Projektbeschreibung
Kontext
Trotz sinkender Zahlen von Schulabgänger*innen, die „nur“ über einen Hauptschulabschluss verfügen, hat sich ihre Situation beim Übergang in eine berufliche Ausbildung nicht verbessert. Ihr Anteil an allen Neuzugängen ins duale System lag 2014 bei 31% und ist tendenziell rückläufig; ihr Anteil im Übergangssystem ist dagegen ansteigend. Diese Situation trifft Jugendliche ausländischer Herkunft in besonderer Weise. Sie sind deutlich häufiger – bei gleichem Bildungsniveau – im Übergangssystem und dafür seltener in einer vollqualifizierenden Ausbildung wiederzufinden. Zudem brauchen sie in der Regel länger, um einen Ausbildungsplatz zu finden. Vor dem Hintergrund demografisch bedingter Nachwuchsengpässe als auch der Herausforderung der gesellschaftlichen Integration von Menschen mit Migrationshintergrund stellt sich notwendigerweise die Frage nach den Berufsbildungsperspektiven dieser Schüler*innengruppen.
Fragestellung
Trotz der besonderen Rolle die Betrieben als Gatekeeper bei der Integration von geringqualifizierten Jugendlichen und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in eine vollqualifizierende berufliche Ausbildung zukommt, ist bisher empirisch noch nicht umfassend geklärt, welche Mechanismen betriebliche Rekrutierungsprozesse genau strukturieren. Ziel des Forschungsvorhabens ist es, diese Forschungslücke zu schließen:
- Scheitern die Jugendlichen an individuellen Defiziten oder an strukturellen Benachteiligungen?
- Welche Merkmale werden von den Betrieben als Ausweis von Produktivität und Leistungsfähigkeit herangezogen? Welche Rolle spielen hier Schulnoten? Welche Rolle soziale Kompetenzen?
- Aufgrund welcher Indikatoren werden die erwarteten Kompetenzen und Leistungen durch die Personalverantwortlichen der Betriebe ermittelt?
- Inwiefern sind Einstellungsentscheidungen durch innerbetriebliche Organisationslogiken, zum Beispiel der Frage nach der Teampassung, strukturiert?
Untersuchungsmethoden
Im Rahmen des Forschungsvorhabens wurden quantitative Auswertungen eines Datensatzes vorgenommen, der aufgrund seiner Struktur neue Analysepotenziale eröffnet, da er Betriebsdaten mit individuellen Längsschnittdaten verknüpft. Der Datensatz bot damit die Möglichkeit individuelle Bildungsverläufe und betriebliche Rekrutierungsprozesse im Zusammenhang zu analysieren und mögliche betriebliche Diskriminierungsprozesse aufzudecken. Die Ergebnisse der quantitativen Analysen bildeten die Grundlage für die Durchführung von zehn problemzentrierten Interviews mit Personalverantwortlichen, in denen die Befunde plausibilisiert und eingeordnet wurden.
Darstellung der Ergebnisse
Im Gegensatz zu den betrieblichen Ausschreibungskanälen und Auswahlverfahren, die in keinem Zusammenhang mit den Einstellungschancen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund standen, zeigten sich Effekte spezifischer Selektionskriterien im Auswahlprozess. Bei Betrieben, denen es sehr wichtig war, dass Auszubildende ins Team passen, hatten Bewerber*innen mit Migrationshintergrund schlechtere Chancen als bei anderen Betrieben. Überraschend war, dass Migrantenjugendliche bei Betrieben, denen sprachliche Kompetenzen sehr wichtig erschienen, die gleichen Chancen wie Bewerber*innen ohne Migrationshintergrund hatten, während sich bei Bewerbungen bei den übrigen Firmen deutliche Nachteile zeigten. Die Interviews mit Personaler*innen im Einzelhandel machten deutlich, dass angenommene mangelhafte Sprachkenntnisse nicht unmittelbar zum Ausschluss aus dem Bewerbungsverfahren führen, sondern im Gespräch überprüft werden. Der Besuch einer berufsvorbereitenden Maßnahme stellte für alle Bewerber*innen den größten Risikofaktor dar. Aufgrund der fehlenden Standardisierung hatten viele Personaler*innen keine genaue Vorstellung davon, was die Maßnahmen beinhalten.