Forschungsprojekt: Governance des Einkommensmix

: Geringfügige Beschäftigung plus ALG II-Bezug

Projektziel

Das Projekt will die Governance des Einkommensmix aus Erwerbseinkommen im Rahmen geringfügiger Beschäftigung und Transfereinkommen in Form von Arbeitslosengeld II (ALG II) näher beleuchten. Dabei soll überprüft werden, inwiefern sich die Kombination von Minijob und ALG II Bezug als Risikolage für spezifische Gruppen verfestigt.

Veröffentlichungen

Dingeldey, Irene, Peter Sopp und Alexandra Wagner, 2012. Governance des Einkommensmix: Geringfügige Beschäftigfung im ALG-II-Bezug, WSI Mitteilungen, 1, S. 32-40.

Projektbeschreibung

Kontext

Die Zahl der geringfügig Beschäftigten ist seit der Re-Regulierung dieser Beschäftigungsform als "Minijob" (Erhöhung der Einkommensgrenze bis zu 400 Euro im Monat) im Zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt mit Wirkung zum 1.4.2003 exponentiell gestiegen. Eine zahlenmäßig relevante Gruppe kombiniert dabei einen Minijob mit ALG II. Diese Gruppe (in 2008 waren es 717 Tsd.) stellt etwa die Hälfte der so genannten Aufstocker, d.h. der Leistungsbezieher im ALG II mit Erwerbseinkommen . Der besondere "Vorteil" für diese Gruppe liegt in der Inanspruchnahme der im ALG II geregelten anrechnungsfreien oder nur bedingt anzurechnenden Hinzuverdienste.

Die damit aufgezeigte, zunehmende Relevanz einer Kombination von Transferleistungen und (geringfügiger) Beschäftigung kann als neue und spezifische Form der Governance eines Kombi-Einkommen in Deutschland verstanden werden.

Fragestellung

1. Welche konkreten Interessen/Motive bewegen die ALG II-Bezieher, einen Minijob anzunehmen?

2. Wie setzt sich die Gruppe der Minijob-Aufstocker zusammen? Wie dauerhaft ist die Konstellation der Kombination von Minijob und Transfereinkommen?

3. Wie gestalten sich die konkreten Beschäftigungsbedingungen der Minijob-Aufstocker?

4. Bestätigen sich Annahmen, dass die Kombination ALG II-Bezug plus Minijob von Arbeitgebern und Arbeitnehmern verstärkt genutzt wird, um irreguläre Mehrarbeit/Mehreinkommen zu kaschieren?

Untersuchungsmethoden

Die Literatur- und Dokumentenanalyse lieferte die Basis für die Skizzierung der gesetzlichen Grundlagen und die Erstellung der Interviewleitfäden.

Es wurden im zweiten Quartal 2010 insgesamt 11 Leitfadeninterviews mit ALG II-Beziehern und 2 Interviews mit Fallmanagern der Bremer Arbeitsgemeinschaft (ARGE) geführt, um insbesondere die Interessen- und Motivlage der Leistungsbezieher für die Annahme von Minijobs in Verbindung mit ALG II Bezug in Bremen zu analysieren. Ferner wurde anhand quantitativer Analysen des sozio-ökonomischen Panels (SOEP) sowie des Panels "Arbeitsmarkt und soziale Sicherung" (PASS) am Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) die spezifischen Merkmale der Aufstocker sowie deren Haushaltssituation erhoben. In Längsschnittanalysen wurden ferner der Beschäftigungs- und Arbeitslosigkeitsverlauf untersucht. Ermittelt wurde dabei die Verfestigung der entsprechenden Risikolagen. Ziel war es, spezifische Motivlagen der Inanspruchnahme zu identifizieren.

Darstellung der Ergebnisse

- Die PASS-Auswertung zeigte, dass der Anteil der Mini-Jobber/innen im ALG II-Bezug von 11,7 % in 2007 auf 16,5 % 2008 anstieg. Für Frauen war der entsprechende Anteil etwa doppelt so hoch wie bei Männern: 8,2 % zu 20,2 % (2008).

- Der monatliche Verdienst im Mini-Job bei ALG II-Bezieher/innen liegt bei durchschnittlich 194 Euro.

Eine Verstetigung der Situation der Aufstocker bestätigt sich im Rahmen der SOEP Analyse insofern, als 41 bis 60 % der Aufstocker mit Minijob auch im Folgejahr einen Minijob ausüben. Dabei wird eine hohe Teilzeitorientierung durch die starke Präsenz von Alleinerziehenden in dieser Gruppe erklärt.

- Die Auswertung der Interviews zeigt, dass die Verstetigung nicht auf Freiwilligkeit beruht. Insgesamt können drei Motivlagen unterschieden werden:

1. Hoffnung: Der Minijob als Übergang oder gar Brücke zur Reintegration in den Arbeitsmarkt

2. Sich Abfinden: Der Minijob als einzige Option der sozialen Teilhabe durch Arbeit

3. Sich Einrichten: Dominanz der Einkommensmaximierung durch den Minijob mit Tendenz zum Missbrauch.

Die Motivlagen korrespondieren stark mit individuellen Arbeitsmarktchancen. Die dritte Motivlage gilt als extrem und selten.

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