberbürgermeisters übernommen hat. Zuvor hatte in der Hauptstadt der rheinischen Vetternwirtschaft ein Skandal den anderen gejagt: Müllskandal, Parteispendenskandal, Messebauskandal. Der traurige Höhepunkt war 2009 mit dem Einsturz des Stadtarchives im Zuge des U-Bahn-Baus erreicht. „Der Ruf der Stadt hat sehr gelitten“, sagt Roters. „Ich glaube, Köln kann man anders aufstellen, und wir sind auf einem guten Weg dahin.“ Statt eines kölschen Draufgängers, der immer einen jovialen Spruch auf den Lippen hat, wählte sich die selbstverliebte Millionenstadt einen zuvorkommenden, eher zurückhaltenden Westfalen an die Spitze. Einen beharrlichen Verwaltungsmenschen statt eines Selbstdarstellers. Einen, der sich statt Karneval Konsolidierung auf die Fahnen geschrieben hat und heute angesichts des Defizites der Stadt ernüchtert wirkt. „Wir geben jedes Jahr 250 Millionen Euro mehr aus, als wir einnehmen“, beschreibt er die Lage. Gerechte Bildungsangebote für alle, mehr Übermittagsbetreuung, Kulturvielfalt, sozialer Wohnraum – „das geht alles nur, wenn wir etwas erwirtschaften und wenn wir unseren Haushalt in Ordnung bringen“. Auf Kosten der nächsten Generation einen noch höheren Schuldenberg anzuhäufen, das kommt für den verheirateten Vater dreier Kinder jedenfalls nicht infrage.

Für seinen Sparkurs erntet Roters scharfen Gegenwind: Die Kunstfreunde gehen auf die Barrikaden, wenn an der Oper gespart werden soll, die sozial Engagierten protestieren bei Kürzungen bei Jugendzentren und Bürgerhäusern, jede Interessensgruppe der Stadt wehrt sich vehement, wenn der Rotstift in ihre Nähe kommt. Diese unterschiedlichen Ansprüche bei der jetzigen Kassenlage gerecht unter einen Hut zu bekommen sei die größte Herausforderung seines Jobs, findet Roters. Bei der Konsolidierung sind die Qualitäten des Langstreckenläufers gefragt. Verglichen mit einem Marathon sei er in seiner Amtszeit gerade mal bei Kilometer zehn: „Da fühlt man sich noch wohl und munter.“ Ob er 2015 zur Wiederwahl kandidiert, darüber hat er noch nicht entschieden.

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