Forschungsprojekt: Prekarität und Solidarität

- Ein handlungsorientiertes Forschungsproj. z. Förd. der Zusammenarbeit aller Ebenen der Arbeitnehmervertretung u. der Eröffnung u. Intensivierung partizipativer Strukturen für prekär beschäftigte Arbeitnehmer

Projektziel

Prekarisierung und die Zunahme atypischer Beschäftigung setzt alle unter Druck, nicht nur die unmittelbar prekär Beschäftigten. Wie dieser Prozess erlebt und interpretiert wird und wie Bereitschaft oder Ablehnung gemeinsamen Handelns begründet wird, versuchen wir mit den Betroffenen aufzuklären. Hindernisse aber auch Chancen für eine Solidarisierung werden so sichtbar und konkret.

Projektbeschreibung

Kontext

"Gemeinsam sind wir stark" - warum handeln wir dann immer weniger gemeinsam? Lebens- und Arbeitsbedingungen verschlechtern sich für immer mehr Menschen. Das "Wir", auf das sich gemeinsames widerständiges Handeln bezieht, wird gleichzeitig fragmentierter. Atypische Beschäftigungsformen und Instrumente indirekter Arbeitssteuerung produzieren Spaltungslinien innerhalb der Belegschaften. Branchen- und Fachgewerkschaften geraten zunehmend in Konkurrenz um Mitglieder. Lösungsansätze, die nicht gegen diese Spaltungslinien und Konkurrenzen vorgehen, tragen zu einer weiteren Entsolidarisierung bei. Doch es gibt vermehrt Ansätze zur Beteiligungsorientierung in Betrieben und Gewerkschaften und zu branchen-, beschäftigungsgruppen- und betriebsübergreifendem Denken und Handeln. Ob die Krise der Mitbestimmung zu einer langfristigen Schwächung oder einer Resolidarisierung und neuen Stärke der Arbeitnehmer führt, ist eine für unser zukünftiges Arbeitsleben zentrale, aber noch offene Frage.

Fragestellung

Welche Möglichkeiten und Behinderungen bestehen bei der Suche nach gemeinsamen Zielsetzungen und Handlungsstrategien, wenn die Beteiligten zwar unter denselben strukturellen Bedingungen leben und arbeiten, deren Auswirkungen hinsichtlich der zu bewältigen Probleme und zu ertragenden Belastungen jedoch unterschiedlich erlebt werden.

Ist es möglich, mit von Prekarisierung direkt und indirekt Betroffenen aus ihren unterschiedlichen Arbeits- und Lebensrealitäten heraus gemeinsame Ziele zu formulieren, die einerseits von ihnen mit Überzeugung und Engagement getragen werden können und andererseits geeignet sind, notwendige strukturelle Veränderungen zu initiieren? Welche Schwierigkeiten ergeben sich dabei?

Von wem erwarten die Beteiligten Solidarität? Von wem nicht und warum? Mit wem fühlen sie sich solidarisch? Mit wem nicht und warum? Welche Handlungsbehinderungen und welche Handlungsmöglichkeiten ergeben sich aus den aufgefundenen Solidaritätskonzepten?

Untersuchungsmethoden

Um möglichst unterschiedliche Lebens- und Arbeitsbedingungen in unsere Forschung einzubeziehen, kommen unsere Gesprächspartner aus unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnissen, verschiedenen Bundesländern, mehreren Ebenen der Arbeitnehmervertretung, verschiedenen Branchen und in Größe und Struktur unterschiedlichen Betrieben.

Es wurden 35 offene Gespräche geführt, aufgenommen und transkribiert. Ein Gesprächsleitfaden stellte sicher, dass hinreichend Gesprächsangebote entlang der von uns gesetzten analytischen Kategorien (Belastungen/Behinderungen, Ziele, Bewältigungsstrategien, Solidaritätsvorstellungen, Zusammenhangswissen) gemacht wurden. Drei Gespräche mit Gewerkschaftssekretären wurden als Experteninterviews behandelt. Von neun Gesprächen wurden Einzeldarstellungen erarbeitet, die uns sowohl ermöglichten, Begründungsmuster und Solidarkonzepte herauszuarbeiten als auch die Chance boten, zumindest einen Teil unserer Gesprächspartner in den analytischen Prozess einzubinden.

Darstellung der Ergebnisse

Gleiche Zielnennungen sind kein Indikator für Ziele, die man gemeinsam in einem Solidarbündnis verfolgen kann. Dazu sind Lösungsansätze nötig, die diese Ziele für alle verwirklichen wollen und nicht für einzelne Beschäftigungsgruppen auf Kosten anderer. Wenn Lösungsansätze das nicht berücksichtigen, verschärfen sich die Interessengensätze. Inwieweit Ziele verbindend oder trennend sind, entscheidet sich auf der Handlungsebene.

Fehlendes Verständnis von Interessenskonstellationen und damit eine fehlende Verortung in diesen erschweren die Vermittlung übergreifender Zielsetzungen, die verbinden und Konkurrenz überwinden könnten.

Entsprechende Lernprozesse finden am ehesten im gemeinsamen, beteiligungsorientierten und an konkreten Problemsituationen ansetzendem Handeln statt. Dazu fehlen Betriebsräten und Gewerkschaftern oft die Ressourcen, das Handlungswissen und die Fähigkeit, sich selbst in Interessenkonstellationen zu verorten.

Gewerkschaftliches Handeln und gewerkschaftliche Positionierung werden oft als uneindeutig und undurchsichtig wahrgenommen. Erfolgreiche Solidarisierung setzt voraus, dass innerhalb der Gewerkschaften Konkurrenzen überwunden werden können.

Projektleitung und -bearbeitung

Projektleitung

Jan Dagmar Aleith
Franz Künstler e.V. Verein für Arbeitnehmerbildung
jan.aleith@gmx.de

Kontakt

Dr. Stefan Lücking
Hans-Böckler-Stiftung
Forschungsförderung
stefan-luecking@boeckler.de

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