Forschungsprojekt: Normalarbeitsverhältnis in Ostdeutschland

Kontinuität trotz Transformation? Normalarbeitsverhältnis und geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in Ostdeutschland

Projektziel

Untersucht wurden die Erwerbserfahrungen, Erwerbswünsche und Arbeitszeitpräferenzen von Frauen und Männern in Ostdeutschland vor und nach Herstellung der deutschen Einheit. Diese wurden im Kontext familialer Arbeitsteilung und gesellschaftlicher sowie betrieblicher Rahmenbedingungen analysiert.

Veröffentlichungen

Wagner, Alexandra, 2006. Kontinuität trotz Transformation?. Normalarbeitsverhältnis und geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in Ostdeutschland, Stadtbergen u. Frankfurt, 265 Seiten.

Projektbeschreibung

Kontext

Ausgangspunkt der Überlegungen war, dass es bis zur Herstellung der deutschen Einheit in den ostdeutschen Ländern ein grundlegend anderes "Normalarbeitsverhältnis" gegeben hat, als es zum Zeitpunkt der Wende in der Bundesrepublik existierte. Damit in Zusammenhang stand auch eine andere familiale Arbeitsteilung in ostdeutschen Paarhaushalten. Mit der Übernahme des westdeutschen Erwerbs- und Sozialsystems in den neuen Bundesländern hat sich das gesamte Geflecht der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsbedingungen gravierend verändert. Unter diesen Voraussetzungen änderte sich möglicherweise auch das Arbeitsangebotsverhalten von Frauen und Männern, das durch ein Zusammenwirken von arbeitsmarktbezogenen, betrieblichen und kulturellen Faktoren beeinflusst wird.

Fragestellung

In dem Projekt wurde der Frage nachgegangen, welche Veränderungen der Erwerbswünsche und Arbeitszeitpräferenzen von Frauen und Männer sich in den Jahren seit der deutschen Einigung in Ostdeutschland vollzogen haben. Es sollte herausgefunden werden, welche Faktoren das Erwerbsverhalten ostdeutscher Männer und Frauen wie beeinflussen - wie stark "DDR-traditionelles" Erwerbsverhalten noch ist und warum Menschen daran festhalten, ob die DDR-Tradition der Eltern auch von der jüngeren Generation übernommen wird bzw. ob und aus welchen Gründen inzwischen andere Erwerbsmuster präferiert werden.

Das Projekt behandelte die Frage nach den Nachwirkungen eines gesellschaftlichen Leitbildes, das die gleichberechtigte Teilnahme von Männern und Frauen an der Erwerbsarbeit anstrebte - auch wenn dieses Leitbild nie vollständig Realität geworden war. Von besonderem Interesse war die gelebte Vereinbarung von Erwerbs- und Sorgearbeit in der DDR und nach der Wende.

Untersuchungsmethoden

Es wurden leitfadengestützte biografische Interviews mit Personen in unterschiedlichen Lebenssituationen (erwerbstätig /arbeitslos; allein stehend / in Partnerschaft lebend; mit / ohne Kinder im Haushalt usw.) und unterschiedlichen Alters geführt. Weil Erwerbsentscheidungen in der Regel im Haushaltskontext gefällt werden, wurden teilweise auch die Partner bzw. Partnerinnen und in einigen Fällen die erwachsenen Kinder interviewt.

Der Kontakt zu den zu interviewenden Personen wurde überwiegend über die Betriebe hergestellt, in denen sie zum Zeitpunkt der Befragung beschäftigt waren. Dies ermöglichte es, die im Betrieb bzw. in der Region gegebenen spezifischen Erwerbschancen und -bedingungen mit in die Analyse einzubeziehen.

Die qualitative Untersuchung wurde durch Literatur- und Datenanalysen ergänzt.

Darstellung der Ergebnisse

- Es gibt eine nahezu ungebrochene Kontinuität in Bezug auf den Wunsch nach Verbindung von Erwerbsarbeit und Familiengründung.

- Eine geschlechtstypische Arbeitsteilung wird von den befragten Männern und Frauen klar abgelehnt. Die ökonomische Unabhängigkeit vom Partner ist ein hoher Wert. Es dominiert der Wunsch nach (mehr oder weniger) partnerschaftlicher Teilung der Haus- und Sorgearbeit.

- Die Realisierung des ganzheitlichen Lebensentwurfs wird heute allerdings als weitaus schwieriger erlebt als in der DDR. Ausschlaggebend dafür ist das Zusammenspiel von angespannter Arbeitsmarktlage, zunehmenden betrieblichen Anforderungen an Verfügbarkeit, der Ausdünnung der sozialen Infrastruktur und der Verschlechterung der sozialen Beziehungen im Nahbereich.

- Der Stellenwert der Erwerbsarbeit ist nach der Wende eher noch gewachsen; Arbeitslosigkeit wird als schwere Sinnkrise erlebt; die Übernahme von Haus- und Familienarbeit wird weder von Männern noch von Frauen als gleichwertige "Alternativrolle" akzeptiert.

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