Projektbeschreibung
Kontext
Angesichts der Veränderungen in der Arbeitswelt, wie Arbeitsverdichtung und Subjektivierung einerseits und der immer länger werdenden Berufsbiographien aufgrund des demographischen Wandels andererseits, werden Fragen der Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit und Gesundheit von Arbeitnehmenden immer bedeutsamer. Das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM), welches seit seiner gesetzlichen Einführung 2004 als ein Instrument zur Wiedereingliederung langfristig erkrankter Beschäftigter (§ 84 SGB IX) fungiert, konnte in den letzten Jahren zunehmend - zuvorderst in Großunternehmen - etabliert werden. Ziel dieses Instruments ist es, Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit wiederherzustellen, zu erhalten und zu fördern, damit Menschen solange wie möglich aktiv am Arbeitsleben teilhaben können. Die zögerliche Umsetzung von BEM in KMU, insbesondere in kleinen und Kleinstunternehmen, verweist jedoch auf eine Präventions- und Informationslücke.
Fragestellung
Das Forschungsprojekt untersuchte Entwicklungs- und Verlaufsprozesse im Vorfeld, im Zugang und in der Durchführung von BEM. Insbesondere die Perspektive der Beschäftigten, die BEM durchlaufen haben, wurde dabei in den Blick genommen. So war und ist wenig darüber bekannt, wie Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung und BEM von Beschäftigten tatsächlich wahrgenommen werden. Interessant waren zudem die Auswirkungen vorausgegangener beruflich-biographischer Brüche, Qualifizierungsmaßnahmen, Probleme in der Work-Life-Balance etc. auf die Beschäftigungsfähigkeit von Menschen mit bedingter Gesundheit. Auch Schwierigkeiten in KMU wurden in den Blick genommen, die sich im Zuge eingeschränkter Gesundheit und konkret drohender Gesundheitsprobleme von Angestellten für die Unternehmensführung und die MitarbeiterInnen stellen.
Untersuchungsmethoden
Das Projekt folgte einem qualitativen Forschungsdesign. Im Fokus der Studie standen die Erhebung von 40 retrospektiven episodischen Interviews (entsprechend eines fallkontrastierenden Vorgehens) mit Arbeitnehmenden, die BEM durchlaufen hatten. Die Auswertung der retrospektiven Interviews folgte der Heuristik der Fallrekonstruktion (Ohlbrecht 2013) und der Forschungsstrategie der Grounded Theory (Glaser/ Strauss 1967). Eine Erhebung von 20 ExpertInneninterviews mit betrieblichen und überbetrieblichen AkteurInnen flankierte die Perspektive der Arbeitnehmenden. Die Auswertung dieser Interviews folgt dem Verfahren von Meuser/Nagel (2013). Zusätzlich erfolgt auch eine strukturierte Auswertung von 50 anonymisierten Falldokumentationen (BEM-Akten). In der zweiten Phase erfolgte die Spiegelung der Ergebnisse in die Handlungspraxis des Feldes in Form von 12 partizipativen Workshops mit BEM-Akteur_innen (Arbeitnehmende, Arbeitgebende, Expert_innen u.a.).
Darstellung der Ergebnisse
Verschiedene Faktoren, haben einen begünstigenden bzw. hemmenden Einfluss auf die Ausgestaltung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements: Die biografisch verankerten Haltungen der Arbeitgebenden und –nehmenden sowie anderer am BEM beteiligter Akteur_innen, die Unternehmenskultur sowie (betriebsspezifische) strukturelle Faktoren, welche zu Gelingensbedingungen und Hemmfaktoren für BEM-Prozesse werden können. Darüber hinaus zeigten sich unterschiedliche Dilemmata und Paradoxien, welche BEM-Prozesse behindern können. Gelingen können die Wiedereingliederung und der Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmenden vor allem dann, wenn eine auf Vertrauen beruhende Unternehmenskultur der Wertschätzung, Offenheit und Achtsamkeit (Badura 2017) besteht. Dies hängt insbesondere von den Haltungen aller Beteiligten ab. Auch innerhalb einer solchen Unternehmenskultur haben Dilemmata und Konfliktpotenziale einen Einfluss auf das Gelingen des BEM-Prozesses. Jeder Betrieb benötigt zudem interne und/oder externe Akteur_innen, die über ausreichend Wissen und Kompetenzen zur Durchführung eines BEMs verfügen.