Projektbeschreibung
Kontext
Zwei wesentliche Entwicklungstendenzen bildeten den Hintergrund des Projekts:
(1) Berlin entwickelt sich – ähnlich wie andere Metropolen – überdurchschnittlich positiv, sowohl was die Bevölkerungszahlen angeht als auch hinsichtlich der Wirtschaftsleistung. Neben den Dienstleistungen ist dabei offenbar die Industrie wieder zu einem Treiber des städtischen Wachstums geworden.
(2) Innerhalb der Industrie vollziehen sich Veränderungen wie die Internationalisierung der Innovationsaktivitäten oder die weitere Digitalisierung der Produktion und ihre Vernetzung über komplette Wertschöpfungsketten hinweg. Von diesen Entwicklungen werden auch starke Rückwirkungen auf die Standortanforderungen und -muster der Industrie ausgehen.
Nicht nur in Berlin rückt entsprechend in der politischen Diskussion die Industrie als Treiber städtischen Wachstums wieder in den Vordergrund.
Fragestellung
Bezugnehmend auf das oben beschriebene zentrale Projektziel wurden im Detail drei Fragestellungen bearbeitet:
- Wie stellt sich die derzeitige Lage und die Entwicklung der Berliner Industrie im Vergleich mit anderen Metropolen in Europa und Deutschland dar?
- Welche spezifischen urbanen Rahmenbedingungen spielen für innovative Entwicklungen in der Industrie eine Rolle und welche entsprechenden Standortvorteile und Entwicklungshemmnisse weist Berlin auf?
- Wie wäre ein industriebasierter Entwicklungsprozess in Berlin wirtschaftspolitisch sowohl durch Verbesserungen der Rahmenbedingungen für urbane industrielle Entwicklung als auch durch spezifische sektorale Entwicklungsstrategien zu unterlegen? Welche Rolle können die Politik und andere Akteure, wie z.B. Arbeitgeberverbände, Kammern und Mitbestimmungsträger bei der Entwicklung eines Handlungskonzepts zur Ausschöpfung industrieller Potenziale spielen?
Untersuchungsmethoden
Die Erkenntnisgewinnung erfolgte über zwei wesentliche Zugänge:
- Zum einen wurden die Lage und die Entwicklung des Industriestandorts Berlin im Rahmen quantitativer Untersuchungsmethoden auf Basis sekundärstatistischer Daten und amtlicher Firmendaten nachgezeichnet. Dabei erfolgte ein Vergleich mit anderen europäischen und deutschen Agglomerationen sowie die Darstellung von Alleinstellungsmerkmalen Berlins.
- Zum anderen wurde über ein qualitatives Untersuchungsdesign mit Experteninterviews eine Abschätzung von allgemeinen Standortanforderungen für industrielles Wachstum in urbanen Räumen vorgenommen sowie die Ausstattung Berlins mit entsprechenden Standortvorteilen und Entwicklungshemmnissen identifiziert.
Durch Zusammenführen der empirischen Erkenntnisse wurden Entwicklungsperspektiven für den Industriestandort Berlin abgeleitet und Handlungsoptionen für eine Unterstützung durch Industriepolitik und Wirtschaftsförderung formuliert.
Darstellung der Ergebnisse
Für eine Renaissance der Großstädte als Industriestandorte spricht neben der hohen Produktivität und der hohen Fachkräfteverfügbarkeit das Gründungsgeschehen in der Industrie. Die industrielle Gründungsintensität liegt in den großen Agglomerationen um fast 40 Prozent über den im Rest der Republik. Spitzenreiter bei den industriellen Gründungen ist Berlin. Eine besondere Dynamik weisen Branchen der Spitzentechnologie auf, aber auch in vielen konsumorientierten Industrien erneuert sich die Unternehmenslandschaft stark. Ihre Funktion als Wachstumsmotor wird die Industrie aber nur erfolgreich übernehmen können, wenn auch die digitale Transformation der industriellen Bestände gelingt. Die Analysen zeigen am Beispiel Berlins einen großen Anpassungsbedarf in den Bereichen industrieorientierter Gesundheitswirtschaft und Energietechnik. Gleichzeitig ist in international agierenden Konzernstrukturen die Bereitschaft, nach neuen Aufgaben und Produkten an den vorhandenen Standorten zu suchen, gering. Allerdings ergeben sich für die etablierten Firmen durch die Verknüpfung mit der aktiven Gründerszene neue Chancen. Als Erfolgsbeispiel könnte sich der geplante Siemens-Campus in Berlin erweisen.