Projektbeschreibung
Kontext
Blockchains haben sich von einem Nischenthema zu einem vielversprechenden Technologietrend entwickelt. Ihr disruptives Potenzial entfalten Blockchains hauptsächlich durch den Wegfall von zentralen, beglaubigenden Instanzen, die sich auf das Vertrauen der teilnehmenden Individuen stützen. Neue Formen hierarchiearmer Kooperation sowie gleichberechtigter Organisation von Entscheidungs- und Entwicklungsprozessen werden gefördert. Die individuelle Verwirklichung in Netzwerkarchitekturen erhebt den Anspruch an die Stelle erstarrter Organisationsformen treten zu können. Zukünftig sollen Blockchains nicht nur beim digitalen Zahlungsverkehr zum Einsatz kommen, sondern auch zur Verwaltung von Vertragsabschlüssen, Verwaltungsdaten, oder Wahlinformationen. Darum galt es zu klären, ob die Blockchain den hochgesteckten Erwartungen, die derzeit an sie gestellt werden, gerecht werden kann und welche der angekündigten Veränderungen wirklich den organisationalen Alltag betreffen.
Fragestellung
Chancen und Risiken der Blockchain für die Zukunft der Organisations- und Arbeitswelt waren noch wenig erforscht. Im Rahmen des Forschungsprojekts sollten daher folgende Fragen beantwortet werden:
1. Welche Chancen und Risiken der Digitalisierung für die Zukunft von Arbeit und Organisation lassen sich am Fallbeispiel der Blockchaintechnologie identifizieren und thematisieren?
2. Welche Akteur*innen und Wissensformen werden von dieser Entwicklung gestärkt? Wer sind die Verlierer*innen dieser Entwicklung?
3. Wie profitieren bestimmte Akteur*innen von dieser Entwicklung, wie werden andere ausgeschlossen?
4. Wie werden Fragen der Verantwortung und Verantwortlichkeit in solchen dezentralen Strukturen ausgehandelt?
Untersuchungsmethoden
Die Datenerhebung fand vorrangig durch semi-strukturierte Interviews mit Akteur*innen in Organisationen, die die Blockchain-Technologie anwenden, statt. Relevante Dokumente und Artikel sowie das Interviewmaterial wurden mit einem Grounded-Theory-Ansatz ausgewertet. Um die Akteurstypen, die bei der Entwicklung und Verbreitung der Blockchain-Technologie eine Rolle spielen, zu erfassen, haben wir an zahlreichen Veranstaltungen zu Blockchains teilgenommen, sowie selbst einen Workshop organisiert. Dabei wurden mit den Praxispartner*innen Facetten der Digitalisierung aufgearbeitet sowie Konflikte und Kooperationspotenziale ausgeleuchtet. Insbesondere im Hinblick auf die theoretische Auswertung des empirischen Materials war das Projekt transdisziplinär ausgerichtet. Es wurden ökonomische und sozialwissenschaftliche Ansätze der Organisationsforschung eingesetzt, um die Befunde aus den Interviews zu theoretisieren sowie Erkenntnisse über das Zusammenspiel von Organisationen und Digitalisierung.
Darstellung der Ergebnisse
Blockchains haben sich in unserer Forschung als hochambivalent erwiesen. Wir konnten nicht feststellen, dass die großen Demokratisierungsversprechen eingelöst werden konnten. Solche Ansprüche sind in den Narrativen von Menschen, die mit Blockchains arbeiten, zwar dauerpräsent, faktisch bevorzugen die Beteiligten individualisierte Gestaltungsspielräume, die sie sich über die Technologie erschließen. Dadurch werden vereinzelt neue Räume der Mitgestaltung erschlossen, jedoch kaum demokratische Räume der Mitbestimmung. Mitgestaltungsräume für eine beschränkte Zahl von Akteur*innen finden sich beispielsweise in den Innovationslaboren etablierter Unternehmen. In Bereichen wie der Start-Up-Szene ergibt sich ein höchst ambivalentes Bild. Dort lassen sich durchaus Momente der Selbstverwirklichung feststellen, aber auch der Prekarisierung. In Bezug auf die Technologie direkt hat sich gezeigt, dass ihre Potenziale überschätzt werden und Anwendungen in der Praxis weiterhin selten sind. Dennoch kommen wir zu dem Schluss, dass Mitbestimmungsakteur*innen Blockchains nicht gänzlich ignorieren können, weil die sie umgebenden Narrative und Mythen reale organisationale Veränderungen anstoßen können.