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HBS Böckler Impuls

Umwelt: Fairer Wandel mit Klimaprämie

Ausgabe 13/2019

Damit die Energiewende gelingt, sollte die Politik CO2-Emissionen besteuern. Das IMK hat untersucht, wie das ohne soziale Verwerfungen geht.

 Dass es ökologisch sinnvoll wäre, den Verbrauch fossiler Brennstoffe zu verteuern, gilt als unstrittig. Dass es politisch riskant sein kann, die sozialen Auswirkungen zu vernachlässigen, haben die Gelbwesten-Proteste in Frankreich gezeigt. Entscheidend für das Gelingen einer CO2-Steuer sei, dass sie einerseits den Ausstoß von Kohlendioxid verringert, andererseits Haushalte mit unterdurchschnittlichem  Einkommen nicht zusätzlich belastet, erklären Sebastian Gechert, Katja Rietzler, Sven Schreiber und Ulrike Stein. Die IMK-Forscher haben in einem Gutachten für das Bundesumweltministerium analysiert, wie das zu schaffen ist. Sie kommen zu dem Schluss, dass eine Kombination aus CO2-Steuer und „Klimaprämie“ grundsätzlich eine sozialverträgliche Lösung wäre, und empfehlen zusätzlich Übergangsregelungen für Pendler.

Eine Steuer auf Kohlendioxid hätte zum Ziel, den Verbrauch fossiler Brennstoffe zu verringern und so den Klimaschutz voranzubringen, schreiben die IMK-Experten. Das Problem: Eine solche Steuer wäre „regressiv“, das heißt, sie würde Geringverdiener im Verhältnis zu ihrem Einkommen stärker belasten als Wohlhabende. Das liege daran, dass sich an bestimmten Grundbedürfnissen wie Heizung oder Warmwasser mit steigendem Einkommen nur wenig ändert. Zudem wohnten Geringverdiener häufiger in schlecht gedämmten Gebäuden mit veralteten Heizungen oder seien auf alte Autos mit hohem Spritverbrauch angewiesen. Um die Kluft zwischen den Einkommensschichten nicht noch weiter zu vergrößern, sei es nötig, die Einführung einer CO2-Steuer mit einer Entlastung der unteren Einkommen zu verbinden – ohne die Lenkungswirkung der Steuer zu konterkarieren.

Prinzipiell ein geeignetes Instrument dafür wäre dem Gutachten zufolge eine sogenannte Klimaprämie. Die Idee: Das Aufkommen aus der Besteuerung von CO2-Emissionen wird in Form eines einheitlichen Pro-Kopf-Betrags an alle Bürger ausgezahlt. Im Verhältnis zum Einkommen würde diese Auszahlung bei Geringverdienern höher ausfallen und damit dem regressiven Effekt der CO2-Steuer entgegenwirken. Eine zweite Variante sieht eine feste Klimaprämie von 100 Euro pro Jahr vor. Wenn die Einnahmen aus der CO2-Steuer die Auszahlungssumme übersteigen, soll mit dem überschüssigen Geld je zur Hälfte die Prämie aufgestockt und Strom über eine Senkung der EEG-Umlage verbilligt werden.

Um beziffern zu können, wie sich die Einführung einer CO2-Steuer mitsamt Klimaprämie auf die Einkommensverteilung auswirken würde, haben die IMK-Wissenschaftler unter anderem Daten des Sozio-oekonomischen Panels ausgewertet, die Informationen zu den Ausgaben privater Haushalte für verschiedene Energieträger beinhalten. Dabei sind sie von einer CO2-Steuer ausgegangen, die 2020 bei 35 Euro je Tonne Kohlendioxid liegt und bis 2030 schrittweise auf 180 Euro steigt. Der CO2-Ausstoß könnte dadurch bis 2025 um rund 33 Millionen Tonnen niedriger ausfallen, bis 2030 um rund 51 Millionen Tonnen.

  • Um den Ausstoß von Kohlendioxid sozialverträglich zu verringern, könnte man CO2-Emissionen besteuern und gleichzeitig pro Kopf eine feste Klimaprämie auszahlen. Zur Grafik
  • Ob ein Haushalt durch die Kombination von CO2-Steuer und Klimaprämie entlastet wird oder draufzahlt, hängt abgesehen vom Einkommen vor allem vom Mobilitätsverhalten ab. Zur Grafik

Den Berechnungen der Forscher zufolge kämen durch die CO2-Steuer im Jahr 2020 auf die privaten Haushalte im Schnitt direkte Mehrausgaben für Energieträger in Höhe von 89 Euro pro Person oder 0,45 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens zu. Da Unternehmen ihre eigenen Zusatzkosten zum Teil auf die Preise für andere Waren und Dienstleistungen überwälzen dürften, seien außerdem indirekte Mehrausgaben in Höhe von rund 20 Euro pro Person oder 0,1 Prozent des Nettoeinkommens zu erwarten. Wie zu erwarten, wären Geringverdiener überproportional betroffen: Beim ärmsten Zehntel summieren sich direkte und indirekte Effekte auf gut ein Prozent des Einkommens. 

