Forschungsprojekt: Gender time gap

Geschlechtsspezifische Arbeitszeitprofile im europäischen Vergleich - die Rolle von Geschlechterleitbildern als Erklärungsfaktoren für Unterschiede in der Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen und Männern

Projektziel

Die Frage der weiblichen Arbeitsmarktpartizipation wird in den Ländern der EU auf unterschiedliche Weise gelöst. Vor allem Müttererwerbstätigkeit wird meist durch die Implementierung von Teilzeitangeboten realisiert. Ziel des Forschungsprojekts ist es, diejenigen Faktoren (individuell, betrieblich, staatlich) zu identifizieren, die zu einer Erhöhung der Arbeitszeit von Frauen und Müttern führen.

Veröffentlichungen

Kümmerling, Angelika, Dominik Postels und Christine Slomka, 2015. Arbeitszeiten von Männern und Frauen - alles wie gehabt? Analysen zur Erwerbsbeteiligung in Ost- und Westdeutschland. Analysen zur Erwerbsbeteiligung in Ost- und Westdeutschland, IAQ-Report 2, , 22 Seiten.

Postels, Dominik, Christine Slomka und Angelika Kümmerling, 2014. Same System, same working time patterns of women in reunified Germany? Determinants of women's working time patterns in East- and West-Germany, [online] https://www.boeckler.de/pdf_fof/91347.pdf, zuletzt abgerufen am 13.12.2021Duisburg: Institut Arbeit und Qualifikation an der Universität Duisburg-Essen, 17 Seiten.

Projektbeschreibung

Kontext

Die steigende Erwerbsbeteiligung von Frauen in der EU gehört zu den wesentlichen arbeitsmarktbezogenen Veränderungen und Erfolgen der letzten Jahrzehnte. Der alleinige Blick auf die Beschäftigungsquote verschleiert jedoch die tatsächliche Arbeitsmarktintegration von Frauen, da sie keine Auskunft über das Ausmaß der Beschäftigung, d.h. die Arbeitszeit gibt. Betrachtet man zusätzlich zu den Erwerbsquoten auch die Arbeitszeit, fällt auf, dass in vielen Ländern Frauen nur über Teilzeit in den Arbeitsmarkt integriert sind. Da Teilzeitarbeit zwar positiv mit Vereinbarkeit aber negativ mit dem eigenen Einkommen, beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten und der Altersrente assoziiert ist, stellen insbesondere langfristige Teilzeitphasen ein Risiko dar. Das Projekt widmete sich daher der Frage, durch welche betrieblichen Faktoren oder wohlfahrtsstaatlichen Instrumente es gelingen kann, Frauen und insbesondere Mütter, besser und ohne längere Auszeiten in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Fragestellung

Im Zentrum des Projekts stand die Frage nach den Ursachen für länderspezifische Lösungen der weiblichen Arbeitsmarktpartizipation, insbesondere der von Müttern kleiner Kinder. Auf der Makroebene untersuchten wir die Wirkung institutioneller Rahmenbedingungen des Wohlfahrtstaates und der Familienpolitik, auf der Mesoebene wurden Arbeitszeitregelungen im betrieblichen Kontext analysiert und auf der Mikroebene prüften wir individuelle Eigenschaften und die Haushaltssituation. Wesentlich war zudem die Annahme, dass in einer Gesellschaft vorherrschende Geschlechterleitbilder eine Mediatorwirkung besitzen und zwischen den drei identifizierten Einflussfaktoren und den Arbeitszeiten im wechselseitigen Wirkungszusammenhang stehen. Unsere Hypothese lautete, dass politische und betriebliche Maßnahmen zur besseren Einbindung von Frauen in den Arbeitsmarkt (d.h. über die Arbeitszeit) dann ihre volle Wirkung entfalten können, wenn sie im Einklang mit bestehenden Geschlechterleitbildern stehen.

Untersuchungsmethoden

Im Rahmen des Projektes wurden quantitative Auswertungen durchgeführt. Als Grundlage dienten vier internationale Datensätze: Die Erfassung der weiblichen Erwerbsquote, der Arbeitszeiten und Vollzeitäquivalente erfolgt mit dem Labour Force Survey (LFS), für die Darstellung der Arbeitszeiten im Lebensverlauf griffen wir auf den LFS oder den European Working Conditions Survey zurück (EWCS). Die Verbreitung familienfreundlicher Arbeitsplatzangebote wurde durch den European Company Survey abgebildet. Geschlechterleitbilder wurden mittels der Daten des European Social Surveys (ESS) konstruiert und anschließend in Bezug zur weiblichen Erwerbstätigkeit gesetzt. Zudem nutzten wir verschiedene Datenquellen (OECD, WZB, Eurostat) um die institutionellen Rahmenbedingungen der Länder abzubilden. Neben ausführlichen deskriptiven Analysen stand die Hypothesentestung mittels eines mehrebenenanalytischen Designs, die wir mit HLM durchgeführt haben, im Mittelpunkt des Projekts.

Darstellung der Ergebnisse

Weibliche Arbeitszeiten sind die Funktion eines komplexen Zusammenspiels individueller und makrostruktureller Faktoren:

Das Leben in einer Partnerschaft und/oder Kinder im Haushalt reduziert die Arbeitszeiten von Frauen. Finanziell kompensierte Elternzeit und individuelle Besteuerung von Paaren erhöhen die Arbeitszeit. In Ländern mit einer hohen Inanspruchnahme öffentlicher Kinderbetreuungseinrichtungen ist die Arbeitszeit kürzer. In Ländern mit starker Verbreitung von Betrieben mit Gleitzeit o.ä., ist die Arbeitszeit von Frauen ebenfalls kürzer. Die Wirkung von Makrostrukturen wird jedoch durch länderspezifische Geschlechterleitbilder beeinflusst: Gleitzeit und Kinderbetreuung führen zu einer Erhöhung weiblicher Arbeitszeit, wenn die länderspezifische Geschlechterkultur progressiv ist.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass Arbeitszeiten von Frauen keine bloße Reaktion auf makrostruktuelle Gegebenheiten sind. Die Verbreitung von Kinderbetreuungseinrichtungen oder flexiblen AZ scheinen eine notwendige aber keine hinreichende Bedingung für Erwerbstätigkeit der Frau darstellen: aber um tatsächlich auch die Arbeitszeit erhöhen, bedarf es zusätzlich einen Wandel der Geschlechterrollen.

Projektleitung und -bearbeitung

Projektleitung

Dr. Angelika Kümmerling
Universität Duisburg Essen Institut Arbeit und Qualifikation
angelika.kuemmerling@uni-due.de

Bearbeitung

Christine Slomka
Universität Duisburg-Essen Institut Arbeit und Qualifikation IAQ
Arbeitszeit und Arbeitsorganisation
christine.slomka@uni-due.de

Dominik Postels
Universität Duisburg Essen
Dominik.Postels@uni-due.de

Kontakt

Christina Schildmann
Hans-Böckler-Stiftung
Forschungsförderung
Christina-Schildmann@boeckler.de

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