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Neue Auswertung des WSI: Feuchte Wände, kalte Wohnung, kein Auto: Wie sich Einkommensarmut im Alltag auswirken kann

08.11.2017

Menschen, die armutsgefährdet sind, leiden spürbar häufiger unter gravierenden Mängeln in ihrem Alltag als die Gesamtbevölkerung. Sie können beispielsweise seltener ausreichend heizen, haben öfter Feuchtigkeit in der Wohnung oder müssen auf ein Auto verzichten. Zu diesem Ergebnis kommt das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, das neue Armutsdaten aus der EU-SILC-Erhebung des Europäischen Statistikamts Eurostat ausgewertet hat.

Als arm oder armutsgefährdet gelten nach gängiger wissenschaftlicher Definition Haushalte, deren Einkommen weniger als 60 Prozent des mittleren bedarfsgewichteten Einkommens aller Haushalte beträgt. In Deutschland lag die Armutsschwelle für eine alleinstehende Person nach EU-SILC im Einkommensjahr 2015 bei einem verfügbaren Einkommen von maximal 1064 Euro im Monat. Nach den neuen Eurostat-Zahlen sind 16,5 Prozent aller Menschen in der Bundesrepublik armutsgefährdet. Besonders hoch ist die Quote unter Arbeitslosen (knapp 71 Prozent sind arm) und Alleinerziehenden (32,5 Prozent)

„Auch wenn diese relative Armutsgrenze im reichen Deutschland höher liegt als in Süd- oder Osteuropa, wissen wir aus vielen Untersuchungen dass arme Menschen oft große Schwierigkeiten haben, am normalen gesellschaftlichen Leben teilzunehmen“, erklärt WSI-Sozialexperte Dr. Eric Seils. „Die EU-SILC-Zahlen machen noch plastischer, dass damit nicht selten auch erhebliche Mängel im Alltag verbunden sind.“ Das zeigt ein Blick auf verschiedene Belastungen und „Mangellagen“, die im Rahmen der EU SILC-Befragung für das Jahr 2016 erhoben werden.

  • Feuchtigkeit in den Wänden oder Fäulnis im Fensterrahmen ist für 13,1 Prozent der Gesamtbevölkerung, aber 21,3 Prozent der Einkommensarmen ein Problem.
  • Dabei mag sich das – finanziell bedingte – unzureichende Heizen in Schimmelbildung niederschlagen. Insgesamt haben 3,7 Prozent der Bevölkerung insgesamt, aber 12,4 Prozent der Menschen mit einem Einkommen unter der Armutsgrenze Schwierigkeiten, ihre Wohnung angemessen zu beheizen. Beim Vergleich ist jeweils zu bedenken, dass in den Zahlen zur „Bevölkerung insgesamt“ auch die Armen erfasst sind, der Unterschied gegenüber nicht-armen Haushalten also noch größer ausfällt.
  • Dass von der Einkommensarmut eine deutliche wirtschaftliche Belastung ausgeht, zeigt sich an der Verbreitung von Rückständen bei Zahlungen (an Versorgungsbetriebe, Hypotheken, Ratenkäufe). Hier geben insgesamt 4,2 Prozent der Befragten an, dass bei ihnen in den vergangenen 12 Monate solche Zahlungsrückstände aufgelaufen sind. Unter den Einkommensarmen fällt der Anteil mit 10,3 Prozent mehr als doppelt so hoch aus.
  • Ein erheblicher Unterschied zwischen den Einkommensarmen und der Gesamtbevölkerung zeigt sich auch, wenn danach gefragt wird, ob man sich ein Auto leisten könne. Insgesamt können sich nur 6,8 Prozent der Befragten kein Auto leisten. Unter den Armutsgefährdeten sind es hingegen mehr als ein Viertel (26,7 Prozent).
  • In Deutschland haben 25,1 Prozent aller Befragten in ihrer Wohnung mit Lärm aus der Umgebung zu kämpfen, aber 32,4 Prozent all jener, die unter der Armutsgrenze leben. Im europäischen Vergleich weist die dicht besiedelte Bundesrepublik damit – insgesamt und unter den Einkommensarmen – einen der höchsten Werte hinsichtlich der Lärmbelastung durch Nachbarn oder den Straßenverkehr auf.
  • Auch durch Vandalismus oder Kriminalität in ihrem Wohnumfeld sind arme Personen laut EU SILC überdurchschnittlich belastet. Allerdings fällt der Unterschied je nach Wohnort relativ gering aus: In Städten erleben 27,9 Prozent aller Armen, aber auch 22,9 Prozent der Gesamtbevölkerung Gewalt und Vandalismus in ihrer Umgebung. WSI-Forscher Seils sieht eine mögliche Erklärung darin, dass die Siedlungsdichte und die gemeinsame Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs in den Städten zu einer Angleichung der Wahrnehmung zwischen den Einkommensgruppen führen. Auf dem Lande berichten insgesamt nur 5,9 Prozent von solcher Kriminalität, während es unter den Einkommensarmen immerhin 9,4 Prozent sind.
  • Der Mangel an sanitären Anlagen scheint hingegen in Deutschland überwunden. Selbst unter den Einkommensarmen hat nur jeder 1.000ste kein WC in der Wohnung. In Rumänien sind es hingegen 32,6 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Weitere Informationen:

Eric Seils, Jutta Höhne: Relative Einkommensarmut und realer Mangel (pdf). Eine Kurzauswertung aktueller Daten von Eurostat. WSI Policy Brief 16, November 2017 und alle Daten zum Download.

Kontakt:

Dr. Eric Seils
WSI, Sozialexperte

Rainer Jung
Leiter Pressestelle

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