Wenn die CO2-Steuer mit einer Klimaprämie kombiniert wird, ergibt sich dagegen ein anderes Bild: Unter dem Strich würden die unteren vier Zehntel der Einkommensverteilung entlastet. Das ärmste Zehntel hätte 2020 ein Plus von etwa 35 Euro oder 0,5 Prozent des Nettoeinkommens zu verbuchen. Bei den Haushalten im mittleren Bereich der Verteilung würden sich die Mehrausgaben durch die CO2-Steuer und die Prämienauszahlungen ausgleichen. Hohe Einkommen würden im Schnitt um 0,15 Prozent belastet. „Die Maßnahme insgesamt ginge also tendenziell mit einer Umverteilung von hohen zu geringen Einkommen einher“, heißt es im Gutachten.

Auch im Jahr 2030, wenn die volle CO2-Steuer in Höhe von 180 Euro pro Tonne fällig wird, kann zumindest das untere Fünftel laut IMK mit einer Nettoentlastung rechnen. Beim ärmsten Zehntel entspräche diese Entlastung 0,9 Prozent des Einkommens. Die mittleren Schichten würden um 0,3 Prozent belastet, die reichsten Privathaushalte um 0,45 Prozent. Etwas weniger progressiv fallen die Auswirkungen aus, wenn das Steueraufkommen teilweise zur Verbilligung von Strom verwendet wird. Die Ergebnisse seien zudem davon abhängig, dass die Energiekonzerne die Senkung der EEG-Umlage komplett an die Verbraucher weitergeben, so die Experten.

Ob ein Haushalt durch die Kombination von CO2-Steuer und Klimaprämie entlastet wird oder draufzahlt, hängt den Berechnungen des IMK zufolge abgesehen vom Einkommen vor allem vom Mobilitätsverhalten ab. Autofahrer – egal, ob Arbeitnehmer, Rentner oder Studierende – müssen in der Regel mit einem Minus rechnen. Eine Ausnahme stellen Haushalte mit mehreren Kindern dar, die davon profitieren, dass die Prämie pro Kopf ausgeschüttet wird. Insbesondere bei Pendlern, die mit dem Auto unterwegs sind, gleicht die Entlastung die zusätzlichen Kosten nicht aus. Die IMK-Forscher rechnen vor, dass 2030 nur noch dem ärmsten Zehntel der Pendler-Haushalte unter dem Strich mehr Geld bliebe. Die höchste Nettobelastung im Verhältnis zum Einkommen droht dem drittärmsten Zehntel. Der Grund: Die Betroffenen fahren bei verhältnismäßig geringem Einkommen verhältnismäßig viel Auto. 

Autofahrten zu verteuern, sei zwar grundsätzlich sinnvoll, um Verbraucher zu einem Umstieg auf weniger klimaschädliche Verkehrsmittel zu bewegen, so die Wissenschaftler. Ein Problem sehen sie allerdings darin, dass vor allem Pendler im ländlichen Raum momentan kaum Alternativen haben. Daher empfehlen sie, die Auswirkungen auf ärmere Pendler-Haushalte für einen Übergangszeitraum finanziell abzufedern, beispielsweise durch die Einführung eines Mobilitätsgelds, das anders als die Entfernungspauschale auch Geringverdienern zugutekäme, die wenig Einkommenssteuer zahlen. Gleichzeitig gelte es, den öffentlichen Personenverkehr massiv und rasch auszubauen. Zudem könnten Maßnahmen zur Verringerung des Verkehrsaufkommens wie beispielsweise Telearbeit gezielt gefördert werden.

Auch die Auswirkungen auf Empfänger von Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld II oder Grundsicherung im Alter sollten bedacht werden, mahnen die Autoren. Zwar gelte grundsätzlich, dass die entsprechenden Leistungen die Kosten der Unterkunft inklusive Heizung und Warmwasser abdecken. Zudem müssten erhöhte Kraftstoff- oder Benzinpreise eigentlich zu Anpassungen des Regelbedarfs führen, der sich an einem Referenzwarenkorb und dessen Preisentwicklung orientiert. Allerdings sei hier mit Verzögerungen zu rechnen. Wenn gleichzeitig die Klimaprämie ähnlich wie das Kindergeld mit der Sozialleistung verrechnet wird, drohe vielen Empfängern eine spürbare Zusatzbelastung. Inwieweit die Prämie bei der Bedarfsermittlung anzurechnen ist, sollte die Politik daher genau prüfen. 

Sebastian Gechert, Katja Rietzler, Sven Schreiber, Ulrike Stein: Wirtschaftliche Instrumente für eine klima- und sozialverträgliche CO2-Bepreisung, Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, IMK-Study Nr. 65, September 2019

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