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HBS Böckler Impuls

Arbeitsorganisation: Meetings: Viel besprochen, wenig gelöst

Ausgabe 09/2008

Vor lauter Besprechungen kommen viele Beschäftigte kaum zu ihrer eigentlichen Arbeit. Das ist ein Zeichen mangelhafter Arbeitsorganisation - für Arbeitnehmer frustrierend, aus Unternehmenssicht ineffizient.

Dezentrale Strukturen, flache Hierarchien, selbstbestimmte Arbeit - das gilt in vielen Firmen als Ideal moderner Arbeitsorganisation. Entscheidungen, die in früheren Zeiten von Vorgesetzten getroffen und ohne Diskussion an die unteren Ebenen durchgereicht wurden, sollen nun in Mitarbeiter­besprechungen fallen. Was gut klingt, führt in der Praxis oft zu Verdruss. Annegret Bolte, Judith Neumer und Stephanie Porschen vom Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF) in München beschreiben in einer Studie für die Hans-Böckler-Stiftung die Kehrseite der "Meeting-Euphorie".

Meetings seien nicht das "Allheilmittel für alle Fragen der Kooperation und Koordination", als das sie in vielen Unternehmen gelten, so die Forscherinnen. Sie stützen ihre These auf Fallstudien in mehreren Industriebetrieben unterschiedlicher Größe und Branche. Sie halten Meetings nicht grundsätzlich für überflüssig, Besprechungen müssten aber gezielter eingesetzt werden als das oft geschieht. Im betrieblichen Alltag ließen sich viele Abstimmungsprozesse effektiver bewältigen. Die Vorzüge "informeller Kooperation" gegenüber dem formalisierten Meeting werden der Studie zufolge oft unterschätzt. Dabei ließen sich Probleme "auf dem kleinen Dienstweg" häufig am schnellsten und einfachsten lösen.

Was bei Meetings regelmäßig schiefläuft, haben die Wissenschaftlerinnen detailliert aufgelistet:

Verlorene Zeit. Effektive Meetings verlangen von den Teilnehmern eine gute Vorbereitung: Tagesordnung festlegen, Unterlagen zusammenstellen, Fragen und Probleme formulieren. Das kostet Zeit im Vorfeld, verkürzt aber die eigentliche Besprechung. Hapert es an der Vorbereitung, zieht sich das Meeting in die Länge: Ohne klar eingegrenztes Thema kommen die Gesprächsteilnehmer schnell vom Hundertsten ins Tausendste. Stehen nicht alle benötigten Informationen zur Verfügung, bleiben die Ergebnisse oft vage - womit das nächste Meeting programmiert ist.

Reden statt Entscheiden. Je mehr Experten sich zu einem Problem äußern, desto mehr Details können bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden - falls überhaupt eine Entscheidung fällt. Meetings beleuchten zwar viele Aspekte des jeweiligen Themas, so die Studie. Sie bleiben aber oft wirkungslos, weil die Teilnehmer sich über ihre Entscheidungsbefugnisse im Unklaren sind. Im Zweifel wird beschlossen, noch mehr Informationen einzuholen und die Entscheidung aufs nächste Meeting zu vertagen. Am Ende verlassen die Beteiligten den Besprechungsraum mit neuen Problemen - anstatt der Lösungen, die sie sich erhofft hatten. Daher sei es wichtig, vorher genau zu überlegen, wer zu einem Meeting eingeladen wird: nach Möglichkeit nur die Kollegen, die direkt betroffen und mit den nötigen Entscheidungskompetenzen ausgestattet sind.

Verantwortung abschieben. Viele Meetings dienen nur zur Absicherung von Entscheidungen. Gerade in Unternehmen, deren Management eine "Null-Fehler-Toleranz" zum Leitbild erhebt, scheuen sich Mitarbeiter, allein die Verantwortung für ihre Arbeit zu übernehmen. Aus Angst etwas falsch zu machen berufen sie ein Meeting nach dem anderen ein, um sich ihre Vorschläge von den Kollegen absegnen zu lassen und die Verantwortung damit auf mehr Schultern zu verteilen.

Kontroll- statt Beteiligungsinstrument. Die Forscherinnen haben beobachtet, dass eine wichtige Funktion des Meetings darin bestehen kann, die Arbeit der Beschäftigten für das Management kontrollierbar zu machen. Protokolle und für die Teambesprechungen erstellte Dokumentationen sollen den Vorgesetzten Einblick in die "selbstgesteuerten Arbeitsformen" verschaffen. Sobald Angehörige unterschiedlicher Hierarchieebenen teilnehmen, verlieren die Besprechungen aber schnell jeden kooperativen Charakter. Besonders wenn Vorgesetzte die Zeit nutzen, um Monologe zu halten oder einzelne Mitarbeiter zurechtzuweisen - und die eigentlichen Experten nicht zu Wort kommen.

Schaukampf statt Kooperation. Meetings sind oft ein Betätigungsfeld für Selbstdarsteller. Und bieten eine Arena, in der Konkurrenzkämpfe ausgefochten werden. Statt gemeinsame Positionen und Strategien zu entwerfen, stehen oft persönliche Auseinandersetzungen im Vordergrund, so die Analyse: "Wer ist der Stärkere? Wer gewinnt den nächsten Schlagabtausch?" Manche Beschäftigten entwickelten eine "regelrechte Meetingangst", so die Wissenschaftlerinnen.  

  • Sitzungen bringen die Arbeit nicht immer voran – vor allem wenn sie schlecht vorbereitet sind. Zur Grafik

Annegret Bolte, Judith Neumer und Stephanie Porschen: Die alltägliche Last der Kooperation, edition sigma, Düsseldorf 2008

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