Quelle: HBS
Böckler ImpulsBildung: Arbeiterkinder werden seltener Master
Kinder ohne bildungsbürgerlichen Hintergrund studieren nicht nur seltener als andere. Sogar wenn sie es an die Uni geschafft haben, wirkt die soziale Herkunft weiter: Sie begnügen sich häufiger mit dem Bachelor-Abschluss, statt ein Master-Studium dranzuhängen.
Die Aufteilung in Bachelor- und Master-Studium hat eine neue Hürde im Bildungssystem geschaffen. Dies war den Bildungsexperten Markus Lörz, Heiko Quast und Jan Roloff zufolge durchaus beabsichtigt: Der Bachelor war für die breite Masse gedacht, der Master als vertiefende Ausbildung für besonders Leistungsstarke. Tatsächlich machen allerdings drei Viertel der Studierenden nach der Bachelor-Prüfung weiter. Was unterscheidet sie von denjenigen, die der Uni früher den Rücken kehren – in erster Linie bessere Studienleistungen? Dieser Frage sind die Wissenschaftler von der Universität Hannover und dem Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung mittels einer mehrmaligen Befragung von gut 1.800 Studienberechtigten nachgegangen. Ergebnis: Auch nach mehreren Semestern an der Hochschule wirkt die soziale Herkunft weiter. Studierende aus „weniger privilegierten Gruppen“ nehmen nur zu rund 60 Prozent ein Master-Studium auf, in „privilegierten Gruppen“ sind es dagegen mehr als 80 Prozent.
In ihrer repräsentativen Untersuchung konnten die Forscher einige Faktoren herausarbeiten, mit deren Hilfe sich die soziale Schieflage erklären lässt. Als besonders einflussreich erweist sich die bisherige Bildungsbiografie der Befragten. Während die Sprösslinge höherer Gesellschaftsschichten meist ohne Unterbrechung vom Gymnasium ins Bachelor- und anschließend ins Master-Studium wechseln, haben Kinder aus anderen Elternhäusern oft einen längeren Weg hinter sich. Sie haben vor dem Bachelor-Studium häufig eine Berufsausbildung absolviert – und kehren danach wieder ins Berufsleben zurück. Eine wichtige Rolle spielt auch das Zutrauen in die eigene Leistungsfähigkeit. Studierende, die keiner privilegierten Bevölkerungsgruppe entstammen, hatten früher oft schlechtere Schulnoten und schätzen die eigenen Studienleistungen pessimistischer ein. Zudem spielen Kostengesichtspunkte für sie eine größere Rolle. Ausgaben für den Lebensunterhalt, Entfernung vom Heimatort, das Bedürfnis nach finanzieller Unabhängigkeit: All dies schreckt sie eher von einer Fortsetzung des Studiums ab, als es bei Akademikerkindern der Fall ist. Einen gewissen Einfluss auf die Entscheidung für oder gegen ein Master-Studium haben der Analyse zufolge auch das intellektuelle Klima im Elternhaus oder unterschiedliche Ansprüche an die eigenen Berufschancen. Etwa zwei Drittel „der beobachteten Herkunftsunterschiede“ können Lörz, Quast und Roloff mit den genannten Faktoren erklären.
Markus Lörz, Heiko Quast, Jan Roloff: Konsequenzen der Bologna-Reform: Warum bestehen auch am Übergang vom Bachelor- ins Masterstudium soziale Ungleichheiten?, in: Zeitschrift für Soziologie 2/2015