Projektbeschreibung
Kontext
Immer mehr Unternehmen setzen Big-Data-Methoden und algorithmische Verfahren in der Produktion und zunehmend auch in der Betriebsführung ein. Dadurch verändern sich Machtstrukturen in den Unternehmen. Herkömmliche Formen der Mitbestimmung und Teilhabe greifen zunehmend schlechter. Was gestern Resultat eines Aushandlungsprozesses war, wird heute zunehmend durch eine Datenanalyse scheinbar objektiviert. Viele Studien sehen daher die betriebliche Mitbestimmung im Zuge der Digitalisierung in Gefahr. Ein differenzierter Blick offenbart, dass sich durch die zunehmende Abhängigkeit der Unternehmen von Big-Data-Auswertungen und KI-Analysen neben den Herausforderungen auch neue Chancen für betriebliche Mitbestimmung ergeben. Denn über Algorithmen lässt sich sehr wohl verhandeln, und die darüber scheinbar hergestellte Objektivität kann hinterfragt werden, wenn ein offener Austausch zwischen betrieblichen Anwender*innen und Entwickler*innen besteht.
Fragestellung
Wie kann die betriebliche Mitbestimmung gestärkt und unterstützt werden, wenn Unternehmen in immer mehr Bereichen von Big-Data-Anwendungen und KI-Analysen abhängig sind? Die bis dato stattgefundenen Untersuchungen hatten sich in erster Linie mit den Risiken der Digitalisierung für gute Arbeit beschäftigt. Wie betriebliche Mitbestimmung auf die Herausforderung dieser veränderten Arbeitswelt und ihrer Auswirkungen auf die Arbeitnehmer*innen reagieren kann, wurde darin bisher nicht behandelt. Die betrieblichen Umstrukturierungsprozesse auf Basis von Datenanalysen bieten allerdings auch die Chance, im Sinne der Mitbestimmung in die Betriebssteuerung einzugreifen: Sofern Betriebsräte und Arbeitnehmer*innen in die Lage versetzt werden, sich auf diese neuen Verhältnisse einzustellen. Dafür muss ein grundlegendes Verständnis für die Big-Data/KI-Analyse und deren Potenziale bei betrieblichen Mitbestimmungsakteur*innen geschaffen werden.
Untersuchungsmethoden
Unter der Anwendung von „reverse engineering“ und „resampling“ Methoden wurden Big-Data-Auswertungen untersucht und auf ihre Validität überprüft. Da die betriebliche Mitbestimmung im Zentrum des Forschungsvorhabens stand, war der Austausch mit Betriebsrät*innen von besonderer Bedeutung. Dazu wurden Workshops mit über 40 Betriebsrät*innen aus digitalen Unternehmen (sowohl Konzerne als auch KMU) durchgeführt. Dabei stand die Vermittlung und das Verständnis für Datenanalysepotenziale und die damit verbundenen algorithmischen Analysesysteme im Vordergrund. Gemeinsam mit den Betriebsrät*innen wurden Handlungsfelder identifiziert, die anhand der Thematik die betriebliche Mitbestimmungsperspektive in den Blick genommen und kritisch hinterfragt wurden. In zwei Beispielen aus der Praxis und einer umfassenden Auswertung für das I.M.U. wurden bestehende Regelungen analysiert und Empfehlungen für zukünftig Betriebsvereinbarungen zum Thema „Big-Data/KI-Auswertungen und Analysesoftware“ entwickelt.
Darstellung der Ergebnisse
Zunächst wurde die Fachliteratur aus unterschiedlichen Bereichen in Bezug auf die Anwendung von Big Data in deutschen Unternehmen analysiert. Anschließend ist anhand eines authentischen Datensatzes die Rekonstruktion und Simulation eines Lehrbeispiels der Anwendung IBM-Watson Analytics erfolgt. Ziel dieser technischen Analyse war es, die algorithmische Kombinatorik sichtbar zu machen, um ein Verständnis dafür zu schaffen, wie der Algorithmus die Daten verarbeitet und welche Ergebnisse daraus entstehen. In einem dritten Schritt wurden auf der Basis der bisherigen Erkenntnisse und dem Austausch mit Betriebs*rätinnen, die Ergebnisse auf die Ebene der Betriebsratsarbeit überführt und verschiedene praxisorientierte Angebote erarbeitet. Herauszuheben sind hier die praktische Empfehlungen zur betrieblichen Mitbestimmung rund um die Themen „künstliche Intelligenz“ (KI) und „machine learning“. Daneben sind die Werbeanzeigen von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden anhand der 2019 entstandenen Ads-Library von Facebook verglichen worden. Ziel dieser Auswertung war es, die unterschiedlichen Werbestrategien bei der Verbreitung politisch relevanter Inhalten sichtbar zu machen.