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HBS Böckler Impuls

Gleichstellung: Erosion des Ernährermodells

Ausgabe 03/2009

Frauen tragen heute einen ­größeren Anteil zum Familien­einkommen bei als noch vor 15 Jahren. Etwa jede Fünfte erwirtschaftete sogar den Löwenanteil des Einkommens, zeigt eine Analyse.

In Ostdeutschland hatte 2006 in 22,3 Prozent aller Familien die Frau die Rolle als Familienernährerin inne, im Westen waren es 18,5 Prozent. Ihr Einkommen überstieg das ihres Partners oder sie erwirtschafteten als allein Erziehende den Hauptteil des Familieneinkommens. Das zeigen Auswertungen des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) für die Jahre 1991 und 2006, analysiert von der WSI-Forscherin Christina Klenner und Ute Klammer, Professorin an der Universität Duisburg-Essen.

Für beide Jahre liegen nun detaillierte Daten über die Einkommensverhältnisse von Mehrpersonenerwerbshaushalten vor - also Haushalten, in denen mindestens eine Erwerbsperson lebt. Außen vor bleiben damit reine Single- und Rentnerhaushalte. Die Entwicklung ist eindeutig: Sowohl in West- als auch in Ostdeutschland nimmt der Anteil der Männer ab, die Haupteinkommensbezieher sind. Im Gegenzug wächst nicht nur der Anteil der allein erziehenden Mütter, sondern auch jener der Familienernährerinnen mit Partner. Diese machen im Osten inzwischen 13,1 Prozent der Familienernährerinnenhaushalte aus, in Westdeutschland 9,5 Prozent.

Das bedeutet jedoch nicht, dass jetzt einfach mehr Frauen Karriere machen oder mehr Männer sich aus freien Stücken ausschließlich um Familie und Haushalt kümmern. "Frauen werden zu Familienernährerinnen häufig unfreiwillig, entweder als Partnerinnen von prekär beschäftigten oder arbeitslosen Männern oder als allein Erziehende", fassen Klenner und Klammer die Forschungsergebnisse zusammen. In den neuen Ländern ist der Hauptgrund die Arbeitslosigkeit des Mannes: 42,1 Prozent der Partner von Familienernährerinnen sind arbeitslos. Im Westen steht das niedrige Einkommen des Mannes im Vordergrund. 48,5 Prozent der Partner von Familienernährerinnen sind vollerwerbstätig - trotzdem trägt ihre Partnerin mehr zum Haushaltseinkommen bei.

Bei der Mehrheit der Familienernährerinnen handelt es sich um Frauen mit einem mittleren bis geringen Qualifikations- und Einkommensniveau. Ungefähr die Hälfte hat in Ost wie West eine Ausbildung abgeschlossen oder arbeitet als Facharbeiterin. Im Schnitt liegt das bedarfsgewichtete Einkommen in den Haushalten mit abhängig beschäftigten Familienernährerinnen in Westdeutschland bei 1.678 Euro, im Osten bei 1.531 Euro - und damit deutlich unter dem jeweiligen Durchschnitt des Familienernährers. Er erhielt im Osten 1.897 Euro und im Westen 2.218 Euro pro Monat.  

  • Bei der Mehrheit der Familienernährerinnen handelt es sich um Frauen mit einem mittleren bis geringen Einkommensniveau. Zur Grafik
  • Frauen tragen heute einen größeren Anteil zum Familieneinkommen bei als noch vor 15 Jahren. In Ostdeutschland hatte 2006 in 22,3 Prozent aller Familien die Frau die Rolle als Familienernährerin inne, im Westen waren es 18,5 Prozent. Zur Grafik

Christina Klenner, Ute Klammer: Weibliche Familienernährerinnen in West- und Ostdeutschland - Wunschmodell oder neue Prekarität?, Vortrag im Centro Italo-Tedesco Villa Vigoni am 21. Oktober 2008; Projekt gefördert von der Hans-Böckler Stiftung.

weitere Informationen zum Forschungsprojekt "Flexible Familienernährerinnen. Eine Studie zur Entwicklung von Arbeitsbedingungen und Geschlechterverhältnissen in Westdeutschland"

weitere Informationen zum WSI-Projekt "Flexible Familienernährerinnen. Prekarität im Lebenszusammenhang von ostdeutschen Frauen"

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