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HBS Böckler Impuls

Kinderbetreuung: Nachts in der Kita

Ausgabe 18/2018

Kitas mit langen Öffnungszeiten können zu mehr Vereinbarkeit beitragen. Sie sind aber kein Ersatz für familienfreundliche Arbeitszeiten.

In manche Branchen ist rund um die Uhr Betrieb: Notaufnahmen, Schlüsseldienste und Hotels sind in der Regel 24 Stunden am Tag für ihre Kundschaft da. Auch in der Kinderbetreuung findet dieses Modell vereinzelt Nachahmer. Was davon zu halten ist, haben Svenja Pfahl, Laura Rauschnick und Stefan Reuyß vom Berliner SowiTra-Institut sowie Jürgen Rinderspacher von der Universität Münster mit Unterstützung der Hans-Böckler-Stiftung untersucht. Nach ihrer Einschätzung sind erweiterte Betreuungszeiten grundsätzlich geeignet, Eltern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern, ohne dass die Kinder Schaden nehmen. Unabhängig davon sei es Aufgabe der Betriebe, familienfreundliche Rahmenbedingungen sicherzustellen.

Da immer mehr Beschäftigte jenseits der Normalarbeitszeiten ihren Job machen müssen, gebe es ein erhebliches Interesse an Kitas mit erweiterten Öffnungszeiten, schreiben Pfahl und ihre Kollegen. Sie verweisen auf Berechnungen des Bundesfamilienministeriums, denen zufolge nur 46 Prozent der Eltern ausschließlich zwischen 8 und 17 Uhr auf Betreuungsangebote angewiesen sind. Kitas, die darüber hinaus geöffnet haben, sind noch vergleichsweise rar: Die Autoren der Studie haben im Frühjahr 2016 deutschlandweit zehn Einrichtungen ermitteln können, die 24-Stunden-Betreuung für Kinder im vorschulischen Alter anbieten. Drei Leiterinnen solcher Kitas konnten sie für ein Interview gewinnen. Darüber hinaus wurden Leiterinnen von Kitas mit deutlich erweiterten Öffnungszeiten – also vor 6:30 Uhr, nach 18 Uhr, an Wochenenden oder Feiertagen – befragt. Zusätzlich interviewt wurden betroffene Eltern, Kinder, betriebliche Akteure und Experten eines familienpolitischen Interessenverbands, einer universitären Familienberatung sowie einer Gewerkschaft.

Der Auswertung zufolge sind sich die befragten Eltern einig, dass berufliche Erfordernisse die Inanspruchnahme erweiterter Betreuungszeiten unumgänglich machen. Gleichzeitig berichten sie von einem gewissen Unbehagen. Das eigene Kind abends oder früh morgens abzugeben, gelte als begründungspflichtige Ausnahmeoption. „Im kollektiven Bewusstsein scheint eine Norm zu existieren, dass Kinder nur dann gut versorgt sind, wenn sie die Nacht im eigenen Bett verbringen“, so die Forscher.

Trotz anfänglicher Skepsis seien die Nutzer aber oft schnell überzeugt. Ein Grund: Die Dauer der Betreuung ändert sich in der Regel nicht, es findet lediglich eine Verschiebung auf der Zeitachse statt. Üblich sind feste Regeln für Ausgleichszeiten: Wer am Wochenende in die Kita geht, hat an einem anderen Tag frei, wer übernachtet, verbringt den nächsten Tag zu Hause. Vor diesem Hintergrund scheinen die meisten Kinder auch mit ungewöhnlichen Betreuungszeiten gut zurechtzukommen und Übernachtungen im Einzelfall sogar als „besonderes Abenteuer“ zu empfinden, heißt es in der Studie. Die bedarfsgerechte Betreuung trage zudem zur Entlastung der Eltern bei, was sich wiederum positiv auf den Nachwuchs auswirkt: „Sind die Eltern entspannt und zufrieden, überträgt sich das auch auf die Kinder.“

Alles in allem gehen die Befragten davon aus, dass erweiterte Betreuungszeiten nicht schädlicher sind für das Kindeswohl als die regulären Zeiten. Eine Reihe von Voraussetzungen müsse allerdings erfüllt sein. Zum einen brauche es geeignete pädagogische Konzepte. Das funktioniere nur mit kleinen Gruppen, stabilen Bezugspersonen und ausreichend Personal. Die Anforderungen an die Qualifikation der Erzieherinnen erhöhten sich dabei. Daher seien mehr Aus- und Weiterbildung, ausreichend Vor- und Nachbereitungszeit und eine angemessene Entlohnung unverzichtbar. Die befragten Erzieherinnen sprechen sich außerdem dafür aus, den Kreis der Anspruchsberechtigten auf diejenigen Eltern zu beschränken, die tatsächlich eine gesellschaftlich notwendige Arbeit mit atypischen Arbeitszeiten ausüben. Zudem brauche es feste Obergrenzen für die Dauer der Betreuung: Kein Kind sollte mehr als zehn Stunden pro Tag oder 40 Stunden pro Woche in der Kita verbringen.

Tatsächlich können längere Kita-Öffnungszeiten nach Ansicht der Wissenschaftler nur ein Baustein beim Lösen von Vereinbarkeitsproblemen sein. In erster Linie sehen sie die Arbeitgeber in der Pflicht: Diese sollten sich nicht nur an den Kosten der erweiterten Betreuungsangebote beteiligen, sondern  darüber hinaus Arbeitszeiten familienfreundlich gestalten. Denkbar wäre, betreuungspflichtige Beschäftigte per Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung von der Arbeit am sehr frühen Morgen, am Abend oder in der Nacht freizustellen. Zudem sollte ihnen Homeoffice ermöglicht werden.

  • Viele Arbeitnehmer müssen am Wochenende ran. Zur Grafik

Svenja Pfahl, Laura Rauschnick, Stefan Reuyß, Jürgen Rinderspacher: Kinderbetreuung über Nacht, Study der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 382, März 2018

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