Quelle: HBS
Böckler ImpulsVerteilung: Was Armut bedeutet
Wer hierzulande unter der Armutsgrenze lebt, muss im Alltag oft mit gravierenden Entbehrungen kämpfen.
Armut ist relativ, zumindest in der amtlichen Statistik. Als gefährdet gelten Haushalte, die weniger als 60 Prozent des mittleren bedarfsgewichteten Einkommens zur Verfügung haben. Was sich konkret hinter diesem abstrakten Konzept verbirgt, zeigt eine Auswertung von WSI-Forscher Eric Seils: Arme können beispielsweise seltener ausreichend heizen und haben öfter feuchte Wände.
Seils hat für seine Studie Daten des Europäischen Statistikamts Eurostat analysiert. In Deutschland lag die Armutsschwelle für eine alleinstehende Person 2015 bei einem verfügbaren Einkommen von maximal 1064 Euro im Monat. Den aktuellen Zahlen zufolge sind 16,5 Prozent aller Menschen in der Bundesrepublik armutsgefährdet. Besonders hoch ist die Quote mit knapp 71 Prozent unter Arbeitslosen und mit 32,5 Prozent unter Alleinerziehenden.
Auch wenn die relative Armutsgrenze im reichen Deutschland höher liege als in Süd- oder Osteuropa, hätten arme Menschen auch hierzulande oft große Schwierigkeiten, am normalen gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, erklärt der WSI-Sozialexperte. Das zeige ein Blick auf verschiedene Belastungen und „Mangellagen“.
Feuchtigkeit in den Wänden oder Schimmel im Fensterrahmen ist für 21,3 Prozent der Einkommensarmen ein Problem. Von den übrigen Befragten sind 11,5 Prozent betroffen. Ein Grund dafür könnte unzureichendes Heizen sein. 12,4 Prozent der Menschen mit einem Einkommen unter der Armutsgrenze haben Schwierigkeiten, ihre Wohnung angemessen zu beheizen. Beim Rest der Bevölkerung sind es nur zwei Prozent.
Der Anteil derjenigen, die in den vergangenen zwölf Monaten bei Zahlungen an Versorgungsbetriebe, Hypotheken oder Ratenkäufen in Rückstand geraten sind, fällt unter den Einkommensarmen mit 10,3 Prozent dreimal so hoch aus wie unter den anderen Befragten. Auch durch Lärm aus der Umgebung, Vandalismus oder Kriminalität in ihrem Wohnumfeld sind Arme überdurchschnittlich belastet.
Eric Seils, Jutta Höhne: Relative Einkommensarmut und realer Mangel (pdf), WSI Policy Brief Nr. 16, November 2017