Forschungsprojekt: Subjektivierung und Geschlecht

Vermarktlichung und Subjektivierung der Arbeit? Neue Arbeitspolitik und betriebliche Geschlechterverhältnisse

Projektziel

"Vermarktlichung" und "Subjektivierung" der Arbeit stellen insbesondere in ehemals staatlichen Unternehmen die betriebliche Arbeits- und Geschlechterpolitik vor neue Herausforderungen. Unter dem Aspekt der Gestaltungschancen wurde dies exemplarisch am Beispiel der Deutschen Bahn AG untersucht.

Veröffentlichungen

Frey, Michael, 2009. Autonomie und Aneignung in der Arbeit. Eine soziologische Untersuchung zur Vermarktlichung und Subjektivierung von Arbeit, Arbeit und Leben im Umbruch: Schriftenreihe zur subjektorientierten Soziologie der Arbeit und der Arbeitsgesellschaft, 18. Band, München; Mehring: Rainer Hampp, 270 Seiten.

Nickel, Hildegard Maria, Hasko Hüning und Michael Frey, 2008. Subjektivierung, Verunsicherung, Eigensinn. Auf der Suche nach Gestaltungspotenzialen für eine neue Arbeits- und Geschlechterpolitik, Forschung aus der Hans-Böckler-Stiftung 86, Berlin: edition sigma, 237 Seiten.

Projektbeschreibung

Kontext

Unternehmen, die sich in der Transformation von einem öffentlich-rechtlichen Staatsbetrieb zu einem privatwirtschaftlichen Unternehmen befinden, unterliegen einem starken Wandlungsdruck. Das betrifft ihre Organisationsstruktur und Steuerungsform sowie ihre betriebliche Arbeits- und Geschlechterpolitik. Die verstärkte Marktorientierung hat Auswirkungen auf die Arbeitsgestaltung und geht mit neuen Anforderungen an die Beschäftigten einher. Von ihnen wird "unternehmerisches Handeln", "Selbstorganisation" und "Flexibilität" erwartet. Die Subjektivität der Beschäftigten wird zum Produktivitätsfaktor und zu einer betrieblichen Arbeitsanforderung. Gleichzeitig haben Beschäftigte einen eigenen ("widerständigen") Sinnanspruch an ihre Arbeit. Diese "doppelte Subjektivierung" steht in einem komplementären und ambivalenten Bezug zueinander. Unter den Bedingungen der Vermarktlichung wird es für Beschäftigte und ihre Interessenvertretung schwieriger, (Eigen-)Interessen zu behaupten.

Fragestellung

Das Projekt untersuchte die Frage, ob und wie sich auf betrieblicher Ebene "Vermarktlichung" und "Subjektivierung" der Arbeit zeigen und welche Folgen dies für die betriebliche Arbeitspolitik und die betrieblichen Geschlechterverhältnisse hat. Fokussiert wurde dabei insbesondere die Frage nach den Gestaltungschancen und -optionen für eine neue und solidarische Arbeits- und Geschlechterpolitik. Kann es zu einer das Selbstständigkeitsbedürfnis der Beschäftigten berücksichtigenden Arbeits- und Geschlechterpolitik kommen? Wie lässt sich eine Neuausrichtung der betrieblichen Arbeitspolitik mit einer Geschlechterpolitik verbinden, die differenziert und sozial integrativ zugleich ist, und die die in der Subjektivierung von Arbeit angelegte (Selbst-)Befähigung der Subjekte vorantreibt? Wie ist eine geschlechtergerechte(re) "Politik der Teilhaberechte" durchzusetzen, die die soziale Ungleichheit zwischen den Geschlechtern als Teil der zu lösenden betrieblichen Probleme begreift?

Untersuchungsmethoden

Untersuchungsfeld war die Deutsche Bahn AG. Es erfolgte eine Konzentration auf vier kontrastierende Betriebsfälle, in denen die Projektfragestellung in den drei Dimensionen "Arbeitsorganisation und -anforderungen", "Arbeitszeit" sowie "Entgeltstrukturen" untersucht wurde. Dabei wurde auf zwei Ebenen angesetzt: Zum einen wurden anhand von Dokumenten und ExpertInnengesprächen Struktur und Organisation der Betriebsfälle sowie des Konzerns erfasst. Zum anderen wurden unterschiedlich handlungsmächtige AkteurInnen auf Basis von leitfadenstrukturierten Interviews befragt. Das empirische Material bestand insgesamt aus 10 explorativen ExpertInnengesprächen, 29 qualitativen Interviews mit Führungskräften, BetriebsrätInnen und Beschäftigten sowie betrieblichen Dokumenten und Strukturdaten. Zudem wurden zwei Gruppendiskussionen jeweils mit Führungskräften und BetriebsrätInnen durchgeführt. Das empirische Design orientierte sich an den Prinzipien der grounded theory und des theoretical sampling.

Darstellung der Ergebnisse

- Die Deutsche Bahn AG bewegt sich gegenwärtig in einer Phase "(kapital-)marktorientierter Rezentralisierung".

- Zugleich wird deutlich, dass der Personalabbau an Grenzen stößt. Produktivitätssteigerungen sind nur noch durch qualitative Entwicklung der Humanressourcen möglich. Den subjektiven Kompetenzen der Beschäftigten kommt dabei zentrale Bedeutung zu.

- Hier zeigen sich strukturelle Asymmetrien: Führungskräfte können ihren Gestaltungsanspruch durch entsprechende betriebliche und individuelle Ressourcenausstattung abstützen. Beschäftigten bleibt dagegen oftmals nur die Mobilisierung subjektiver Kompetenzen zur Kompensation von Störungen im Arbeitsprozess übrig.

- Insgesamt zeigt sich, dass arbeitsbezogene Unsicherheit eine die Beschäftigten betreffende Begleiterscheinung von Vermarktlichung und Subjektivierung ist.

- Die BetriebsrätInnen sind hinsichtlich des veränderten Stellenwerts der Subjekte sowie der Genderproblematik noch wenig sensibilisiert.

- Die betriebliche Geschlechterpolitik ist stark individualisiert. Die Durchsetzung von Egalitäts- und Vereinbarkeitsansprüchen ist von der Verhandlungsmacht der/des Einzelnen abhängig.

Projektleitung und -bearbeitung

Projektleitung

Prof. Dr. Hildegard Maria Nickel
Humboldt-Universität zu Berlin Philosophische Fakultät III
Institut für Sozialwissenschaften
nickel@sowi.hu-berlin.de

Dipl.-Pol. Hasko Hüning
Freie Universität Berlin
FB Politik und Sozialwissenschaften
haskohuening@t-online.de

Bearbeitung

Susanne Braun
Humboldt-Universität zu Berlin Philosophische Fakultät III
Institut für Sozialwissenschaften

Cordula Kiank
Humboldt-Universität zu Berlin Philosophische Fakultät III
Institut für Sozialwissenschaften

Dipl.-Soz. Michael Frey
Technische Hochschule Wildau
Koordinator "Familiengerechte Hochschule"
michael.frey@rz.hu-berlin.de

Kontakt

Christina Schildmann
Hans-Böckler-Stiftung
Forschungsförderung
Christina-Schildmann@boeckler.de

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