Forschungsprojekt: Leiharbeit in der Pflege

Flexibilisierung und Leiharbeit in der Pflege

Projektziel

Leiharbeit in der Pflege hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen, wenn auch auf quantitativ niedrigem Niveau. Ein weiterer Bedeutungsgewinn kann erwartet werden. Bislang lagen keine Forschungsergebnisse zur Leiharbeit speziell in der Pflege vor. Diese explorative Untersuchung beleuchtet das Feld aus verschiedenen Perspektiven und liefert erste Ergebnisse zum Thema.

Veröffentlichungen

Bräutigam, Christoph, 2010. Flexibilisierung und Leiharbeit in der Pflege, Arbeitspapier 215, Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung, 49 Seiten.

Bräutigam, Christoph, 2010. Leiharbeit in der Pflege, Forschung aktuell 10/2010, Gelsenkirchen: Institut Arbeit und Technik, 14 Seiten.

Projektbeschreibung

Kontext

Krankenhäuser, stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen sind einem wachsenden Druck zur Rationalisierung und Kostensenkung ausgesetzt. In den Kliniken wurden in den letzten Jahren zehntausende Stellen in der Pflege abgebaut. In der Folge der Arbeitsverdichtung ist die Belastung für die Beschäftigten deutlich gestiegen, Ausfälle können häufig kaum noch kompensiert werden. Dies gefährdet die Qualität der Versorgung entscheidend. Gleichzeitig zeichnet sich zunehmend ein Fachkräftemangel in der Pflege ab. In diesem Kontext steigt die Zahl der Einrichtungen, die auf Leiharbeit zurückgreifen; ein Instrument, das überwiegend im gewerblichen und industriellen Kontext Anwendung findet. Bisher liegen keine wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Charakteristika, Risiken und Chancen von Leiharbeit in der Pflege vor. Eine sachliche und differenzierte Auseinandersetzung mit der Thematik erscheint geboten. Die Studie bietet in diesem Zusammenhang eine erste Orientierung.

Fragestellung

Mit dieser explorativen Untersuchung sollen erste Hinweise zu folgenden Fragestellungen erarbeitet werden:

- Welche Typen von Personaldienstleistungsunternehmen sind in der Pflegebranche aktiv? Wie unterscheidet sich Leiharbeit in der Pflege hinsichtlich der nachgefragten Qualifikationen von anderen Branchen?

- Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede finden sich beim Einsatz von Leiharbeit in Krankenhäusern, Pflegeheimen und ambulanten Diensten? Welche Motive bestimmen den Rückgriff auf dieses Instrument aus der Perspektive der Entleihbetriebe? Welche Auswirkungen von Leiharbeit lassen sich in der Pflege identifizieren?

- Was sind die Motive der Beschäftigten zur Aufnahme von Leiharbeit? Wie stellt sich die Gehaltssituation von LeiharbeiterInnen gegenüber regulär Beschäftigten in der Pflege dar?

- Kann Leiharbeit einen Lösungsansatz zur Beseitigung des sich abzeichnenden Fachkräftemangels in der Pflege darstellen? Wie kann "gute Leiharbeit" in der Pflege aussehen?

Untersuchungsmethoden

Das methodische Vorgehen gliedert sich in mehrere Arbeitsschritte. In einem ersten Schritt wurde eine ausführliche Literatur- und Internetrecherche durchgeführt, um einen detaillierten Einblick in die Thematik und den Stand der Forschung zur Leiharbeit generell sowie zur Pflege speziell zu bekommen. In einem weiteren Schritt wurde via Internetrecherche eine Stellenanzeigenanalyse bei drei großen Leiharbeitsfirmen und drei weiteren Spezialanbietern durchgeführt. Um die Verdienstsituation der Leiharbeit im Vergleich zu regulären Arbeitsverhältnissen aufzuzeigen, wurden exemplarisch die Einkommen der üblichen Zeitarbeitstarife und des TVöD miteinander verglichen. Im nächsten Untersuchungsschritt wurden qualitative Experteninterviews mit folgenden Personen bzw. Institutionen durchgeführt: fünf Zeitarbeitsunternehmen, vier Entleihbetriebe, zwei Leiharbeitnehmerinnen, zwei Pflegefachkräfte, eine Gewerkschaftssekretärin für den Gesundheitsbereich, eine Personalrätin, eine Arbeitsagentur.

Darstellung der Ergebnisse

- Nur 19.250 LeiharbeitnehmerInnen sind den Gesundheitsberufen bei hoher Dynamik zuzurechnen: Die Zahl der Leiharbeitskräfte im Gesundheitswesen verfünffachte sich binnen weniger Jahre. Pflege wird nicht separat erfasst, dürfte aber einen Großteil ausmachen.

- Es dominiert im Unterschied zu anderen Branchen die Nachfrage nach qualifizierten, teilweise spezialisierten Fachkräften. Leiharbeit in Gesundheitsberufen wie der Pflege wird überwiegend von Frauen erbracht. Ein Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung zur Unterwanderung der regulären Tarife kommt auch in pflegerischen Arbeitsbereichen vor.

- Leiharbeit dient in der Pflege kaum der Kompensation von Auftragsspitzen, sondern ist letztes Mittel zur Aufrechterhaltung der Versorgung bei zu dünner Personaldecke. Die Qualität der als Leiharbeit erbrachten Pflege ist insbesondere vom qualifikationsadäquaten Personaleinsatz und der Einsatzkontinuität abhängig.

- Die Motive der LeiharbeitnehmerInnen sind unterschiedlich. Die "typische" Leiharbeitnehmerin in der Pflege gibt es nicht.

- Das zentrale Problem des strukturellen Personal- und Fachkräftemangels in der Pflege kann durch Leiharbeit nicht ernsthaft kompensiert werden.

Projektleitung und -bearbeitung

Projektleitung

Prof. Dr. Josef Hilbert
Westfälische Hochschule Institut Arbeit und Technik
Gesundheitswirtschaft und Lebensqualität
hilbert@iat.eu

Bearbeitung

Michaela Evans-Borchers
Westfälische Hochschule Institut Arbeit und Technik
Schwerpunkt "Arbeit und Wandel"
evans-borchers@iat.eu

Peter Enste
Westfälische Hochschule Institut Arbeit und Technik
enste@iat.eu

Christoph Bräutigam
Westfälische Hochschule Institut Arbeit und Technik
Forschungsschwerpunkt Arbeit & Wandel
braeutigam@iat.eu

Kontakt

Christina Schildmann
Hans-Böckler-Stiftung
Forschungsförderung
Christina-Schildmann@boeckler.de

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